Schlechte Durchblutung lässt Beine schmerzen
Immer mehr Menschen sind von der sogenannten „Schaufensterkrankheit“betroffen. Wie die Gefäßchirurgie der Kliniken an der Paar den meist älteren Patienten wirksam helfen kann / Serie (8)
Aichach Friedberg Schmerzen in Waden und Füßen müssen nicht auf orthopädische Probleme hindeuten. Vor allem bei Älteren verbergen sich vielmehr oft Durchblutungsstörungen dahinter. Das Leiden hat einen anschaulichen Namen bekommen: Schaufensterkrankheit. Denn so äußern sich die Probleme anfangs: Wer betroffen ist, kann nur wenige 100 Meter weit ohne Schmerzen gehen. Dann bleibt der Patient typischerweise stehen, wie um sich eine Schaufensterauslage anzusehen, und wartet, bis die Schmerzen in der Wade oder den Zehen wieder nachlassen.
Lebensbedrohlich ist das meist zunächst nicht, so der Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie und Notfallmedizin, Jürgen Neu, aber eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Der Patient wird also irgendwann ins Aichacher Krankenhaus überwiesen, wo Neu als Oberarzt tätig ist und eine Sprechstunde anbietet. In einem Erstgespräch und der klinischen Untersuchung wird geklärt, inwieweit er noch laufen kann und was für Nebenerkrankungen und Risikofaktoren bestehen. Eine Messung am Fuß oder Unterschenkel, wo drei große Arterien verlaufen, ergibt typischerweise einen zu niedrigen Blutdruck; durch eine Ultraschalluntersuchung, Computer- oder Kernspintomografie können in den Gefäßen Engstellen oder Verschlüsse sichtbar gemacht werden. Dann ist klar, dass die Durchblutungsstörung vorliegt. Die Schmerzen rühren daher, dass die Wade oder der Fuß zu wenig mit Blut versorgt wird.
Die Krankheit wird laut Neu in vier Stadien eingeteilt. Im Stadium 1 bestehen noch keine Symptome, im Stadium 2 treten Schmerzen beim Gehen auf. Wird nichts dagegen getan, geht sie in das dritte Stadium über; dann kommt es auch im Ruhezustand, etwa nachts im Bett, zu Schmerzen in Wade oder Zehen. Im vierten Stadium ist das Bein so schlecht durchblutet, dass Gewebe abzusterben beginnt. Dann kann es eventuell nötig werden, Zehen, Teile des Fußes oder gar den Unterschenkel zu amputieren. So weit sollte man es auf keinen Fall kommen lassen.
Woher rühren die Durchblutungsstörungen? In den Gefäßen lagern sich Stoffwechselprodukte (Plaque) ab, sie verkalken. Es handelt sich eigentlich um eine Arteriosklerose. Dadurch fließt weniger Blut. Ist ein Gefäß verschlossen, können im Extremfall bestimmte Fußregionen überhaupt nicht mehr mit Blut versorgt werden. Dadurch kommt es zu Schmerzen, zunächst bei Belastung, später auch ohne Belastung des Fußes. Nach Informationen von Neu sind drei bis zehn Prozent der Deutschen von der medizinisch sogenannten arteriellen Verschlusskrankheit betroffen, ab dem Alter von 70 Jahren sind es 15 bis 20 Prozent. Die Schaufensterkrankheit zählt zu den Zivilisationskrankheiten – die Zahl der Fälle steigt, und die Patienten werden zunehmend jünger.
Unserem Patienten, bei dem die Schaufensterkrankheit diagnostiziert wurde, steht im Krankenhaus nun ein Eingriff bevor. Laut Neu gibt es mehrere Möglichkeiten. Infrage käme etwa, einen Bypass zu setzen. Das empfiehlt er im Stadium der Schaufensterkrankheit jedoch nicht. Das Problem der verengten Arterie wird damit zunächst zwar beseitigt, der Patient steht dann, so drückt es der Chirurg aus, jedoch etwas näher mit dem Rücken zur Wand als vorher, sollte sich der Bypass verschließen.
Das Mittel der Wahl wäre eher, das verengte Gefäß aufzudehnen. Dabei wird ein Katheter, ein kleiner Plastikschlauch, mittels eines feinen Drahts im Gefäß zur verengten Stelle vorgeschoben und dort aufgeblasen. Gegebenenfalls wird ein Stent, ein winziges Metallgeflecht, in die Ader eingebracht; der Stent verhindert, dass das Gefäß sich wieder verengt.
Es handelt sich um einen kleinen Eingriff. Er kann ambulant vorbereitet werden. Der Patient kommt also erst wenige Stunden vor der Operation in die Klinik. Hinterher erhält er einen Druckverband und bleibt eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus, dann kann er idealerweise bereits wieder nach Hause. Schreitet die Wundheilung langsam voran oder kam es zu Komplikationen, können auch etwas mehr stationäre Tage notwendig sein. Neu weist darauf hin, dass die Beschwerden meistens nicht unmittelbar nachlassen. Die Nachbetreuung übernimmt in der Regel der Hausarzt. Die Krankenkasse zahlt aber auch eine poststationäre Kontrolle im Krankenhaus.
Am meisten von der Schaufensterkrankheit betroffen sind nach den Worten von Neu Raucher. Durch Rauchen werden die Blutgefäße am meisten in Mitleidenschaft gezogen. Das Endstadium ist daher auch mit dem gefürchteten Raucherbein identisch. Aber es gibt weitere Risikofaktoren: Bluthochdruck, erhöhte Blutfette sowie die Zuckerkrankheit (Diabetes). Man ist daher der Krankheit nicht hilflos ausgeliefert. Durch eine Ernährungsumstellung (ausgewogene Kost, nicht zu viel Fett und Kohlenhydrate), durch richtige medikamentöse Einstellung des Blutdrucks und eines eventuell vorliegenden Zuckers kann man vorbeugen. Auch ausreichend körperliche Bewegung (mindestens zweimal pro Woche zumindest eine halbe Stunde spazieren gehen) hilft, die Arterien leistungsfähig zu erhalten.