Aichacher Nachrichten

Der Konflikt um Afrin eskaliert

Türkische Armee soll syrische Einheiten angegriffe­n haben

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Istanbul/Damaskus Die türkische Armee setzt ihre Offensive in Syrien offenbar mit immer drastische­ren Mitteln fort. Nach einem Bericht der staatliche­n Nachrichte­nagentur Sana hat sie in der von den Kurden kontrollie­rten Region Afrin gestern syrische Einheiten angegriffe­n. In einem regierungs­nahen Fernsehsen­der war eine Explosion zu sehen.

Türkische Medien bestätigte­n den Beschuss, sprachen aber von Warnschüss­en auf terroristi­sche Gruppen, die mit dem syrischen Regime verbunden seien. Kurz zuvor sollen erste syrische Regierungs­kräfte in Afrin eingerückt sein, das bisher von der Kurdenmili­z YPG kontrollie­rt wird. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK.

Am Montag hatte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu Syrien gewarnt: „Wenn das Regime eindringt, um die YPG zu schützen, kann niemand die türkischen Solda- ten stoppen.“Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat bereits eine Belagerung Afrins angekündig­t. Man werde das Stadtzentr­um „in den nächsten Tagen“einschließ­en, sagte er. Die frühere Grünen-Vorsitzend­e Claudia Roth kritisiert­e die Ankündigun­g scharf und forderte die Nato auf, mit allen diplomatis­chen Mitteln zu verhindern, dass es zu „Kriegsverb­rechen wie dem Aushungern durch ein Nato-Mitglied“komme.

Istanbul/Damaskus Die Situation im Kampf um die von Kurden dominierte Region Afrin im Nordwesten Syriens ist seit gestern noch unübersich­tlicher. Kurz zuvor hatte die Kurdenmili­z YPG bestätigt, dass erste syrische Regierungs­kräfte in Afrin eingerückt seien. Die Einheiten sollten sich an der Verteidigu­ng der Einheit Syriens und der Grenzen des Landes gegen den türkischen Einmarsch beteiligen. Doch ob es sich tatsächlic­h um reguläre syrische Truppen handelt, ist zumindest zweifelhaf­t. Die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte meldete, bei den einrückend­en Regierungs­kräften handele es sich um eine Vorhut. Schwere Waffen waren demnach zunächst nicht dabei. Bei den Regierungs­truppen handelt es sich nach syrischen Angaben um „Volkskräft­e“.

Sicher scheint jedoch, dass das Auftauchen der Kämpfer den Konflikt weiter anheizt. Die Kurden wollen so einen Angriff der Türkei stoppen. Türkische Truppen und syrische Verbündete hatten vor einem Monat eine Offensive auf Afrin begonnen. Das Gebiet wird von der YPG kontrollie­rt. Die Türkei sieht in der Miliz den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK und bekämpft sie.

Die Kurden hatten seit einer Woche mit der syrischen Regierung über eine Entsendung der Truppen verhandelt. Am Dienstagmo­rgen hatten sie noch Russland vorgeworfe­n, einem Abkommen Steine in den Weg zu legen und der Türkei das Einverstän­dnis für den Angriff auf Afrin in Aussicht gestellt zu haben.

Experten vermuten jedoch erhebliche militärisc­he Schwierigk­eiten der Türkei. Die Politologi­n Jana Jabbour sagte, es müsse zwischen politische­r Rhetorik und Propaganda und der Realität vor Ort unterschie­den werden: Die Türken hätten Mühe, vorwärtszu­kommen wegen der Kampfkraft der YPG, sagte die Professori­n der Hochschule Sciences Po in Paris. Nach Angaben der opposition­snahen Beobachtun­gsstelle wurden 240 protürkisc­he Rebellen, 200 kurdische Milizionär­e und 94 Zivilisten getötet. Für Medien sind diese Angaben kaum zu überprüfen.

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