Sie sind jetzt in Afrika zu Hause
Regina Gremes, die auf einem Einsiedlerhof bei Pöttmes aufgewachsen ist, und ihr Mann Mario sind vor sieben Jahren nach Südafrika ausgewandert. Über Spontanentscheidungen und was Heimat zur Heimat macht
Pöttmes/Friedberg/Wilderness Wenn der Ehemann von einer Urlaubsreise in Afrika nach Hause kommt und verkündet, er habe dort spontan ein Haus gekauft, ist das wohl für jede Ehefrau erst einmal ein Schock. Vor allem, wenn man wie Regina Gremes auf einem Einsiedlerhof bei Pöttmes groß geworden ist. Für ihren Mann Mario war der Hauskauf eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, die er bis heute nicht bereut. Auch für Regina hat sich der anfängliche Schrecken in ungeahntes Glück gewandelt. In den ersten Jahren pendelte das Ehepaar zwischen Deutschland und Wilderness, 400 Kilometer westlich von Kapstadt. Mittlerweile haben die beiden ihrer schwäbischen Heimat den Rücken zugekehrt und ihren Wohnsitz vollständig an den südafrikanischen Küstenort verlegt.
„Ich war schon immer ein Wandervogel“, sagt Mario Gremes lachend. Im Frühjahr 1971 rief den damals 17-Jährigen zum ersten Mal das Abenteuer. Der Teenager heuerte bei der Reederei der Shell-AG in Hamburg an, befuhr mit ihr Mittelund Südamerika. Anker legte der Frachter in Südafrika nicht, fuhr lediglich daran vorbei.
Seine Frau Regina lernte Mario Gremes an einem Freitagabend in Augsburg kennen. In der AugustusWeinstube nahm der junge Seemann seinen Mut zusammen und bat die Krankenschwester um einen Tanz. Dreckig und zerlumpt muss er damals ausgesehen haben: „Ich kann es mir nicht anders erklären, ich muss ihr wohl leidgetan haben. Des- halb hat sie Ja gesagt.“Noch am selben Abend offenbarte er ihr, dass er gerade keine Arbeit und lediglich fünf Mark in der Tasche habe und deshalb womöglich bald wieder zur See müsse. Regina willigte ein, es dennoch miteinander zu versuchen. Mario Gremes stach nicht zur See – zum Glück der beiden, denn mittlerweile ist das Ehepaar fast 45 Jahre glücklich verheiratet. Zwischen 1977 und 1980 betrieben die beiden die Gaststätte Bei Regina in Ottmaring. „Wir wurden gerne angenommen, da ich als ehemaliger Seemann einen besonderen Unterhaltungswert an mir hatte“, meint Gremes. Im Sommer 2000 erfüllte er sich einen Traum und fuhr die afrikanische Garden Route entlang. Auf ein Bier machte er in einem Restaurant Rast, kam dort mit dem Wirt ins Gespräch, dessen Familie zu diesem Zeitpunkt ein Haus zum Verkauf bot. Mario Gremes besichtigte das Gebäude und vertraute wie gewöhnlich auf sein Bauchgefühl: „So war ich schon mein ganzes Leben.“Seit sieben Jahren wohnen die Gremes nun in Wilderness, besitzen mittlerweile mehrere Ferienhäuschen, welche sie an Touristen vermieten. Für Mario Gremes ist es das Paradies: „Wir haben hier alles: die Berge, den Wald und das Meer vor der Haustür. In den Kaufhäusern gibt es all das zu kaufen, was es in Deutschland auch gibt: vom Schuhbändel bis zum Steak.“
In Thembalethu, einem nahe gelegenen Township, wurde vor mehr als zehn Jahren außerdem ein Herzensprojekt des Ehepaars geboren. Für den dort ansässigen Kindergarten richteten die beiden ein Konto ein. „Ich kenne dieses Gefühl, ich hatte auf Reisen zeitweise selbst oft nicht genug“, erklärt sich Mario Gremes sein heutiges „Helfersyndrom“. Schon damals, wenn die Schiffsköche die Essensreste aus der Kombüse den Möwen und den Wellen überlassen wollten, stahl sich Mario Gremes vom Schiff und versorgte damit die Hafenarbeiter. Den Kindern im Township hilft das Ehepaar heute nur noch durch das Sammeln von Sachspenden: „Wir haben viel zu oft die Erfahrung gemacht, dass das Geld nicht dort ankommt, wo es soll.“Kommen Gäste zu den Gremes, bittet das Ehepaar deshalb darum, eine Tasche gebrauchter Kinderkleidung mitzubringen. „Oft wollen Besucher die Sachen den Kindern selbst übergeben“, freut sich Mario Gremes. „Für ein Kind kann so ein bisschen gebrauchte Kleidung eine ganze Welt verändern.“
Seit neun Jahren waren die Gremes nun nicht mehr in Deutschland. Weder dunkles Brot noch Schnee vermissen sie. Für das Jahr 2019 ist ein Heimaturlaub geplant. Eine Sache fehlt den Gremes in Südafrika nämlich dennoch: „Unsere Kinder und Enkelkinder. Aber die wollen wir irgendwann auch hier haben“, sagt der 69-Jährige schmunzelnd.