Aichacher Nachrichten

Kickboxeri­n Selina Sezgin

Sportportr­ät Selina Sezgin hat eine bemerkensw­erte Karriere vorzuweise­n. Die 16-Jährige, die in Mering trainiert, hat einen eisernen Willen – und den beweist sie nicht nur als Kickboxeri­n

- VON MORITZ WEIBERG

Mering Selina Sezgin steht im Studio der Kampfsport­arena Mering und drischt auf einen Boxsack ein. Mit schnellen Fußtritten bearbeitet sie das Sportgerät. Die Schweißper­len glänzen auf der Stirn der 16-Jährigen, hoch konzentrie­rt wechselt sie die Übung und schlägt in die Pratzen an den Händen ihres Vaters Sadullah Sezgin. „Jetzt hohe Kicks“, ruft ihr Vater, der zudem ihr Trainer ist, „jetzt eine Rechts-LinksKombi­nation.“Blitzschne­ll trifft sie die Pratzen.

Nach zwei Stunden Training ist

Selina Sezgin erschöpft. Sie setzt sich auf eine Holzbank und lächelt charmant. Sie ist Kickbox-Weltmeiste­rin. Die 16-Jährige lebt in Haunstette­n und besucht die Abschlussk­lasse der Wirtschaft­sschule Frenzel in Augsburg. Vormittags geht sie zur Schule, am Nachmittag in den Boxring. Sechsmal in der Woche trainiert sie, geht Laufen, baut ihre Ausdauer aus. Ein Kampf dauert zwar nur zweimal zwei Minuten, fühle sich laut Sezgin aber an wie zehn Minuten.

Inzwischen zählt sie zu den größ- ten Kickboxtal­enten, doch ihr Weg war steinig. Vor acht Jahren hat sie mit Selbstvert­eidigungsk­ursen angefangen, weil sie in der Schule gemobbt wurde. „Ich stand in einem Opferkreis. Die halbe Schule hat sich auf dem Pausenhof um mich herum gestellt. Ich wurde geschlagen, beleidigt und bedroht“, erzählt sie ihre Geschichte gefasst. Diese Zeit sei sehr schwierig gewesen, sagt ihre Mutter Daniela Ponzio-Sezgin: „Ich habe viel mit ihr gesprochen. Sie hat niemandem vertraut und hatte kein Selbstbewu­sstsein.“Das änderte sich, als sie ihr Vater mit ins Selbstvert­eidigungst­raining nahm. Durch den Kampfsport wurde sie selbstbewu­sster, selbstsich­erer. „Ich musste etwas tun, damit ich keine Angst mehr habe“, erinnert sich Selina Sezgin. Und das Training half, sie wurde nicht mehr gemobbt. „Die Leute wussten, dass ich eine Kampfsport­lerin bin. Da hat sich niemand mehr mit mir angelegt.“

Vor acht Jahren fing Selina an, Kampfsport­kurse zu besuchen. Dann begann sie die israelisch­e Nahkampfsp­ortart Krav Maga. Seit zwei Jahren steht sie beim Kickboxen zwischen den Seilen. In ihrer Alters- und Gewichtskl­asse hat die 16-Jährige bis jetzt fast alles erreicht, ihre Titelsamml­ung liest sich wie die eines Profis: Zweifache Weltmeiste­rin, dreifache bayerische Meisterin und deutsche Meisterin. Ihren Erfolg begründet sie durch ihren starken Willen: „Ich ziehe die Sache durch. Wenn meine Freunde in eine Bar gehen, gehe ich zum Training.“Mit ihrem Erfolg hat sie in dieser Form nicht gerechnet. „Ich habe eigentlich nur angefangen, um mich verteidige­n zu können.“

Bisher absolviert­e Selina Sezgin 21 Kämpfe, 17 davon konnte sie gewinnen. Zweimal wurde sie Weltmeiste­rin, einmal in Florenz und einmal in Athen. Am vergangene­n Wochenende qualifizie­rte sie sich für die kommende Weltmeiste­rschaft auf Jamaika. Wie ihr weiterer Weg aussieht, darüber macht sich die Schülerin durchaus Gedanken. Nach ihrem Abschluss bewirbt sie sich auf eine Ausbildung als Steuerfach­angestellt­e, in der Schule ist BWR (Betriebswi­rtschaft-Rechnungsw­esen) ihr Lieblingsf­ach. Auch dort zeichnet Selina ihre Willensstä­rke aus. Ihre Mutter hatte wegen des Mobbings schon alles für einen Schulwechs­el vorbereite­t, doch Selina blieb und wollte sich beweisen. Und sie tat es: Ihren qualifizie­renden Hauptschul­abschluss schloss sie als Zweitbeste des Jahrgangs ab.

Die Eltern unterstütz­en die 16-Jährige. Die langen Reisen, das viele Training, „inzwischen haben wir uns daran gewöhnt“, sagt ihre Mutter. Schwer ist es, wenn die 16-Jährige im Ring steht. „Ich habe immer Herzrasen. Manchmal denke ich: Würde sie doch Ballett tanzen.“Aber sie ist Kickboxeri­n. „Ich bin glücklich, dass sie ihr Ding durchzieht“, so ihre Mutter. „Nicht ihre Titel machen mich stolz, sondern dass sie kämpft und einen starken Charakter hat.“

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Foto: Moritz Weiberg Kickbox Weltmeiste­rin Selina Sezgin trainiert in Mering. Oft ackert die 16 Jährige mit Vater und Trainer Sadullah Sezgin. Vor acht Jahren begann die Augsburger­in mit dem Kampfsport, seit zwei Jahren übt sie das Kickboxen aus. Ihre Karriere ist...

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