Warum das Handwerk digital werden muss
Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, sieht Risiken, vor allem aber große Chancen
Herr Wagner, welche Rolle spielt die Digitalisierung im Handwerk?
Ulrich Wagner: Außenstehende glauben oft noch, im Handwerk sei Digitalisierung nicht wichtig. Das stimmt nicht. Wir dürfen sie weder unterschätzen noch den Anschluss verlieren. Digitalisierung bietet große Chancen.
Wie sind die Unternehmen in Augsburg und der Region darauf vorbereitet? Wagner: 68 Prozent unserer Mitgliedsbetriebe halten die Digitalisierung für wichtig und wollen entsprechende Maßnahmen ergreifen. Viele sind auch schon mittendrin.
Aber schafft die Digitalisierung das klassische Handwerk nicht ab? Wagner: Nein. Im Handwerk gibt es im Gegensatz zur Industrie deutlich weniger standardisierte Prozesse, die einfach von einer Maschine erledigt werden können. Ein Schreiner beispielsweise muss vor der Fertigstellung jedes Werkstücks das Ausgangsmaterial prüfen und auf seine Gegebenheiten eingehen. Auch die individuellen Wünsche des Kunden sind wichtig. Er braucht also weiterhin sein Fachwissen und sein Können. Er wird aber dabei von der Digitalisierung unterstützt. Sei es bei der Erstellung der Fertigungspläne oder durch einen digitalen Auftragseingang.
Sie sehen in der Digitalisierung also große Chancen für das Handwerk? Wagner: Durchaus. Es wird Erleichterungen geben, zum Beispiel bei schwerer körperlicher Arbeit, und es kann gelingen, Arbeitsabläufe zu optimieren. Ein Punkt ist auch, dass wieder mehr junge Menschen für das Handwerk begeistert werden können, weil sie mit neuen Medien und modernen Technologien arbeiten können. Und welche Risiken warten auf die Unternehmen?
Wagner: Eine der größten Herausforderungen sind die Themen Datenschutz und IT-Recht. Hier müssen kleine Betriebe die gleichen Anforderungen erfüllen wie die großen. Sie haben aber in der Regel keine eigene Rechtsabteilung, um hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Das ist aber absolut notwendig, denn Verstöße gegen entsprechende Richtlinien können existenzbedrohend sein.
Schreckt das nicht viele Unternehmen ab und bewegt sie dazu, die Digitalisierung doch abzulehnen?
Wagner: Das ist gerade für ZulieferBetriebe gar nicht möglich. Sie sind von großen Unternehmen und deren Aufträge abhängig und müssen den Weg der Digitalisierung zwangsläufig mitgehen. Damit das am Ende auch rechtlich gelingt, bietet die Handwerkskammer entsprechende Unterstützung an.
Wie werden die Mitarbeiter auf all die neuen Herausforderungen vorbereitet? Wagner: Wir bauen derzeit das wohl modernste Berufsbildungs- und Technologiezentrum des Handwerks in Deutschland
Bauabschnitt eins ist bereits in Betrieb. Hier werden die Azubis täglich in die neusten Techniken eingewiesen und im Umgang mit modernsten Maschinen geschult. Das Vorhaben kostet insgesamt 46 Millionen Euro. Aber diese Investition müssen wir leisten, um den Anschluss nicht zu verpassen. Erfahrene Arbeitnehmer müssen wir auf dem Weg zur digitalen Arbeitswelt abholen und entsprechend schulen.
Kann sich jeder Betrieb die Digitalisierung leisten? Wagner: Kein Betrieb kann von heute auf morgen komplett digital werden. Das ist auch nicht für jedes Unternehmen und in jedem Gewerk sinnvoll. Die Unternehmen müssen genau prüfen, wo sie ansetzen wollen. Klar ist, dass Kosten in nicht unerheblicher Größenordnung anfallen. Aber es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten, die bereits genutzt werden. Für Existenzgründer ist die Kostenfrage aber ganz klar ein Hemmschuh. Hier könnte die Übernahme eines Betriebs sinnvoll sein, wo bereits eine Grundausstattung besteht.