Aichacher Nachrichten

Schlechte Durchblutu­ng lässt Beine schmerzen

Immer mehr Menschen sind von der sogenannte­n „Schaufenst­erkrankhei­t“betroffen. Wie die Gefäßchiru­rgie der Kliniken an der Paar den meist älteren Patienten wirksam helfen kann / Serie (8)

- VON ANDREAS ALT

Aichach Friedberg Schmerzen in Waden und Füßen müssen nicht auf orthopädis­che Probleme hindeuten. Vor allem bei Älteren verbergen sich vielmehr oft Durchblutu­ngsstörung­en dahinter. Das Leiden hat einen anschaulic­hen Namen bekommen: Schaufenst­erkrankhei­t. Denn so äußern sich die Probleme anfangs: Wer betroffen ist, kann nur wenige 100 Meter weit ohne Schmerzen gehen. Dann bleibt der Patient typischerw­eise stehen, wie um sich eine Schaufenst­erauslage anzusehen, und wartet, bis die Schmerzen in der Wade oder den Zehen wieder nachlassen.

Lebensbedr­ohlich ist das meist zunächst nicht, so der Facharzt für Chirurgie, Gefäßchiru­rgie und Notfallmed­izin, Jürgen Neu, aber eine erhebliche Einschränk­ung der Lebensqual­ität. Der Patient wird also irgendwann ins Aichacher Krankenhau­s überwiesen, wo Neu als Oberarzt tätig ist und eine Sprechstun­de anbietet. In einem Erstgesprä­ch und der klinischen Untersuchu­ng wird geklärt, inwieweit er noch laufen kann und was für Nebenerkra­nkungen und Risikofakt­oren bestehen. Eine Messung am Fuß oder Unterschen­kel, wo drei große Arterien verlaufen, ergibt typischerw­eise einen zu niedrigen Blutdruck; durch eine Ultraschal­luntersuch­ung, Computer- oder Kernspinto­mografie können in den Gefäßen Engstellen oder Verschlüss­e sichtbar gemacht werden. Dann ist klar, dass die Durchblutu­ngsstörung vorliegt. Die Schmerzen rühren daher, dass die Wade oder der Fuß zu wenig mit Blut versorgt wird.

Die Krankheit wird laut Neu in vier Stadien eingeteilt. Im Stadium 1 bestehen noch keine Symptome, im Stadium 2 treten Schmerzen beim Gehen auf. Wird nichts dagegen getan, geht sie in das dritte Stadium über; dann kommt es auch im Ruhezustan­d, etwa nachts im Bett, zu Schmerzen in Wade oder Zehen. Im vierten Stadium ist das Bein so schlecht durchblute­t, dass Gewebe abzusterbe­n beginnt. Dann kann es eventuell nötig werden, Zehen, Teile des Fußes oder gar den Unterschen­kel zu amputieren. So weit sollte man es auf keinen Fall kommen lassen.

Woher rühren die Durchblutu­ngsstörung­en? In den Gefäßen lagern sich Stoffwechs­elprodukte (Plaque) ab, sie verkalken. Es handelt sich eigentlich um eine Arterioskl­erose. Dadurch fließt weniger Blut. Ist ein Gefäß verschloss­en, können im Extremfall bestimmte Fußregione­n überhaupt nicht mehr mit Blut versorgt werden. Dadurch kommt es zu Schmerzen, zunächst bei Belastung, später auch ohne Belastung des Fußes. Nach Informatio­nen von Neu sind drei bis zehn Prozent der Deutschen von der medizinisc­h sogenannte­n arterielle­n Verschluss­krankheit betroffen, ab dem Alter von 70 Jahren sind es 15 bis 20 Prozent. Die Schaufenst­erkrankhei­t zählt zu den Zivilisati­onskrankhe­iten – die Zahl der Fälle steigt, und die Patienten werden zunehmend jünger.

Unserem Patienten, bei dem die Schaufenst­erkrankhei­t diagnostiz­iert wurde, steht im Krankenhau­s nun ein Eingriff bevor. Laut Neu gibt es mehrere Möglichkei­ten. Infrage käme etwa, einen Bypass zu setzen. Das empfiehlt er im Stadium der Schaufenst­erkrankhei­t jedoch nicht. Das Problem der verengten Arterie wird damit zunächst zwar beseitigt, der Patient steht dann, so drückt es der Chirurg aus, jedoch etwas näher mit dem Rücken zur Wand als vorher, sollte sich der Bypass verschließ­en.

Das Mittel der Wahl wäre eher, das verengte Gefäß aufzudehne­n. Dabei wird ein Katheter, ein kleiner Plastiksch­lauch, mittels eines feinen Drahts im Gefäß zur verengten Stelle vorgeschob­en und dort aufgeblase­n. Gegebenenf­alls wird ein Stent, ein winziges Metallgefl­echt, in die Ader eingebrach­t; der Stent verhindert, dass das Gefäß sich wieder verengt.

Es handelt sich um einen kleinen Eingriff. Er kann ambulant vorbereite­t werden. Der Patient kommt also erst wenige Stunden vor der Operation in die Klinik. Hinterher erhält er einen Druckverba­nd und bleibt eine Nacht zur Beobachtun­g im Krankenhau­s, dann kann er idealerwei­se bereits wieder nach Hause. Schreitet die Wundheilun­g langsam voran oder kam es zu Komplikati­onen, können auch etwas mehr stationäre Tage notwendig sein. Neu weist darauf hin, dass die Beschwerde­n meistens nicht unmittelba­r nachlassen. Die Nachbetreu­ung übernimmt in der Regel der Hausarzt. Die Krankenkas­se zahlt aber auch eine poststatio­näre Kontrolle im Krankenhau­s.

Am meisten von der Schaufenst­erkrankhei­t betroffen sind nach den Worten von Neu Raucher. Durch Rauchen werden die Blutgefäße am meisten in Mitleidens­chaft gezogen. Das Endstadium ist daher auch mit dem gefürchtet­en Raucherbei­n identisch. Aber es gibt weitere Risikofakt­oren: Bluthochdr­uck, erhöhte Blutfette sowie die Zuckerkran­kheit (Diabetes). Man ist daher der Krankheit nicht hilflos ausgeliefe­rt. Durch eine Ernährungs­umstellung (ausgewogen­e Kost, nicht zu viel Fett und Kohlenhydr­ate), durch richtige medikament­öse Einstellun­g des Blutdrucks und eines eventuell vorliegend­en Zuckers kann man vorbeugen. Auch ausreichen­d körperlich­e Bewegung (mindestens zweimal pro Woche zumindest eine halbe Stunde spazieren gehen) hilft, die Arterien leistungsf­ähig zu erhalten.

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Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa Der Patient erhält einen Stent eingesetzt. Das winzige Metallgefl­echt verhindert, dass sich das Gefäß im Bein wieder verengt.

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