So wirkt sich die umstrittene Tarifreform aus
Zum Januar haben die Stadtwerke ihre Preise geändert. Bei vielen Kunden führte dies zu massiven Protesten. Die Nachfrage nach Einzelfahrscheinen ist seitdem gesunken. Bei den Abos schaut es anders aus
Zwei Monate nach der Umsetzung der umstrittenen Tarifreform im Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV) ziehen die Stadtwerke eine erste Bilanz: Das Ziel, mehr Fahrgäste zu gewinnen, dürfte demnach erreicht werden. Im Januar und Februar stieg die Zahl der Passagiere um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zum Stichtag am 1. März stieg die Zahl der Abo-Nutzer im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent. Zwar wurden rund acht Prozent weniger Einzelfahrscheine verkauft, dafür stieg die Zahl der Streifenkarten-Käufe.
Die Tarifreform hatte wie berichtet eine Verschiebung im Tarifgefüge gebracht. Für einen Teil der Gelegenheitsfahrgäste gab es durch die Zonenzusammenlegung im Innenraum eine Fahrpreisverdoppelung, was bei den Betroffenen für Unmut sorgte. Bei den Abos wurden die Preise nur moderat angehoben. Das 9-Uhr-Abo für 30 Euro ist rund zehn Euro billiger geworden.
Inwieweit Gelegenheitsfahrer zu Abonnenten wurden oder – wie von Betroffenen angedroht – aufs Auto umgestiegen sind, lässt sich aus den aktuellen StadtwerkeZahlen noch nicht ablesen. „Wer aus welcher Fahrgastgruppe wo hingewandert ist, muss noch analysiert werden. Für gesicherte Erkenntnisse muss zudem einige Monate abgewartet werden, bis sich das neue System eingependelt hat“, so Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg. Einige Details sind schon jetzt bekannt: ● Einzelfahrscheine und Streifenkar te Im Bereich der Einzelfahrscheine wurden acht Prozent weniger verkauft. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die bisherige Zone 1 (eine im Radius bis zu drei Kilometer große Zone rund um die Innenstadt) für Bartarife abgeschafft wurde. Fahrgäste zahlen für Fahrten in Augsburg jetzt obligatorisch die Preisstufe 2. Ausnahme: die neue Kurzstrecke, mit der man von der Einstiegshaltestelle aus vier Haltestellen weit kommt. Auf den meisten Linienästen (Ausnahme: Göggingen) ist man damit aber schlechter bedient als bisher, wenn man zum Königsplatz will. Allerdings scheint das bei weitem nicht alle Ge-
Viele Senioren wechselten wohl zu anderen Abos
abzuhalten. Gestiegen ist nämlich der Verkauf von Streifenkarten um etwa fünf Prozent.
● Abos Bei den Abos ging die Zahl zum Stichtag 1. März gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent auf jetzt 41100 nach oben. Das Mobil-Abo legte demnach um 20 Prozent auf jetzt 7800 zu, das neue 9-Uhr-Abo um fast 23 Prozent auf 11 500. Auch die Zahl der Schüler-Abos stieg um etwa 20 Prozent (jetzt rund 10700). Dies dürfte daran liegen, dass es seit 1. Januar einen Zuschuss von der Stadt für diejenigen Schüler gibt, bei denen der Freistaat nicht die Kosten erstattet. Dies hängt von der Entfernung zwischen Wohnort und Schule ab. Die Zahl der Kündigungen hielt sich mit 500 im langjährigen Schnitt oder sogar leicht darunter, heißt es von den Stadtwerken.
Allerdings handelt es sich nicht bei allen Neu-Abonnenten um NeuFahrgäste. Denn das frühere Seniomanchen ren-Abo ging zum Jahreswechsel im neuen 9-Uhr-Abo auf. Ein Teil der neuen Abonnenten dürften darum Senioren sein, die schon bisher Bus und Tram fuhren. Zum Vergleich: Im März 2017 gab es knapp 8100 Senioren-Abos.
Hinzu kommt, dass die Wochenkarte gestrichen wurde. Laut Stadtwerken wurden früher 4500 Stück pro Monat verkauft – zu welchen Tickets diese Fahrgäste wechselten, ist noch unklar. Bei den Monatskarten gab es zwischen Februar 2017 und 2018 trotz eine Verteuerung eine Steigerung von 6200 auf 7200 – möglicherweise sind hier frühere Wochenkarten-Kunden ausgewichen.
Momentan, so die Verkehrsbetriebe, liege man beim Abo-Zuwachs über dem, was der Gutachter vorhersagte, der die Stadtwerke bei der Tarifreform beriet. Bei der voraussichtlichen Zunahme der Fahrgastzahlen in diesem Jahr (zuletzt beförderten die Stadtwerke mehr als 60 Millionen Fahrgäste im Jahr) muss man aber beachten, dass es in Augsburg – wie im bundesweiten Trend auch – bereits in den verganlegenheitsfahrer genen Jahren stetige Fahrgastzuwächse gab.
Bei den Stadtwerken wurden zuletzt etwa 80 Prozent aller Fahrten über Abos abgewickelt. Dies sei im Vergleich zu anderen Städten niedrig, obwohl es in Augsburg ein obligatorisches Semesterticket für Studenten gibt, so die Verkehrbetriebe. In anderen Städten erreiche man 90 Prozent und mehr. Darum wolle man auch mehr Abonnenten unter den Fahrgästen.
Bis Mai sollen die Stadtwerke ermitteln, an welchen Stellen der Tarifreform es noch Möglichkeiten zur Änderung gibt, um auf die Proteste zu reagieren. Das ist der Auftrag aus dem Stadtrat. Zu prüfende Möglichkeiten wären eine Verlängerung des Kurzstreckentickets oder eine Vorverlegung der 9-Uhr-Grenze beim Abo – samt einer Kalkulation, mit welchen zusätzlichen Kosten das verbunden wäre. Der Nahverkehr in Augsburg erwirtschaftet pro Jahr ohnehin ein Defizit von rund 40 Millionen Euro – etwaige Mehrkosten durch Änderungen müssten wohl die Stadt und somit alle Steuerzahler tragen.