Dem Ermittler lief es kalt den Rücken hinunter
Wollte ein junger Mann seine Ex-Freundin töten? Ein Polizist schilderte nun die Vernehmung des Angeklagten
Wenn ein langjähriger Ermittler des für Tötungsdelikte zuständigen Kripokommissariats 1 sagt: „Bei dieser Vernehmung ist es einem kalt den Rücken hinuntergelaufen“, dann muss er mit einer ungewöhnlichen Aussage konfrontiert worden sein. An jenem 17. Januar 2017, morgens gegen 9 Uhr, saß der Beamte, 53, dem heute 25-jährigen Sebastian S. im Polizeipräsidium gegenüber, der fünf Stunden zuvor unten an der Wache gestanden hatte: „Ich habe meine Freundin abgestochen.“
Nicht die Tat an sich, die glücklicherweise nicht tödlich geendet hatte, ließ den erfahrenen Kriminaler aufhorchen. Es war das schauderhafte Motiv des jungen Allgäuers, der einer schlafenden Frau, 22, ein Klappmesser in den Hals gerammt hatte: Über Jahre hinweg war Sebastian S., wie er angab, von Tötungsfantasien getrieben worden, die er hatte ausleben wollen.
Gestern, am zweiten Tag im Prozess um den versuchten Mord vor der Schwurgerichtskammer, schilderte der Beamte, wie der 25-Jährige ruhig, ja eiskalt seine Beweggründe geschildert hatte. Er habe sich, so der jetzt Angeklagte, vorgestellt, einen Menschen mit einem einzigen Messerstich in die Halsschlagader so zu treffen, dass „das Blut herausspritzt“und das Opfer vor seinen Augen in kurzer Zeit stirbt. Sebastian S. äußerte in der Vernehmung, er sei viele Male schon auf der Straße mit dem aufgeklappten Messer in der Hand herumspaziert, um einen x-beliebigen Passanten zu töten. Ihm habe aber immer der Mut gefehlt.
Als er nach langer Pause am 16. Januar wieder Kontakt mit seiner Ex-Freundin in Augsburg aufgenommen, mit ihr in ihrem Apartment Sex gehabt hatte, als sie da schlafend neben ihm lag und er ihre pulsierende Halsschlagader sah, da sei es über ihn gekommen. Er stach ihr das Messer zentimetertief in den Hals. Doch die Klinge verfehlte die Schlagader um einen Zentimeter. Als nur wenig Blut aus der Wunde hervortrat, sei er enttäuscht gewesen und habe deshalb „nicht weitergemacht“. Seine Ex-Freundin war aufgewacht und hatte sich die Verletzungen nicht erklären können. Erst am folgenden Tag war sie ins Klinikum gegangen.
Als seine Ex-Freundin am Abend nicht in das kleine Apartment zurückkam, weil sie stationär im Klinikum lag, versuchte Sebastian S., die Wohnung in Brand zu setzen: Er stellte auf den eingeschalteten Herd einen Kochtopf und eine Pfanne, stopfte Gegenstände aus Kunststoff, Allzwecktücher, CD-Hüllen, einen Kartoffelstampfer, acht Kontoauszüge, Batterien und Schokolade hinein, stülpte ein Kissen und eine Decke darüber und legte eine Matratze drauf. Dann schrieb er mit Lippenstift auf einen Spiegel die Worte „Blutfalke“und „Tot“, wobei er das zweite „t“verkehrt herum auftrug. Er verließ das Apartment und wollte zusehen, „wie die Bude abbrennt“. Doch auch dieser Plan ging glücklicherweise nicht auf. Ein Feuermelder sprang an, ein Student alarmierte den Hausverwalter, beide drangen in die Wohnung ein, schalteten den Herd aus und räumten die verkohlten Gegenstände ab.
Was ihm damals Sebastian S. geschildert hatte, das habe „im ersten Moment verrückt geklungen“, sagte der Kriminaler jetzt im Gerichtssaal. Doch letztlich habe der Angeklagte alles „sehr überzeugend“geschildert. Wie berichtete, hatte Sebastian S. über seinen Anwalt Jörg Seubert erklären lassen, er sei sowohl bei der Tat als auch bei der Vernehmung unter Drogen gestanden, habe sich als „brutal“darstellen, seine Ex jedoch nicht töten wollen. Er habe Kräutermischungen geraucht. Der Allgäuer, der im November auch eine Feldscheune bei Kempten in Brand gesteckt hatte, soll auch mit gefährlichen giftigen Drogenpflanzen experimentiert haben. Angeblich aß er Joghurt mit Tollkirsche und trank Tee aus den Blättern der Engelstrompete, eines Nachtschattengewächses. Der Prozess wird fortgesetzt.