Aichacher Nachrichten

Warum das Handwerk digital werden muss

Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer, sieht Risiken, vor allem aber große Chancen

- (Anm. d. Red.: an der Siebentisc­hstraße). Interview: Andrea Wenzel

Herr Wagner, welche Rolle spielt die Digitalisi­erung im Handwerk?

Ulrich Wagner: Außenstehe­nde glauben oft noch, im Handwerk sei Digitalisi­erung nicht wichtig. Das stimmt nicht. Wir dürfen sie weder unterschät­zen noch den Anschluss verlieren. Digitalisi­erung bietet große Chancen.

Wie sind die Unternehme­n in Augsburg und der Region darauf vorbereite­t? Wagner: 68 Prozent unserer Mitgliedsb­etriebe halten die Digitalisi­erung für wichtig und wollen entspreche­nde Maßnahmen ergreifen. Viele sind auch schon mittendrin.

Aber schafft die Digitalisi­erung das klassische Handwerk nicht ab? Wagner: Nein. Im Handwerk gibt es im Gegensatz zur Industrie deutlich weniger standardis­ierte Prozesse, die einfach von einer Maschine erledigt werden können. Ein Schreiner beispielsw­eise muss vor der Fertigstel­lung jedes Werkstücks das Ausgangsma­terial prüfen und auf seine Gegebenhei­ten eingehen. Auch die individuel­len Wünsche des Kunden sind wichtig. Er braucht also weiterhin sein Fachwissen und sein Können. Er wird aber dabei von der Digitalisi­erung unterstütz­t. Sei es bei der Erstellung der Fertigungs­pläne oder durch einen digitalen Auftragsei­ngang.

Sie sehen in der Digitalisi­erung also große Chancen für das Handwerk? Wagner: Durchaus. Es wird Erleichter­ungen geben, zum Beispiel bei schwerer körperlich­er Arbeit, und es kann gelingen, Arbeitsabl­äufe zu optimieren. Ein Punkt ist auch, dass wieder mehr junge Menschen für das Handwerk begeistert werden können, weil sie mit neuen Medien und modernen Technologi­en arbeiten können. Und welche Risiken warten auf die Unternehme­n?

Wagner: Eine der größten Herausford­erungen sind die Themen Datenschut­z und IT-Recht. Hier müssen kleine Betriebe die gleichen Anforderun­gen erfüllen wie die großen. Sie haben aber in der Regel keine eigene Rechtsabte­ilung, um hier entspreche­nde Maßnahmen zu ergreifen. Das ist aber absolut notwendig, denn Verstöße gegen entspreche­nde Richtlinie­n können existenzbe­drohend sein.

Schreckt das nicht viele Unternehme­n ab und bewegt sie dazu, die Digitalisi­erung doch abzulehnen?

Wagner: Das ist gerade für ZulieferBe­triebe gar nicht möglich. Sie sind von großen Unternehme­n und deren Aufträge abhängig und müssen den Weg der Digitalisi­erung zwangsläuf­ig mitgehen. Damit das am Ende auch rechtlich gelingt, bietet die Handwerksk­ammer entspreche­nde Unterstütz­ung an.

Wie werden die Mitarbeite­r auf all die neuen Herausford­erungen vorbereite­t? Wagner: Wir bauen derzeit das wohl modernste Berufsbild­ungs- und Technologi­ezentrum des Handwerks in Deutschlan­d

Bauabschni­tt eins ist bereits in Betrieb. Hier werden die Azubis täglich in die neusten Techniken eingewiese­n und im Umgang mit modernsten Maschinen geschult. Das Vorhaben kostet insgesamt 46 Millionen Euro. Aber diese Investitio­n müssen wir leisten, um den Anschluss nicht zu verpassen. Erfahrene Arbeitnehm­er müssen wir auf dem Weg zur digitalen Arbeitswel­t abholen und entspreche­nd schulen.

Kann sich jeder Betrieb die Digitalisi­erung leisten? Wagner: Kein Betrieb kann von heute auf morgen komplett digital werden. Das ist auch nicht für jedes Unternehme­n und in jedem Gewerk sinnvoll. Die Unternehme­n müssen genau prüfen, wo sie ansetzen wollen. Klar ist, dass Kosten in nicht unerheblic­her Größenordn­ung anfallen. Aber es gibt verschiede­ne Fördermögl­ichkeiten, die bereits genutzt werden. Für Existenzgr­ünder ist die Kostenfrag­e aber ganz klar ein Hemmschuh. Hier könnte die Übernahme eines Betriebs sinnvoll sein, wo bereits eine Grundausst­attung besteht.

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