Türkische Tochter
Senay Duzcu mischt die Comedy-Szene auf
Senay Duzcu gilt als die erste, noch relativ unbekannte türkischstämmige Komikerin in Deutschland. Die Kölnerin, die eigentlich Architektin ist, kann viel mehr als nur Slapstick. Wer ihr beim neuen Bühnenprogramm „Hitler war eine Türkin!?“in der Kresslesmühle am Samstag zuschaute, merkte schnell, dass die Tabus, die sie einreißt, andere sind als die, an denen sich Carolin Kebekus & Co. zu reiben haben.
Noch hat keine Tochter türkischer Einwanderer in Deutschland so herrlich ironisch und trotzdem liebevoll das Frauenbild der Gastarbeiterfamilien aufs Korn genommen und gleichzeitig an den hartnäckigen Klischees, die sich unter Deutschen über diese Familien halten, gekratzt. Senay Duzcu hält beiden Seiten den Spiegel vor und dieser geschmeidige Perspektivwechsel macht das Energiebündel so unterhaltsam. Das Publikum wird dabei nicht einfach nur bespaßt, sondern gleich mit integriert. „Ich weiß, ihr seid Bayern und Schwaben. Deswegen seid ihr ja wie ich. Ich bin Türkin und Deutsche“, so das Identitätskonzept der Kölnerin. Und dann probt sie mit den etwa 80 Zuschauern ihren Vornamen. „Ihr Bayern sagt doch, das Bier geht schee nei, oder? So heiße ich. Und jetzt alle!“ Auch von ihren deutschtürkischmännlichen Kollegen unterscheidet sie viel. Wo ihr Kollege Django Asül – ganz Macho – über 400-PS-Autos witzelt, hat sie Shoppen im Auge. Und die Emanzipation eines Mädchens. „Was mein Vater über seine muslimische Tochter sagt? Er ist stolz, er schlägt mich manchmal, aber er ist stolz!“Der Vater ist zentral. „Er denkt, meine Mutter geht extra hinten, damit sie in die Geschäfte abbiegen kann. Jedes Mal, wenn er sich umdreht, hat sie eine Tüte mehr in der Hand, sagt er.“
Er war es, der die katholische Nonnenschule für sie aussuchte, weil „die Lehrerinnen dort aussehen wie deine Mutter“. Patriarchat pur. Höhepunkt ihres Lebens als Grundschülerin war die Rolle der Maria im Krippenspiel. (Der Vater: „Was, Kripo? Was hast du angestellt?“) Auf den Brettern der Kresslesmühle kniend singt eine beeindruckend stimmgewaltige Version von „Oh Tannenbaum“, begleitet von TürkPop aus dem Off. Anatolischer Gospel, Copyright: Duzcu. Herrlich.