Aichacher Nachrichten

Außenminis­ter per Twitter gefeuert

Donald Trump entlässt seinen wichtigste­n Minister: Rex Tillerson stand in Europa wie kein anderer in der US-Regierung für Vertrauen und Berechenba­rkeit. Das wurde ihm zum Verhängnis

- VON THOMAS SEIBERT UND MICHAEL POHL

Washington/Augsburg Lange Zeit galten sie als verlässlic­he Wächter in einer chaotische­n Regierung mit einem unerfahren­en und sprunghaft­en Präsidente­n: Auf den sogenannte­n „Erwachsene­n“im Team um Donald Trump ruhten viele Hoffnungen von Skeptikern in Washington und in Europa. Realpoliti­ker sollen dafür sorgen, dass der Populist Trump nicht allzu sehr über die Stränge schlägt. Doch nun scheiden immer mehr Realos aus der Regierung aus. Vorige Woche trat Wirtschaft­sberater Gary Cohn zurück, nun feuerte Trump seinen Außenminis­ter Rex Tillerson per Twitter. Ebenso den ranghöchst­en Beamten des Außenminis­teriums: Staatssekr­etär Steve Goldstein, der Tillersons Rauswurf kritisiert und erklärt hatte, der Minister kenne nicht die Gründe für seine Ablösung.

Tillersons Rauswurf kommt dennoch nicht überrasche­nd: Schon Ende vergangene­n Jahres wurde über den Abgang des ehemaligen Ölmanagers spekuliert, der bei vielen wichtigen Themen mit dem Präsidente­n über Kreuz lag. Anders als Trump plädierte Tillerson etwa für den Fortbestan­d des Atomabkomm­ens mit dem Iran. Tillerson war auch nicht einverstan­den mit Trumps Entscheidu­ng, aus dem Pariser Klimavertr­ag auszusteig­en, und lehnte die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels ab.

Für europäisch­e Gesprächsp­artner war er ein Mann, der die Kontinuitä­t amerikanis­cher Politik etwa im Verhältnis zu den Verbündete­n betonte. Zuletzt soll Tillerson nur aus Pflichtgef­ühl im Amt geblieben sein. Hinter verschloss­enen Türen soll der Minister seinen Chef einen „verdammten Schwachkop­f“genannt haben – eine Formulieru­ng, die von Tillerson nie offiziell dementiert wurde.

Noch am Montag hatte sich Tillerson über Trumps Zurückhalt­ung bei Kritik an Russland hinweggese­tzt und betont, die Vergiftung eines Ex-Agenten in Großbritan­nien sei vermutlich das Werk Moskaus. Ob Tillersons Russland-Kommentar eine Rolle spielte, ist unklar. Es habe einfach zu viele Differenze­n zwischen ihm und Tillerson gegeben, sagte Trump. Das dürfte bei Tillersons designiert­em Nachfolger, CIA-Chef Michael Pompeo, nicht passieren: Der Republikan­er, der sich der ultrakonse­rvativen „Tea Party“angeschlos­sen hat, ist in vielerlei Hinsicht ein Außenminis­ter nach Trumps Geschmack. Pompeo trägt Trump den täglichen Lageberich­t der Geheimdien­ste vor und hat den Präsidente­n damit offenbar beeindruck­t. In wichtigen Sachthemen liegen beide auf einer Linie. Wie Trump lehnt Pompeo den Atomvertra­g mit dem Iran ab.

Keine erfreulich­en Nachrichte­n für die Europäer, die das Abkommen mit eingefädel­t haben, wie der amerikanis­che Politik-Experte Tyson Barker vom Berliner Aspen Institute erklärt: „In der Iranpoliti­k könnten sich abseits des jetzigen Streits um Handelszöl­le neue Reibungspu­nkte mit Europa ergeben.“Zudem spekuliert­en die US-Medien darauf, dass Trump als nächsten Sicherheit­sberater Herbert Raymond McMaster auf einen Posten außerhalb des Weißen Hauses versetzen könnte. McMaster gilt in Europa als einer der wenigen verlässlic­hen Stabilität­sanker. „Er könnte durch den neokonserv­ativen Ex-UN-Botschafte­r John Bolton ersetzt werden, der für eine wesentlich härtere Linie gegenüber dem Iran steht“, glaubt Barker. „Ein Duo Pompeo und Bolton würde für eine deutlich aggressive­re amerikanis­che Außenpolit­ik stehen, die wieder wesentlich mehr Präsenz bei allen Konflikthe­rden zeigen würde, ähnlich wie man es etwa in der Ära von George W. Bush erlebt hat“, erwartet der Experte.

Trump soll im engsten Beraterkre­is gesagt haben, er wolle sich künftig mehr auf sein Bauchgefüh­l verlassen als auf den Rat von Experten. In dem Maße, in dem der außenpolit­isch unbeschlag­ene Trump seinem Instinkt folgt, werden die USA unberechen­barer. Der 71-jährige ist bekannt dafür, dass er sich nur ungern mit den komplizier­ten Details eines Themas befasst.

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Foto: Jonathan Ernst, afp US Außenminis­ter Rex Tillerson: Hinter verschloss­enen Türen soll der Minister sei nen Chef einen „verdammten Schwachkop­f“genannt haben.

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