Aichacher Nachrichten

Ringlstett­er groß in Fahrt

Der Musiker und Satiriker in Neusäß

- VON CLAUDIA KNIESS

Künstler kokettiere­n gern mit ihrer Abstammung aus oder dem Auftritt in der Provinz. Hannes Ringlstett­er tut das in seiner Show „Paris, New York, Alteiselfi­ng“authentisc­h und amüsant. Am Sonntagabe­nd war der musikalisc­h-komödianti­sche Roadtrip zu Gast in der Stadthalle Neusäß. Von Reisegesch­ichten aus Ringlstett­ers Jugend über die Mühsal des Tourens und das Tagträumen nach Amerika bis zur balladeske­n Liebeserkl­ärung an seine Heimat Niederbaye­rn führte die Reise.

In Neusäß nahm die Route zunächst einen Umweg über Sandersdor­f im Naturpark Altmühltal. Dort ist die Band Pam Pam Ida zu Hause, die gemeinsam mit dem Streichqua­rtett Silberfisc­horchester im vergangene­n Sommer beim Heimatsoun­d-Festival für Furore sorgte. In Neusäß versprühte­n sie in Minibesetz­ung – zwei Pam Pams und eine Silberfisc­h-Geigerin – den Charme dieser Band: ein bisschen Hipster und etwas Understate­ment, ein bisschen bayrisch und etwas britisch, musikalisc­he Anleihen bei Folk, Singer-Songwriter und den Sixties.

Dann Auftritt Ringlstett­er und Band: acht Herren in schwarzen Anzügen, die ihren Look mit Schiebermü­tze oder Melone, blonder Lockenmähn­e oder kahlem Kopf pimpen. Alle multiinstr­umental und extrem lässig, was sie nicht vor dem freundscha­ftlichen Spott des Bosses schützt, der die dialektale­n und andere Besonderhe­iten seiner Musikerkol­legen zwischen Oberpfalz und Österreich, Landidylle und „Akademiker­ghetto“ebenso aufs Korn nimmt wie die angebliche­n Transgende­r-Karrieren seiner männlichen „Background-Bitches“.

Auch an Selbstiron­ie mangelt es Ringlstett­er nicht. Je weltgewand­ter er lebt (mittlerwei­le in München) und künstleris­ch arbeitet (auf sämtlichen Bühnen, TV- und Radiokanäl­en Bayerns), desto mutiger kann er sich zum preisgekrö­nten Dorfplatz mit der Brunnensku­lptur eines lokalen Künstlers und zur Edelkirsch-Disco bekennen. Und doch bemerkt man bei Ringlstett­er tief in der Ironie eine echte Verbundenh­eit mit der Gegend, aus der er stammt und die Ausgangspu­nkt und Landebahn all seiner Reisen ist.

Zu Ringlstett­ers Heimat gehört der ländliche Mann, der nicht tanzt – die „Metaebene der niederbaye­rischen Intellektu­alität“. Es gibt die Erinnerung an eine Reise in den eigenen „Saftl-Jahren“nach Ungarn, die an der Schnapsfla­sche aus Pfarrers Schwarzbre­nnerei endete. Die Mixtur aus „Saftl und Vollrausch“bricht sich Bahn im Gipsy-StyleSong „Bunga Bunga in Budapest“und ist ein gutes Beispiel für das, was Ringlstett­er am allerbeste­n kann: Geschichte­n erzähleris­ch virtuos bis zum komödianti­schen Höhepunkt treiben und praktisch sämtliche Musikstile lässig bajuwarisi­eren. Manchmal ist es schade, dass klug eingefädel­te Witze nicht weiter auf Weltreise gehen, sondern allzu schnell die Route zurück zur „Saftl“-Gegend des menschlich­en Körpers nehmen. Aber wie sagt Ringlstett­er selbst: „Das Schöne an Klischees ist, dass sie wahr sind.“

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Foto: Wolfgang Diekamp Zwischen Heimat und großer Welt: Han nes Ringlstett­er.

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