Aichacher Nachrichten

Wie gefährlich sind Exhibition­isten?

Immer wieder entblößen sich Männer vor fremden Frauen, manchmal auch vor Kindern. In Augsburg bewegen sich die Zahlen der Fälle seit Jahren auf ähnlichem Niveau. Eine Expertin erklärt, wie das Thema einzuschät­zen ist

- VON JAN KANDZORA

Meistens sind die Fälle recht ähnlich. Männer, die sich vor anderen Menschen entblößen, mal in Bus und Bahn, mal an einem See, mal mitten in der Stadt – und danach fliehen. Verstörte Zeugen und Geschädigt­e, die sich an die Polizei wenden. Ermittler, die nach den Tätern suchen. Zuletzt konnte man den Eindruck gewinnen, dass Exhibition­isten in der Stadt öfter als üblich auftraten, vielleicht waren die Fälle auch nur besonders außergewöh­nlich. So häuften sich beispielsw­eise Meldungen über den „TabletExhi­bitioniste­n“: einen Mann, der mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs ist und einen TabletComp­uter dabei hat, hinter dem er sich selbst befriedigt. Gefasst hat die Polizei diesen Mann noch nicht.

Andere mutmaßlich­e Exhibition­isten hingegen schon. So berichtete Polizei vor einigen Wochen, man habe zwei mutmaßlich­e Serientäte­r ermittelt, ein syrischer und ein afghanisch­er Asylbewerb­er sitzen seither in Untersuchu­ngshaft. Die Zahl der Straftaten, die von der Polizei unter die exhibition­istischen Handlungen gezählt werden, bewegen sich in der Stadt seit Jahren auf ähnlichem Niveau. 2016 waren es nach Auskunft der Polizei 37 solcher Fälle, 2015 waren es ebenso viele. Für 2017 hält sich das Präsidium bis zur Bekanntgab­e der offizielle­n Statistik im Frühjahr noch mit konkreten Zahlen zurück. Große Veränderun­gen erwarten die Ermittler in dem Bereich allerdings nicht.

Wer „exhibition­istische Handlungen“vornimmt und damit ande- belästigt, begeht eine Straftat – über den entspreche­nden Paragrafen können nur Männer belangt werden. „Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibition­istische Handlung belästigt, wird mit Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es im Strafgeset­zbuch. Ein Sonderfall im deutschen Strafrecht. Exhibition­ismus sei allerdings auch ein männliches Phänomen, sagt Manuela Dudeck, Ärztliche Direktorin der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e und Psychother­apie am Bezirkskra­nkenhaus in Günzburg. Meistens fingen diese Männer erst mit 30 an, sich zu entblößen. Sie kämen oft aus sozial gut integriert­en Familien und seien sozial und beruflich unauffälli­g. Fast 70 Prozent seien verheirate­t, sagt Dudeck. Durchschni­ttstypen also.

Wie kommt es dennoch, dass diese Männer das Bedürfnis haben, sich vor wildfremde­n Menschen zu entdie blößen? „Der Punkt ist der, dass sie nicht in der Lage sind, Sex in der Nähe einer Partnerin zu leben“, sagt Dudeck. Aus Sicht der Exhibition­isten sei ihr Agieren eine Art sexuelles Werben. „Was ihnen Lust bereitet, ist die Entrüstung und Überraschu­ng. Der Widerwille.“Exhibition­isten seien in ihren Beziehunge­n sexuell passiv, sie hätten nicht oft Sex und seien eigentlich extrem zurückhalt­end. Davon brechen sie durch solche Handlungen aus: „Am falschen Ort, zur falschen Zeit, mit falschen Mitteln“, sagt Dudeck.

Gefährlich seien diese Männer in der Regel allerdings nicht. „Sie zeigen sich kurz, es geht ihnen um den Schreck.“Der typische Exhibition­ist sei ein Ärgernis, aber ungefährre lich. Ausnahmen gibt es freilich. Dudeck spricht von „atypischen Exhibition­isten“; oft ältere Männer aus einem sozial ungünstige­n Milieu, die auch übergriffi­g werden können. Ihnen gehe es nicht nur um den Schreck. Das allerdings sei eine Minderheit.

Behandelba­r, sagt die Fachärztin, sei Exhibition­ismus eigentlich nicht. Dennoch hält sie eine Therapie für sinnvoll. Man könne dort mit den Männern besprechen, wie man als passiver Mann auf Frauen zugeht. „Wenn sie sich keine Hilfe holen, machen sie immer weiter – und landen irgendwann im Gefängnis“, sagt Dudeck. Der zuletzt in Bus und Tram auffällig gewordenen „Tablet-Exhibition­ist“, der mehrfach als dunkelhäut­ig beschriebe­n wurde, sei nicht „der typische Exhibition­ist“, sagt sie. Solches Verhalten sei in jeder Kultur unüblich. Der Mann habe ein anderes Problem.

Für 2017 sind die Zahlen noch nicht veröffentl­icht

Am falschen Ort, zur falschen Zeit, mit falschen Mitteln

Newspapers in German

Newspapers from Germany