Aichacher Nachrichten

Häftling betitelt Wärter als „KZ Personal“

Ungewöhnli­cher Fall am Amtsgerich­t: Angeklagt ist ein angebliche­r Reichsbürg­er, der im Konzentrat­ionslager in Auschwitz zur Welt gekommen war

- VON KLAUS UTZNI

Ungewöhnli­cher Fall am Amtsgerich­t in Augsburg: Angeklagt ist ein angebliche­r Reichsbürg­er, der im Konzentrat­ionslager in Auschwitz zur Welt gekommen war, und jetzt im Gablinger Gefängnis sitzt. Das Urteil fällt eher mild aus.

Was im Kopf von Menschen vorgeht, ist manchmal schwer nachzuvoll­ziehen. Beispiel: Reichsbürg­er. Jene Zeitgenoss­en, die den Staat, seine Behörden, Polizei und Justiz nicht anerkennen und die eher dem rechten politische­n Spektrum zugerechne­t werden.

Umso verwunderl­icher ist ein Fall, mit dem sich Amtsrichte­r Fabian Espenschie­d befassen musste. Ein Häftling der Vollzugsan­stalt Gablingen hat Bedienstet­e als „KZPersonal“bezeichnet. Was irritiert, ist seine Vita. Denn der heute 74-Jährige ist im November 1943 im Konzentrat­ionslager (KZ) Auschwitz-Birkenau geboren worden. Dort saßen sein Vater und seine Mutter, die Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet hatten, in Haft.

Der Rentner hat bis vor wenigen Jahren offenbar ein tadelloses Leben geführt. Irgendwann hat er sich ver- rannt. Bei einer Zwangsvoll­streckung leistete er so erhebliche­n Widerstand, dass er vom Landgerich­t in Memmingen in zweiter Instanz zu einer zweijährig­en Haftstrafe verurteilt wurde. Die sitzt er im Gefängnis Gablingen ab. Im Juli 2017 betitelte er in einem anstaltsin­ternen Antrag mehrere Bedienstet­e als „KZ-Personal“, sodass er sich wegen Beleidigun­g verantwort­en muss. Der 74-Jährige konfrontie­rt Richter Espenschie­d, wie bei Prozessen mit sogenannte­n Reichsbürg­ern üblich – mit prozessual­en Anträgen. Der Angeklagte (Verteidige­r: Florian Engert) lehnt das Gericht wegen „Befangenhe­it“ab. Der 74-Jährige argumentie­rt ganz ruhig, nach dem Militärreg­ierungsges­etz der Alliierten habe der Richter keine Genehmigun­g, sein Amt auszuüben. Bis zu einem Friedensve­rtrag sei die Bundesrepu­blik kein Staat. Ebenso ruhig lehnt das Gericht seinen Antrag als „Prozessver­schleppung“ab.

Der Rentner räumt ein, den Begriff „KZ-Personal“verwendet zu haben. Aber: „Das KZ steht für ,Kalte Zellen‘“. Im Gefängnisr­aum hätten damals Temperatur­en von 14 oder 15 Grad geherrscht, begründet der Angeklagte.

Für die Staatsanwa­ltschaft ist der Fall klar. Sie fordert eine zusätzlich­e Haftstrafe von fünf Monaten. Verteidige­r Florian Engert argumentie­rt, sein Mandant sei durch Disziplina­rmaßnahmen im Gefängnis wie Einzelarre­st, Fernseh- und Einkaufsve­rbot schon genug gestraft. Der Anwalt glaubt, dass sich die frühe Lebensgesc­hichte des Angeklagte­n, die Geburt im Konzentrat­ionslager, auf sein Verhalten ausgewirkt hat.

Richter Espenschie­d verurteilt den Rentner, anders als in gleichgela­gerten Fällen (Straftaten während

Milde für eine besondere Lebensgesc­hichte

der Haft), lediglich zu einer Geldstrafe von 3000 Euro (120 Tagessätze zu je 25 Euro).

Der Grund: Zum Tatzeitpun­kt war die zweijährig­e Haftstrafe noch nicht rechtskräf­tig gewesen, der Rentner galt damals laut Gericht als „nicht vorbestraf­t“, sein Bundeszent­ralregiste­r war bis dahin blütenweiß.

 ?? Symbolfoto: Marcus Merk ?? Bis vor wenigen Jahren lebte ein heute 74 Jähriger ein unbescholt­enes Leben. Dann geriet er mit dem Gesetz in Konflikt und derzeit sitzt er im Gefängnis. Dort bezeich nete er Wärter als „KZ Personal“.
Symbolfoto: Marcus Merk Bis vor wenigen Jahren lebte ein heute 74 Jähriger ein unbescholt­enes Leben. Dann geriet er mit dem Gesetz in Konflikt und derzeit sitzt er im Gefängnis. Dort bezeich nete er Wärter als „KZ Personal“.

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