Humor nach Noten
Nicht nur im Fasching gibt es bei Konzerten einiges zu lachen. Wie die Komik in der Musik funktioniert
Herr Prof. Körndle, wann haben Sie zum letzten Mal gelacht, als Sie Musik gehört haben?
Franz Körndle: Das kommt immer wieder vor. Zuletzt in der „Siegfried“-Aufführung am Münchner Nationaltheater, aber das lag eher an der Inszenierung. Wagner-Musik kann jedoch durchaus auch sehr amüsant sein.
Das vermutet man eher nicht. Haben Sie ein Beispiel?
Körndle: Komische Musik von Wagner findet man in „Die Meistersinger von Nürnberg“, ein sehr lustiges, witziges Stück. Da gibt es eine Prügelszene, zu der er eine Fuge oder Fugato geschrieben hat. Das wirkt einfach umwerfend komisch, weil das eine eher strenge Form ist, die dazu gar nicht passt.
Das wird wahrscheinlich das Problem beim Humor in der Musik sein: dass ihn nur Insider erkennen können. Körndle: Es ist tatsächlich nicht leicht, ein Musikstück so hinzubekommen, dass es an sich komisch ist. Meist funktioniert es dadurch, wenn es zwei Bedeutungsebenen gibt. Die eine kann etwa eine ernste Musik sein, und dann kommt eine zweite Schicht dazu, die etwas anderes erzählt. Aus dem Widerspruch dieser zwei Ebenen entsteht dann Komik, wie in dem Beispiel der „Meistersinger“. Dafür benötigt man als Zuhörer aber gewisse Vorkenntnisse, denn wenn man nicht weiß, dass die Fuge eine sehr alte, strenge Form ist, wird man das nicht erkennen können. Gibt es denn auch einfachere Effekte, die Musik amüsant oder komisch machen?
Körndle: Aber natürlich. Der bekannteste ist der Paukenschlag in Joseph Haydns „Paukenschlagsinfonie“, die im Englischen bezeichnenderweise „Surprise Symphony“heißt.
Können Sie beschreiben, was daran amüsant ist?
Körndle: Da spielen die Streicher vorneweg ein ziemlich bekanntes Liedchen, aus dem im Grunde ein Variationssatz wird. Nach dem ersten Absatz gibt es eine Pause, nach der Wiederholung gibt es einen ziemlich lauten Paukenschlag, den niemand erwartet. Solch amüsante Elemente sind in Haydns Werk immer wieder zu finden, auch in der „Abschiedssinfonie“, bei der am Schluss jeder Musiker ein kleines Solo hat, dann zusammenpackt und geht. Historisch betrachtet, vielleicht auch noch das Kerzchen am Notenpult ausbläst. Am Schluss sind nur noch zwei Geigen übrig. Das ist allerdings ein Effekt, den man nur richtig wahrnimmt, wenn man im Konzert sitzt.
Es ist also eher so, dass die Komik in der Musik durch Bedeutungsverschiebungen und Änderungen im Zusammenhang erzeugt wird, und nicht durch einen besonderen kompositorischen Kniff?
Körndle: Ja, häufig ist es so. Bei Oper, Operette oder Lied kommt der komische Effekt in erster Linie durch den Text. Die Musik kann das auf einer anderen Ebene dann verstärken. In der „Fledermaus“haben Sie das Lied „Oh je, oh je, wie rührt mich dies, wie rührt mich dies“. Das könnte Mitleid ausdrücken, wenn es gesprochen wird. Die Musik, die dazu komponiert ist, ist aber unpassend, bildet einen Kontrast zur Bedeutung des Textes und wirkt dadurch komisch.
Unfreiwillig komisch wirkt es ja, wenn Musiker nicht den richtigen Ton treffen. Wird so etwas auch bewusst als Stilmittel eingesetzt?
Körndle: Da gibt es ein sehr bekanntes Stück, das sogenannte „Dorfmusikantensextett“, auch „ein musikalischer Spaß“genannt. Da nimmt Mozart vermeintlich falsch spielende Musiker, aber auch mittelmäßige Komponisten auf die Schippe. Darin gibt es nämlich eine Stelle, da hört man die Hörner fürchterlich falsch spielen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Musiker das nicht können oder es falsch komponiert ist. Aber Mozart hat bewusst hier zusätzliche Vorzeichen gesetzt, dass es verzerrt erscheint. Das hat aber nichts mit schlechter Komposition zu tun, sondern mit einer Eigenart des Hornspiels. In der damaligen Zeit konnten die Hornisten nicht jeden Ton spielen und es mussten bestimmte Töne mit der Stopftechnik korrigiert werden, um den Naturton auf dem Horn etwas höher oder tiefer zu machen. Wenn der Hornist das nicht beherrscht, dann klingt es so, wie mit Mozarts Vorzeichen.
Kann musikalischer Humor eigentlich auch zu weit gehen, vielleicht sogar geschmacklos sein?
Körndle: In der Kirchenmusik werden Sie komische Elemente selten finden. Das wäre nicht so gut angekommen. Wenn es sich da findet, ist es sehr subtil, eher ein Insiderscherz.
Fällt Ihnen ein Beispiel ein? Körndle: Da wären wir beim Thema Verkleidung, was ja auch ganz gut zum Fasching passt. Im 16. Jahrhundert gab es ein Kompositionsverfahren bei einer Messe, ein Lied, ein Chanson, ein Madrigal für eine Messenkomposition zu verwenden. Man hat also ein bereits existierendes Musikstück für die Kirchenmusik genommen. Auf dem Konzil von Trient hat der Herzog von Bayern einen Antrag gestellt, ob man nicht Zugeständnisse an die Gläubigen machen könnte, damit sie nicht zu den Protestanten überlaufen, z. B. im Hinblick auf die Fastengebote, das Fleisch essen am Freitag usw. Er wollte eine Lockerung erreichen. Da verwendet der Münchner Hofkapellmeister Orlando di Lasso, nachdem der Antrag abgelehnt wurde, in einer Messe ein französisches Chanson, „Je ne mange point de porc“, das zu deutsch heißt „Ich esse bestimmt kein Schweinefleisch“. Wenn einer das Lied gekannt hat, wird er sich seinen Teil gedacht haben.
Wenn wir es jetzt einmal zusammenfassen: Komponisten und Musiker sind durchaus Spaßvögel und mit Musik lässt sich gut scherzen.
Körndle: Ja, ganz bestimmt. Eben weil Musik diese Möglichkeiten unterschiedlicher Bedeutungsebenen nutzen kann. Und Musiker sind durchaus lustige Zeitgenossen. Ich kann mich erinnern, dass wir in früheren Jahren mit einem Ensemble in einem Kammerkonzert einen Satz aus einer Trio-Sonate rückwärts gespielt haben. Das war aber wirklich etwas für Insider, das Publikum war eher irritiert.