Heizen mit zwei Stäbchen
Vom 14. Stock unseres MedienHochhauses in Gangneung sieht es jeden Morgen richtig gut aus. Wir sehen die orangefarbene Sonne auf den Gegenhang Richtung Pyeongchang scheinen. Die Windräder oben am Grat des Gebirges wirken von hier aus monumental und ruhig. Dahinter spitzeln ein paar weiße Gipfel durch. Wäre man hier im Urlaub, man würde diesen Rosenmontag dazu nutzen, die Bretter ins Auto zu packen, sich noch schnell Sonnenbrille und Sonnencreme zu schnappen und in Vorfreude auf Pulverschnee und Apres-Bar die Autobahn ins Wintersport-Glück hinaufzurasen.
Doch hier ist’s irgendwie anders. Gerade noch sagt einer der beiden WG-Kollegen aus Stuttgart beim Blick aus dem Fenster: „Heut’ schaut’s abr deudlich bessr aus“, da klingeln schon im Dreiklang unsere Handys und belehren uns eines Besseren: Auch der Riesenslalom der Frauen wird verschoben – wegen zu starken Windes. Wir jubilieren innerlich, dass wir in Ruhe in der Tiefgarage frühstücken und uns mal um die Wäsche kümmern können. Sogar einen Mittagschlaf ziehen wir in Erwägung, weil uns das Frauen-Skispringen an der Alpensia-Schanze, wenn’s denn stattfindet, bis weit nach Mitternacht nicht nur den Schlaf, sondern auch die Körperwärme rauben wird. „Stellt’s Euch id so aaaaa“, mimt der Kollege den Büttenredner, „mir sind numol Windrschbordschornalischda“. Schnell kommt der Einwand: „Nehmt Euch nicht so wichtig. Wie mag es erst den Sportlern gehen?“Betretene Stille. Und doch ein Dementi: „Di wered abr nachts um zwoi au id vom volla Busfahrer, äh Bus, an dr Schdrooos schdande glassa.“So geht das noch ein „Viertlschdündle“, ehe wir zur nächsten Polar-Wanderung ins Pressezentrum aufbrechen. Es soll Kollegen geben, die suchen sich ihre Sportarten nicht nach Medaillenchancen, sondern der Anzahl der aufgestellten Heizstrahler aus. Diese Auswahl hat der Reporter aus dem Allgäu nicht. Er ist als Berichterstatter von Skisprung und Kombination gebunden – ans zugigste Loch der Spiele. Zwischen Schanzenanlage und LanglaufLoipen pfeift der Wind nicht, hier peitscht er. Und der dünne Holzboden des Pressezelts entfaltet eine Wirkung wie eine Sandale im Schnee. Doch seit gestern steuern wir dagegen – mit dem wertvollsten, das wir aus dem Allgäu mitgebracht haben: einem strombetriebenen Schuhtrockner namens Happy. Diese am Kabel hängenden Wärmespender klemmen wir zwischen kalten Plastikstuhl und Oberschenkel. Klar ernten wir dafür seltsame Blicke der asiatischen Kollegen am Nebentisch. Aber auch da können wir kontern: Mögt ihr euch über unsere Messer und Gabeltechnik beim Frühstück auch noch so wundern. Wir essen nicht mit Stäbchen, wir heizen damit...