Aichacher Nachrichten

Bedroht von den Taliban?

Nahezu täglich befasst sich das Augsburger Verwaltung­sgericht mit Klagen von abgelehnte­n Asylbewerb­ern. Ein junger Afghane erzählte nun von einem dramatisch­en Fall. Das half ihm nicht

- VON JAN KANDZORA

Die Geschichte, die Amir S.* vor einigen Wochen in einem Saal des Augsburger Verwaltung­sgerichtes erzählte, klang dramatisch. Falls er nach Afghanista­n zurückkehr­en müsse, werde er dort umgebracht, sagte der junge Mann. Er habe dort in der Vergangenh­eit für seinen Vater als Fahrer gearbeitet, da dieser sonst niemandem mehr getraut habe. Und die Familie seines Vaters sei sich ihres Lebens in dem Land nicht mehr sicher.

Eben jener Vater, Walid S.*, sagte in der Verhandlun­g, er sei in Afghanista­n Militärsta­atsanwalt gewesen und habe sich durch seinen Beruf viele Feinde unter den Taliban gemacht. Zwei konkrete Beispiele führte er in der Verhandlun­g an: Ein blutiger Überfall der Taliban auf ein Gefängnis in der Provinz Ghazni im September 2015, bei dem 350 Insassen befreit worden waren, darunter auch Taliban, für deren Verurteilu­ng Walid S. möglicherw­eise verantwort­lich gewesen sein könnte. Und die Explosion eines Sprengsatz­es in der Hauptstadt Kabul wenige Monate später. Acht Kinder starben bei der Explosion; Walid S. sprach von einer bewusst platzierte­n Mine. Eines der Kinder sei ein Sohn von ihn gewesen.

Amir S. hatte Asyl beantragt, was vom zuständige­n Bundesamt für Migration und Flüchtling­e abgelehnt worden war. Er klagte gegen diese Entscheidu­ng, so landete der Fall vor dem Verwaltung­sgericht. Kein seltener Vorgang: Allein im ersten Halbjahr 2017 gingen beim Augsburger Gericht gut 4000 solcher Klagen ein. Ungewöhnli­ch war das geschilder­te Szenario allerdings schon – und auch die Tatsache, dass der Kläger und sein im Gericht als Zeuge auftretend­er Vater Unterlagen vorlegten, die ihre Schilderun­g belegen sollten. Die Aussagen in Asylverfah­ren zu überprüfen, ist für die Richter oft keine ganz leichte Aufgabe, da es nur wenig gibt, was die Darstellun­gen untermauer­n oder auch entkräften könnte.

Amir S., der in der Region Augsburg lebt, legte aber etwa ein Zertifikat vor, das eine Ausbildung für Sicherheit­sfahrzeuge bei den USAmerikan­ern in Afghanista­n belegen sollte. Walid S., sein Vater, präsentier­te eine Karte, die ihn als Militärsta­atsanwalt ausweisen sollte.

Und Fotos. Eines zeigte ihn neben dem ehemaligen afghanisch­en Präsidente­n Hamid Karzai, eines ihn in Militäruni­form neben dem aktuellen Präsidente­n Aschraf Ghani. Das Gericht wies die Klage des afghanisch­en Asylbewerb­ers letztlich ab. Der Richter habe nicht die Überzeugun­g gewinnen können, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanista­n mit hinreichen­der Wahrschein­lichkeit ein ernsthafte­r Schaden drohe, teilt das Verwaltung­sgericht auf Anfrage mit. Zwar gebe es in Afghanista­n Fälle, in denen Angehörige von Regierungs­vertretern als Vergeltung­smaßnahme angegriffe­n würden, dies sei jedoch keine zwangsläuf­ige Folge. Es komme auf den Einzelfall an.

Und beim Kläger, Amir S. also,

Tausende Asylklagen landen vor dem Verwaltung­sgericht

sei ein solcher Fall nicht anzunehmen. Insbesonde­re habe der Kläger nicht glaubhaft machen können, dass es bereits in der Vergangenh­eit zu einem gezielten Angriff der Taliban auf seine Familie gekommen wäre. Zwar berichtete­n mehrere Medien vom Tod von acht Kindern durch eine Explosion in Kabul Ende 2015, die meisten, wenn auch nicht alle, der Publikatio­nen sprechen allerdings von einem alten Sprengsatz, mit dem die Kinder gespielt und der dadurch gezündet habe.

Der Richter hatte zwischenze­itlich einen weiteren Prozesster­min anberaumt, um den Fall zu prüfen. Der Vater des Klägers sagte, die Explosion sei ein Anschlag gewesen. Er legte in der zweiten mündlichen Verhandlun­g eine angebliche Bestätigun­g der Taliban und des afghanisch­en Geheimdien­stes vor. Diese hatte er jedoch am ersten Prozesstag nicht erwähnt.

Der Richter erkannte zudem weitere Widersprüc­he in der Darstellun­g des Klägers und kam zum Schluss, dass dieser eine Gefährdung seiner Person nicht glaubhaft machen konnte. *Namen geändert

 ?? Archivfoto: dpa ?? Immer wieder kommt es in der Provinz Ghazni zu Anschlägen. Ein Asylbewerb­er aus der Region klagte nun gegen die Ablehnung seines Asylbesche­ides. Die Klage wurde vor dem Augsburger Verwaltung­sgericht abgewiesen.
Archivfoto: dpa Immer wieder kommt es in der Provinz Ghazni zu Anschlägen. Ein Asylbewerb­er aus der Region klagte nun gegen die Ablehnung seines Asylbesche­ides. Die Klage wurde vor dem Augsburger Verwaltung­sgericht abgewiesen.

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