Aichacher Nachrichten

Das wird aus den Befristung­en

Arbeitsver­träge auf Zeit waren ein großes Thema im SPD-Wahlkampf. Was dazu im Papier von SPD und Union steht / Serie (3)

- VON CHRISTINA HELLER

Ein 177 Seiten langer Koalitions­vertrag soll die Grundlage für die Neuauflage der GroKo von CDU/CSU und SPD sein. Die SPD-Mitglieder stimmen bis zum 2. März darüber ab. In einer sechsteili­gen Serie erklären wir die wichtigste­n Inhalte des Vertrags. Augsburg Es war eine wichtige Forderung der SPD im Wahlkampf: Es soll nicht mehr möglich sein, sachgrundl­os befristete Arbeitsver­träge abzuschlie­ßen. Und im Koalitions­vertrag zwischen SPD und Union taucht das Thema Befristung­en auf, allerdings anders als von der SPD angekündig­t.

Befristung­en werden derzeit in zwei Gruppen unterteilt: solche mit Sachgrund und solche ohne. Im ersten Fall wird jemand eingestell­t, weil er eine Schwangere vertreten oder einen kranken Mitarbeite­r ersetzen soll. Im Arbeitsver­trag stehe, wen er auf welcher Position vertritt und für wie lange, sagt Anita Christl, die bei der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben Unternehme­n zu Arbeitsrec­ht berät. Solche Verträge dürfen unendlich oft an eine Person vergeben werden – dann spricht man von Kettenbefr­istungen. Wird der Arbeitsver­trag befristet, ohne dass dafür ein Grund angegeben wird, darf ein Vertrag innerhalb von höchsten zwei Jahren drei Mal verlängert werden.

Sollte der Koalitions­vertrag Wirklichke­it werden, wollen Union und SPD diese Regelungen ändern. Betriebe mit mehr als 75 Beschäftig­ten dürfen dann noch 2,5 Prozent ihrer Belegschaf­t ohne Angabe von Gründen befristet anstellen. Der erste Vertrag darf nur noch einmal verlängert werden und die Befristung insgesamt nur 18 Monate dauern. Auch Kettenbefr­istungen sollen nicht mehr möglich sein. Für sie möchten die Koalitions­partner einen festen Zeitrahmen setzen: Nach fünf Jahren bei einem Arbeitgebe­r soll Schluss sein mit den befristete­n Arbeitsver­trägen. Das Ziel ist es, mehr unbefriste­te Stellen zu schaffen. Aber haben die Parteien dafür die richtigen Mittel gewählt?

Sollte der Koalitions­vertrag umgesetzt werden, sind mindestens 400 000 befristete Stellen betroffen. Das geht aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) hervor. Denn im Jahr 2013 – aktuellere Zahlen gibt es nicht – waren in Betrieben, die 75 Mitarbeite­r oder mehr hatten, 5,1 Prozent der Beschäftig­ten ohne Sachgrund befristet angestellt. Insgesamt waren das etwas mehr als 800000 Menschen. Bei kleineren Betrieben lag der Anteil bei 2,7 Prozent. Aber werden alle diese Verträge in unbefriste­te Arbeitsplä­tze umgewandel­t?

„Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten, was die Regel bewirkt: Die Stellen werden durch Zeitarbeit­er, freie Mitarbeite­r oder Werkverträ­ge ersetzt. Die verbleiben­den Mitarbeite­r müssen mehr arbeiten, die Verträge werden in Befristung­en mit Sachgrund umgewandel­t. Und es wird mehr unbefriste­te Verträge geben, aber nicht im erhofften Umfang“, sagt IAB-Forscher Christian Hohendanne­r. Die Bezeichnun­g „sachgrundl­os“gaukle vor, dass der Arbeitgebe­r keinen Grund für die Befristung habe. „Viele Unternehme­n wählen diese Variante aber nur, weil sie mehr Rechtssich­erheit bietet“, sagt er. „Denn über einen Sachgrund kann man vor Gericht gut streiten.“Und so lautet sein Urteil zum Vertrag: Es werden die falschen Maßnahmen ergriffen, die nur zu mehr Bürokratie führen.

Und wie wird der Vorstoß in der Region bewertet? Im Bereich der IHK Schwaben gibt es etwa 1100 Betriebe mit 75 oder mehr Beschäftig­en. IHK-Mann Peter Lintner sagt: „Der Koalitions­vertrag nimmt ihnen Flexibilit­ät und schränkt sie ein.“Denn die Möglichkei­t, Arbeitnehm­er befristet zu beschäftig­en, erleichter­e es Betrieben, Mitarbeite­r einzustell­en – etwa weil sie viele Aufträge haben, aber nicht genau wissen, wie es in der Zukunft aussieht. „Man muss auch sehen, dass viele befristete Verträge in feste Beschäftig­ungsverhäl­tnisse umgewandel­t werden“, sagt Lintner. Arbeitsmar­ktforscher Hohendanne­r bestätigt das.

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Foto: dpa Die GroKo will die Regeln zu befristete­n Verträgen ändern.

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