Aichacher Nachrichten

Der Konflikt mit Russland verschärft sich

Moskau bezeichnet britische Vorwürfe als Zirkus. CSU-Politiker Weber fordert europäisch­e Soldaten zum Schutz vor Propaganda-Attacken

- VON MICHAEL STIFTER, MICHAEL POHL UND KATRIN PRIBYL

Augsburg Aus dem Mordanschl­ag auf einen russischen Ex-Spion in Großbritan­nien ist eine schwere politische Krise geworden. Die britische Premiermin­isterin Theresa May vermutet Russland hinter der Giftattack­e auf den Agenten und dessen Tochter. Sie forderte den Kreml auf, sich binnen 24 Stunden zu erklären, und drohte mit Konsequenz­en. Die Reaktion aus Moskau folgte prompt – und in aller Schärfe. Außenminis­ter Sergej Lawrow nannte die Vorwürfe „lächerlich“und beteuerte: „Wir haben damit nichts zu tun.“Der Kreml hält den Fall für eine „Zirkusnumm­er“und kündigte an, dass „jegliche Drohungen, Russland mit Strafmaßna­hmen zu belegen, nicht unbeantwor­tet bleiben werden“.

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel forderte Russland gestern auf, „rasche Antworten auf die berechtigt­en Fragen der britischen Regierung zu geben“. Der Außenpolit­ik-Experte Tyson Barker vom Aspen Institute in Berlin hat derweil keine Zweifel, wer hinter dem Mordversuc­h steckt: „Die Indizien, die für eine Täterschaf­t Russlands sprechen, sind erdrückend“, sagte der US-Politologe. Für ihn ist klar: „Das ist ein Abschrecku­ngssignal an russische Auswandere­r, Ex-Spione und vor allem Oligarchen, für die Großbritan­nien mehr als viele andere Länder eine Art sichere Zufluchtso­ase war.“Die Botschaft laute: „Ihr könnt Russland den Rücken kehren, aber ihr werdet Russland nie los.“

Die Affäre um den Ex-Agenten, der immer noch um sein Leben kämpft, ist nicht der einzige Fall, in dem Russland eine undurchsic­htige Rolle spielt. CSU-Vize Manfred Weber sagte unserer Zeitung, es gebe „belastbare Hinweise, dass russische Kräfte auch in Katalonien mit Fake News gearbeitet haben“. Ähnlich sei es im Baltikum, auf dem Balkan oder bei der Brexit-Kampagne gelaufen. „Sollte sich bewahrheit­en, dass dieser Mordanschl­ag tatsächlic­h aus Russland kommt, wäre dies eine enorme neue Belastung des Verhältnis­ses“, sagte Weber und warnte vor Kreml-Chef Wladimir Putin. „Er will die Europäisch­e Union beschädige­n und destabilis­ieren. Wir Europäer dürfen nicht so naiv sein und glauben, dass uns die russischen Aktivitäte­n nichts angehen.“Als Chef der größten Fraktion im EU-Parlament kämpft Weber für eine entschiede­ne Reaktion auf die russischen Provokatio­nen: „Wir müssen in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine gemeinsame

„Das ist ein Abschrecku­ngs signal an russische Auswandere­r, Ex Spione und vor allem Oligarchen.“Der Politologe Tyson Barker über den

Giftanschl­ag auf den Ex Agenten

europäisch­e Verteidigu­ng aufbauen, die uns nicht nur vor militärisc­hen Angriffen, sondern auch vor Cyberattac­ken schützt.“

Der Politologe Barker sieht das ähnlich: „Alles spricht dafür, dass Putin mit seiner aggressive­n Politik weitermach­t und immer weiter gehen wird, solange man ihm keine Konsequenz­en und Grenzen entgegense­tzt.“Dies gelte insbesonde­re für die Amerikaner. Von den bewilligte­n 120 Millionen Dollar für ein Abwehrzent­rum gegen Fake News aus Russland habe die US-Regierung bisher keinen Cent ausgegeben. „Trumps Politik ist weiterhin von Respekt gegenüber Putin geprägt“, sagt Barker. „Und in Europa gibt es sogar noch weniger Gegenmaßna­hmen.“

Was hinter der russischen Einmischun­g steckt, erklärt Michael Pohl im Kommentar. In der Politik schreibt Denis Dworatsche­k über mysteriöse Giftattack­en.

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