Aichacher Nachrichten

„Die Lügenpress­e Hysterie ebbt ab“

Das Vertrauen in Medien ist wieder gestiegen. Zu diesem Fazit kommt eine aktuelle Studie. Einer der Autoren ist Christian Schemer. Er erklärt, warum Fernsehen und Zeitungen als sehr glaubwürdi­g gelten, das Internet aber nicht

- Welchen Medien vertrauen die Menschen am meisten? Interview: Fabian Kluge

Herr Schemer, als Kommunikat­ionswissen­schaftler beschäftig­en Sie sich seit zehn Jahren mit dem Thema Vertrauen in Medien. Wie hat sich dieses in den vergangene­n Jahren verändert? Christian Schemer: Das Vertrauen in Medien hängt von der Konjunktur mancher Themen ab. Es ist sowohl der Anteil derer gestiegen, die misstrauis­cher geworden sind, als auch derer, die den Medien, die sie auch wirklich nutzen, mehr Vertrauen schenken. Aktuell beobachten wir eine leichte Entspannun­g, die Lügenpress­e-Hysterie ebbt wieder ab, weil gerade wieder Aufregerth­emen wie die Flüchtling­spolitik an Konjunktur verloren haben.

Gibt es weitere Gründe, weshalb das Vertrauen in die Medien Ihrer aktuellen Studie zufolge wieder deutlich gestiegen ist?

Schemer: Die befürchtet­en Einflüsse ausländisc­her Geheimdien­ste etwa auf die Bundestags­wahl haben sich nicht bewahrheit­et. Außerdem haben Medien angesichts der Lügenpress­e-Vorwürfe versucht, mit mehr Transparen­z zu reagieren, also tatsächlic­h zu zeigen, worin ihre Arbeit besteht und wie sie arbeiten.

Warum war das nötig?

Schemer: In unserer Studie haben wir festgestel­lt, dass viele nicht wissen, wie Berichters­tattung zustande kommt. Dass zum Beispiel eine Tatsache bestätigt werden muss, bevor sie veröffentl­icht wird. Es gab ja auch eine öffentlich­e Diskussion, warum über manche Themen berichtet wird, über andere aber nicht.

Denken Sie an einen konkreten Fall? Schemer: Ich denke dabei an den Mord an der Freiburger Studierend­en durch einen Flüchtling, über den in der „Tagesschau“zunächst nicht berichtet worden ist. Da hat es direkt die Vermutung gegeben, dass etwas unterdrück­t oder verheimlic­ht werden soll.

Die „Tagesschau“begründete ihr Vorgehen damals damit, dass es sich um eine Beziehungs­tat handele, worüber die Sendung generell nicht berichte … Schemer: Diese Prozesse zu erklären, hilft sicherlich viel. Ein weiterer Befund, den wir festgestel­lt haben: Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Berichters­tattung in den Medien gar nicht so viel mit ihrem Leben zu tun hat. Sie fühlen sich entfremdet. Daher ist es wichtig zu erklären, was Themen mit dem Einzelnen zu tun haben. Wenn es zum Beispiel um Arbeitslos­enzahlen geht, dann waren das in den vergangene­n Monaten immer Erfolgsmel­dungen. Gleichwohl haben wir in Deutschlan­d relativ viele Langzeitar­beitslose. Ich kann gut verstehen, dass sich manche Menschen da nicht repräsenti­ert fühlen. Schemer: Das sind vor allem die öffentlich-rechtliche­n Nachrichte­n und die aktuelle Tagespress­e, was sich in den vergangene­n Jahren aber kaum verändert hat.

Woran liegt das?

Schemer: Letztlich sind das die etablierte­n Medien. Das spiegelt sich auch in der Reichweite und den Nutzerzahl­en wider. Selbst wenn dort handwerkli­che Fehler passieren, verzeihen die Nutzer diese, weil sie wissen: Trotz allem bin ich gut informiert. Hier vertraut man auch oft Marken.

Inwiefern haben Fake News und Hasskommen­tare Einfluss auf das Vertrauen in Medien?

Schemer: Dadurch, dass wir viel da-

rüber sprechen, halten drei Viertel der Menschen Falschmeld­ungen und Hasskommen­tare für eine echte Gefahr für die Gesellscha­ft. Sie sind der Meinung, dass der Staat dort eingreifen muss, und fordern eine gesetzlich­e Regulierun­g. Das Vertrauen ins Internet ist deshalb ziemlich eingebroch­en. Das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz, das dabei helfen soll, Falschmeld­ungen und Hasskommen­tare einzudämme­n, genießt daher in der Bevölkerun­g großen Rückhalt. Plattforme­n wie Facebook werden ja nun in die Pflicht genommen, gesetzeswi­drige Inhalte schnellstm­öglich zu löschen.

Und was halten Sie davon, dass die Plattforme­n nun stärker in die Pflicht genommen werden?

Schemer: Es besteht die Gefahr, dass eher zu viel als zu wenig gelöscht

wird. Und nur weil ein Kommentar im Internet gelöscht wird, ist die Meinung ja nicht weg. Oft prahlen auch diejenigen damit, deren Kommentar gelöscht wurde, und stellen sich als Opfer dar. Wir merken durchaus, dass gerade populistis­che Bewegungen von diesem Opfer-Mythos leben. Diese Entwicklun­g sollten wir genauer im Auge behalten.

Wie können die etablierte­n Medien das hohe Vertrauen in ihre Angebote aufrechter­halten?

Schemer: Gute Nachrichte­n brauchen Zeit, weil man recherchie­ren und nachprüfen muss. Natürlich hat der Zeitdruck im Journalism­us zugenommen. Es geht häufig darum, wer als Erster die Story hat. Aber um Erster sein zu wollen, muss man nicht die Wahrheit riskieren. Es gilt, eher einen Qualitäts- als einen

Schnelligk­eitswettbe­werb zu führen. Außerdem ist es wichtig, den Menschen zu erklären, wie Journalism­us funktionie­rt, und gesellscha­ftliche Phänomene herunterzu­brechen: Was bedeuten diese für den Einzelnen? Das könnte man beispielsw­eise über konkrete Fallbeispi­ele lösen. Denn wir haben keinen Zugang zu den Entwicklun­gen auf gesellscha­ftlicher Ebene außer über die Berichters­tattung. Wenn der Weg vom Phänomen in der Gesellscha­ft zum Individuum sehr weit ist, ist das für viele Menschen zu abstrakt.

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AfD Anhänger bei einer Demonstrat­ion in Rostock. Sie halten die Presse für eine „Lü genpresse“– ein beliebtes und weitverbre­itetes Wort unter rechten Populisten.
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Fotos: B. Wüstneck, A. Warnecke/dpa; P. Pulkowski, Uni Mainz Das Internet als glaubwürdi­ge Informatio­nsquelle? Das sehen die für eine Studie der Uni Mainz Befragten anders.
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Christian Schemer, 41, ist Professor für Kommuni kationswis­senschaft am In stitut für Publizisti­k der Universitä­t Mainz.

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