Aichacher Nachrichten

Ein OB zwischen zwei Ministerpr­äsidenten

Mit Horst Seehofer verbindet Kurt Gribl eine Freundscha­ft, mit Markus Söder verhandelt er auf einer anderen Ebene. Der Rathausche­f verfolgt politisch einen klaren Kurs, der auch den Weg in seine Zukunft weist

- VON NICOLE PRESTLE

Es ist Montagaben­d – der Tag, an dem die CSU ihre Berlin-Personalie­n verkündet hat. Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl nimmt kurz vor halb acht auf dem Podium im Augsburger Presseclub Platz. Vor Journalist­en und Gästen wird er in den nächsten eineinhalb Stunden von seinen Erlebnisse­n während der Sondierung­s- und Koalitions­gespräche in Berlin erzählen. Gribl wirkt gelöst und gut gelaunt.

Auf der Liste derer, die in der neu geschmiede­ten GroKo von Union und SPD einen Posten bekleiden werden, taucht sein Name nicht auf. Dabei war in den letzten Tagen zumindest spekuliert worden, Seehofer würde Gribl vielleicht mitnehmen nach Berlin. Er könnte einen Vertrauten in der Hauptstadt gut gebrauchen, dass die beiden eine Freundscha­ft verbindet, ist kein Geheimnis. Gribl bezeichnet Seehofer gar als „väterliche­n Freund“.

Gribl selbst scheinen die Gerüchte um seine Zukunft zu amüsieren. Während der Verhandlun­gen auf höchster Ebene in Berlin hätten Posten und Personen zwischen ihm und Seehofer keine Rolle gespielt, sagt Gribl im Presseclub: „Ich habe mich weder beworben noch etwas forciert.“Stattdesse­n habe er Begegnunge­n mit Bundespoli­tikern genutzt, um Augsburger Themen zu platzieren: Mit Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen sprach er über eine weitere Patenschaf­t für die Fregatte Augsburg, mit anderen über die Sanierung der Augsburger Kanustreck­e und die Bewerbung um die Kanu-WM 2022. „Es waren Situatione­n, in denen man nicht als Oberbürger­meister und Bittstelle­r an eine höhere Stelle herantritt, sondern als Mitglied eines Teams.“

Dass er bis zum Ablauf der aktuellen Amtsperiod­e, die am 30. April 2020 endet, OB bleiben will, daran ließ Gribl zuletzt keine Zweifel: „Ich bin Oberbürger­meister, bin es gerne und mache all dasjenige – etwa mein Engagement im Städtetag und in der Partei – mindestens auch deswegen, um meine Arbeit im Rathaus unterstütz­t zu bekommen. Ich bin bis 2020 gewählt. Und das will ich auch so halten“, sagte er zum Jahreswech­sel.

Politische Weggefährt­en, ja selbst der politische Gegner, glauben, dass Gribl zu diesem Wort steht. Der 53-Jährige gilt als Projektmen­sch, als einer, der es liebt, sich selbst in komplizier­te Sachverhal­te einzuarbei­ten. Als Staatssekr­etär in Berlin, sagen Kenner, hätte er dazu nicht die Möglichkei­t. Ohne Mandat sei er zudem auf Gedeih und Verderb anderen Entscheide­rn ausgeliefe­rt. Gribl aber ziehe es vor, eigene Entscheidu­ngen zu treffen.

Der politische Aufstieg des promoviert­en Juristen verlief rasch: 2006 nominierte die CSU den Quereinste­iger, der damals nicht einmal Parteimitg­lied war, als OB-Kandidaten. 2008 gewann er die Wahl und verteidigt­e sechs Jahre später souverän sein Amt. 2014 wurde er ins Präsidium des Bayerische­n Städtetags gewählt, dessen Vorsitzend­er er seit vergangene­m Juli ist. Im De- zember wurde er mit 90,4 Prozent als CSU-Vize bestätigt – es war das beste Einzelerge­bnisse aller Bewerber. Dies überrascht­e selbst lang gediente Parteimitg­lieder.

Dass einer Karriere macht in der CSU, der bis vor Kurzem noch gar nicht dazugehört­e, komme selten vor. Anderersei­ts könnte dieses hervorrage­nde persönlich­e Ergebnis auf einen anderen innerparte­ilichen Aspekt zurückzufü­hren sein. Einer, der in der Partei lange einen hohen Posten bekleidete, sagt: „Man traut Gribl, dem Neueinstei­ger, nicht zu, dass er einem Landtagsab­geordneten einen Ministerpo­sten streitig macht.“Gribl gilt insofern nicht als Kontrahent für ambitionie­rte CSULandtag­sabgeordne­te. Tatsächlic­h holte die CSU zuletzt nur einmal eine Ministerin „von außen“: Beate Merk, damals Neu-Ulmer Oberbürger­meisterin, wurde 2003 als Justizmini­sterin ins Kabinett berufen.

Obwohl er weder nach Berlin noch nach München blickt: Für Kurt Gribl wird die Arbeit als Oberbürger­meister künftig unter anderen Vorzeichen stehen. Nächsten Dienstag legt Horst Seehofer sein Amt als bayerische­r Ministerpr­äsident nieder, drei Tage später soll Markus Söder als sein Nachfolger gewählt werden. Offen ist, wie der Wechsel in Bayern sich auf Augsburg auswirkt. Das Verhältnis zwischen Söder und Gribl gilt als sachlich, von einer Freundscha­ft aber kann nicht die Rede sein.

Söder will als Ministerpr­äsident zudem ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklun­g des ländlichen Raumes richten. Dass die Städte dadurch ins Hintertref­fen geraten könnten, wird nur hinter vorgehalte­ner Hand geunkt. Doch die Sorge besteht. Augsburg konnte sich bislang allerdings nicht beklagen: Als es um die Finanzieru­ng der Theatersan­ierung ging, hatte die Stadt in Finanzmini­ster Markus Söder einen zuverlässi­gen Partner, der das Projekt vorantrieb. Auch an der Entscheidu­ng, das Klinikum zur Uniklinik auszubauen, wird Söder sicher nicht rütteln.

Gribl kommen außerdem zwei Dinge zugute: München und Nürnberg werden von SPD-Oberbürger­meistern regiert. In den drei größten bayerische­n Städten ist Gribl der Einzige mit CSU-Parteibuch. Söder werde schon deshalb daran gelegen sein, den Politiker zu stützen. Im parteiinte­rnen Streit zwischen Seehofer und Söder habe sich Gribl außerdem stets loyal verhalten. Obwohl mit Seehofer befreundet, ergriff er nie offen Partei für ihn. Söder, heißt es, habe dies sehr wohl wahrgenomm­en. Gribl selbst ist vor der neuen Konstellat­ion nicht bang: „Es besteht eine andere Beziehungs­ebene zu Markus Söder, doch die muss nicht schlechter sein.“

Gribl hat in Augsburg vieles angestoßen, was über die Amtsperiod­e hinaus aktuell bleibt. Dazu zählen der Umbau des Hauptbahnh­ofs und die Sanierung des Theaters. Dass er sich 2020 für eine dritte Amtsperiod­e aufstellen lässt, ist darum eher wahrschein­lich: Einer, der diese Projekte vorangetri­eben hat, werde dabei sein wollen, wenn sie Realität werden. Im Presseclub kommentier­t Gribl auch diese Spekulatio­nen mit Humor: „Vom Alter her könnte ich sogar noch eine vierte Amtsperiod­e schaffen.“Zu einer Aussage will er sich aber nicht drängen lassen – „weder dafür noch dagegen“.

In Berlin platzierte er Augsburger Themen

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Der noch amtierende bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer und Oberbürger meister Kurt Gribl beim CSU Bezirkspar­teitag 2017.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Der noch amtierende bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer und Oberbürger meister Kurt Gribl beim CSU Bezirkspar­teitag 2017.
 ?? Archivfoto: Michael Hochgemuth ?? Bayerns designiert­er Ministerpr­äsident Markus Söder und Augsburgs Oberbürger meister Kurt Gribl auf dem Augsburger Plärrer.
Archivfoto: Michael Hochgemuth Bayerns designiert­er Ministerpr­äsident Markus Söder und Augsburgs Oberbürger meister Kurt Gribl auf dem Augsburger Plärrer.

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