Fließt eine Million Euro für Hebammen?
Die Geburtshelferinnen in Friedberg können derzeit die Nachsorge nicht mehr leisten. Nun beantragt der Landkreis Fördermittel vom Freistaat. Wie die Situation in Aichach aussieht
Aichach Friedberg Eine Hebamme zu finden, wird immer schwerer. Am Friedberger Krankenhaus können die Geburtshelferinnen die Nachsorge nicht mehr stemmen. Grund ist, wie berichtet, eine neue Verordnung der Krankenkassen, mit der eigentlich eine bessere Betreuung gewährleistet werden soll. Laut der neuen Regelung dürfen Beleghebammen, also freiberufliche Hebammen, die ihre Leistungen direkt mit der Krankenkasse abrechnen, nur noch zwei Mütter gleichzeitig betreuen. Kommt eine dritte Mutter hinzu, muss eine zweite Hebamme dazu geholt werden.
Um das Dilemma in den Griff zu bekommen, hat der zuständige Werkausschuss des Landkreises nun beschlossen, Mittel aus einem Förderprogramm des Freistaates zu beantragen. Bis zu einer Million Euro insgesamt könnte für die Kliniken an der Paar in Friedberg und Aichach fließen, so deren Geschäftsführer Dr. Krzysztof Kazmierczak: „Das würde uns sehr helfen.“Denn im Moment sei die Lage schwierig.
Von einer „Katastrophe“spricht Claudia Quinttus, die als Beleghebamme am Friedberger Krankenhaus arbeitet. Viele werdende Mütter hätten Angst, nach der Geburt ohne Hebamme dazustehen. „Wir versuchen, eine Übergangslösung zu schaffen, aber wir müssen die Frauen bitten, sich nach einer Hebamme außerhalb des Krankenhauses um- sagt sie. In Aichach ist das schon länger der Fall. Dagmar Schmaus, die die Beleghebammenpraxis am Aichacher Krankenhaus leitet, berichtet, dort habe man schon vor einem Jahr umstellen müssen. Weil die Geburtenzahlen steigen – 376 waren es 2017 – können die sechs Beleghebammen in Aichach nicht mehr jede Mutter nach der Geburt betreuen. Schmaus sagt: „Die Frauen müssen sich frühzeitig um eine Hebamme für die Nachsorge kümmern.“Sie empfiehlt, sich ab der 20. Schwangerschaftswoche anzumelden. Die Beleghebammen haben sich das relativ große Einzugsgebiet aufgeteilt, „damit nicht jede durch den ganzen Landkreis fährt“. Sie könnten aber nur ein bestimmtes Kontingent an Frauen annehmen. Die übrigen müssten sich eine freischaffende Hebamme suchen.
In Friedberg gab es 726 Geburten im Jahr 2017. Die Klinik hat laut Kazmierczak Verträge mit zwölf Beleghebammen. Doch wegen Mutterschutz und aus anderen Gründen sind seit März nur sieben Frauen im Einsatz, so Quinttus. Bislang habe phasenweise mehr als die Hälfte der Mütter Nachsorge in Anspruch genommen. „Jetzt müssen wir mehr Zeit im Krankenhaus verbringen und können die Nachsorge schlichtweg nicht mehr leisten.“
Das Bayerische Gesundheitsministerium hatte kurz vor Weihnachten dem Kreis geschrieben, er soll bis Ende 2017 einen sogenannten Betrauungsakt erlassen. Ab 2019 könnten dann staatliche Ausgleichszahlungen fließen. Sie sollen vor allem kleinere Einrichtungen stützen. Nötig ist dies offensichtlich. Kazmierczak sagt: „Ich bin mit dem momentanen Zustand sehr unglücklich.“
Das Modell des Ministeriums steht auf zwei Säulen: 40 Euro pro Geburt fließen an den Landkreis für Maßnahmen, Hebammen zu gewinnen (etwa Vermittlungsagenturen). Außerdem gibt es einen Defizitausgleich für die Kliniken. Hier spiele mehr hinein als Geburtshilfe, betont der Geschäftsführer; etwa OP-Personal oder Anästhesisten. Die Kliniken müssen exakte EinnahmenAusgaben-Rechnungen aufstellen. Allerdings stehen noch nicht einmal die Förderrichtlinien fest.
Auch Hebammen, die nicht an den Kliniken tätig sind, sprechen von einem Riesenproblem. Susanne Bartelsen arbeitet seit fast 20 Jahren als Hebamme und hat eine Praxis in Kissing. „Bei mir haben schon fünf Frauen an einem Tag angerufen, die verzweifelt eine Hebamme für Nachsorge suchen. Ich bin aber ausgelastet und konnte nur eine annehmen.“Die Distanz spiele eine wichtige Rolle. So kümmert sich Bartelsen überwiegend um Mütter, die im Süden des Landkreises oder Richtung Fürstenfeldbruck wohnen. „Aus Friedberg betreue ich eher selten Frauen, da ich es aufgrund der Distanz nicht leisten kann“, so Bartelsen. Anfragen hätte sie genug.
„Wir leisten viel, aber ob wir das schaffen, weiß ich nicht“, so Bartelzusehen“, sen, die zwei Kinder hat. Es fehle sowieso schon an Hebammen. Letztendlich habe es Auswirkungen auf die Qualität. Vier Frauen gleichzeitig zu betreuen sei für sie ein guter Schnitt. Im November betreute sie acht, nach Zahl der Anfragen könnte sie auch zehn betreuen. Das sei aber unrealistisch; zudem habe es negative Folgen, wenn die Frauen schlecht betreut werden oder sich allein gelassen fühlen. Sie findet, man dürfe den Krankenkassen nicht das Gefühl geben, die Hebammen würden das schon irgendwie schaffen. „Die Mütter sollten bei den Kassen anrufen und sagen, dass sie Probleme haben, eine Hebamme zu finden.“
Und das führt zu einem weiteren wachsenden Problem: Nachwuchsmangel. Den gibt es laut Kazmierczak sowohl bei Hebammen als auch bei Gynäkologen. Der Grund dafür seien unbefriedigende Rahmenbedingungen. Dazu zählt er die ständige Rufbereitschaft, die hohen Summen, die an die Versicherung zu zahlen sind, aber auch die sinkende Zahl von Einrichtungen, die ausbilden. Ihm stellt sich unter anderem die Frage, ob ein staatlicher Fonds die Versicherungszahlungen übernehmen kann, wie es in Skandinavien geregelt sei. Man müsse sich auf staatlicher Ebene überlegen, was geändert werden muss, damit wieder junge Menschen in diese Berufe gehen. Sonst könnte es passieren, dass zwar Fördermittel da sind, die Kliniken aber trotzdem keine Hebammen finden.