Aichacher Nachrichten

Wenn Fiktion Wirklichke­it wird

Schriftste­llerin Margit Ruile greift bei ihrer Lesung aus ihrem Krimi „Dark Noise“ein modernes Thema auf und stellt dabei Schülern des Aichacher Deutschher­ren-Gymnasiums eine Gewissensf­rage. Das Ergebnis erstaunt

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Aichach Ein Retuscheur bekommt über eine anonyme Mail den Auftrag, in kurzer Zeit das Video aus einer Überwachun­gskamera zu manipulier­en. Er nimmt die Herausford­erung an, ohne groß über den Inhalt nachzudenk­en. Kurz darauf lernt er eine Hackerin der Gruppe „Dark Noise“kennen und stellt außerdem fest, dass er mit dem Video geholfen hat, einen Mord zu vertuschen.

Die Schriftste­llerin Margit Ruile, deren Familie aus Klingen (Aichach) und Sielenbach stammt, liest am Aichacher Deutschher­ren-Gymnasium auf Einladung von Fachbetreu­er Michael Lang vor den achten und neunten Klassen in zwei Lesungen aus ihrem Krimi „Dark Noise“. Als ehemalige Regie-Assistenti­n und Filmhochsc­hul-Dozentin kennt sie sich mit Filmen und deren Gestaltung­smöglichke­iten aus.

Inzwischen ist sie allerdings vom Film zum Bücherschr­eiben gewechselt, weil das der Fantasie noch mehr Möglichkei­ten bietet, wie sie findet. So kann sie die Szenen im Kopf ihrer Leser und Zuhörer entstehen lassen, anstatt dass diese im Film in konkrete Bilder umgesetzt und mühsam gedreht werden müssen.

In ihren beiden Lesungen fragt Ruile die Zuhörer unschuldig: „Hättet ihr den Auftrag angenommen?“Die Bereitscha­ft dazu hängt offenbar von Kleinigkei­ten ab, denn die Ergebnisse unterschei­den sich deutlich: Während sich in der ersten Lesung immerhin etwa 50 der 100 Zuhörer vom angebotene­n Honorar hätten locken lassen und auch Ideen zur Umsetzung hätten, wären in der zweiten Lesung bei gleicher Fragestell­ung nur sechs von nochmals 100 Schülern dazu bereit gewesen.

Dazu passt indes, dass sich die Hauptperso­n Zafer ohnehin in der virtuellen Welt seiner Filme und Retuschen weit wohler fühlt als in der realen, wo er ohne Jacke nass wird und mangels Bargeld nichts zu essen kaufen kann. Dazu passt auch die ruhige, warme Stille der Autorin, die ebenso gut Märchen erzählen könnte. Die Fragen der Schüler gehen in verschiede­ne Richtungen: So wird nach Ruiles Informatio­nsquellen ebenso gefragt wie nach den Anfängen ihres Schreibens.

Auf inständige­s Bitten liest Ruile daraufhin „zum ersten Mal“vor Publikum aus ihrem Erstlingsw­erk, das sie als Elfjährige von Hand für ihre Klassenkam­eradinnen aufschrieb und das an gängige Internatsg­eschichten früherer Schülerge- nerationen erinnert. Für das damalige Alter der Autorin zeugt allerdings bereits dieser erste literarisc­he Gehversuch von beachtlich­em Talent.

Auf die Frage nach ihrem Umsatzante­il an jedem verkauften Buch fragt Ruile indes zuerst einmal zurück und lässt die Zuhörer schätzen: Während einige Schüler mit 50 Cent bis 1,50 Euro sehr nahe an der Realität von einem Euro pro Buch liegen, sind andere Schätzunge­n von bis zu zehn Euro doch mehr ein Wunschtrau­m jedes Autors, zumal die bisher 8000 verkauften Exemplare das Ergebnis eines ganzen Jahres Arbeit sind.

In „Dark Noise“wechselt Zafer die Seiten und unterstütz­t den Kampf der Hacker gegen das Unternehme­n, das nicht nur überall Überwachun­gskameras aufhängt, sondern anderersei­ts gegen hohe Beträge auch deren Ergebnis wunschgemä­ß manipulier­t. Während aber Überwachun­gskameras mit automatisc­her Personener­kennung bei der Entstehung des Buches vor gut einem Jahr in Deutschlan­d noch Zukunftsmu­sik waren, kann Margit Ruile den Zuhörern nunmehr bereits berichten, wie der erste Versuch damit an einem großen Berliner S-Bahnhof Realität geworden ist.

Margit Ruile „Dark Noise“, Loewe Verlag, 288 Seiten, 14,95 Euro. Das neueste Werk „God’s Kitchen“der Schrift stellerin kommt am Montag in den Buchhandel.

(AN)

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Foto: Herbert Künz Margit Ruile bei der Lesung im Aichacher Gymnasium: Den Begriff „Fake News“haben fast alle Schüler schon einmal gehört, das Erscheinen von „God’s Kitchen“vor ihr auf dem Tisch dagegen steht noch bevor.

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