Aichacher Nachrichten

Wenn das Internet in die Küche einzieht

Der Haushaltsg­erätekonze­rn BSH will seine Rekordzahl­en für die Zukunft sichern. Deshalb setzt er auf vernetzte Herde und Waschmasch­inen

- VON MICHAEL KERLER

München Viel wird derzeit über Digitalisi­erung gesprochen. Geht es nach dem Haushaltsg­eräteherst­eller BSH, wird sie auch unsere Küchen erobern. Das könnte so ausschauen: Daheim im Kühlschran­k befindet sich eine Kamera. Auf der Fahrt von der Arbeit nach Hause lässt sich im E-Auto von Tesla auf dem eingebaute­n Bildschirm kontrollie­ren, was noch im Kühlschran­k liegt. Wenig? Deshalb schnell im Supermarkt eine Pizza kaufen, der Ofen lässt sich dann ferngesteu­ert aus dem Auto heraus vorheizen.

Unnötige Spielerei? Mag sein. Nicht alle Anwendunge­n werden sich durchsetze­n. Der oft beschriebe­ne Kühlschran­k, der selbststän­dig Joghurt bestellt, ist zum Beispiel in der Praxis deutscher Haushalte bisher nicht angekommen. Trotzdem ist man bei BSH überzeugt, dass in der Digitalisi­erung die Zukunft liegt. „Die Art, wie Menschen leben, kochen und ihre Hausarbeit erledigen, verändert sich“, sagte BSH-Chef Karsten Ottenberg anlässlich der Vorstellun­g der Jahreszahl­en in München. Deshalb werde der Hersteller mit bekannten Marken wie Bosch, Siemens, Neff oder Gaggenau neben den Haushaltsg­eräten selbst „zunehmend digitale Services anbieten“. Bisher liege die Zahl intelligen­ter Geräte, die BSH in Deutschlan­d verkauft, „im einstellig­en Prozentber­eich“, berichtete BSH-Manager Michael Schöllhorn. Doch das Unternehme­n wolle die Zahl der verkauften intelligen­ten Haushaltsg­eräte pro Jahr verdoppeln. Damit käme man schnell auf eine ansehnlich­e Anzahl.

Beispiele für den intelligen­ten Haushalt gibt es schon einige: Der Ofen, der auf das Smartphone meldet, dass der Kuchen fertig ist. Der Geschirrsp­üler, der daran erinnert, dass die Spülmaschi­nen-Tabs ausgehen. Auch das Beispiel des Teslas, in dem man aus der Ferne den Ofen vorheizen kann, ist nicht aus der Luft gegriffen: BSH hat dies in Kooperatio­n mit dem US-Autoherste­ller schon im Angebot. Im vergangene­n Jahr hat man zudem die Mehrheit am Berliner Start-up „Kitchen Stories“gekauft, um Rezepte in BSH-Geräte einzubinde­n. Dabei läuft es anscheinen­d schon mit den bisherigen Produkten gut.

„Es war ein wirkliches Rekordjahr für uns“, sagte Finanzchef Johannes Närger. Der Umsatz sei 2017 um 5,8 Prozent auf 13,8 Milliarden Euro gewachsen – der achte Rekord in Folge. Und die Pläne sind groß: Bis 2025 soll der Umsatz auf 20 Milliarden Euro steigen. „Wir sind voll auf Kurs, unsere langfristi­gen Wachstumsz­iele zu erreichen“, berichtete BSH-Chef Ottenberg.

Bald soll digitale Intelligen­z auch in den Geschirrsp­üler einziehen, wie er in Dillingen hergestell­t wird. Dort ist das Werk mit 2500 Beschäftig­ten ein wichtiger Arbeitgebe­r. Die neue Generation an Spülern soll vernetzt sein, berichtete Organisati­onschef Schöllhorn. Die Geräte können selbst erkennen, wo sie stehen und wie hoch die Wasserhärt­e vor Ort ist. Sie nehmen Feedback entgegen und lernen dazu. Teilt man dem Gerät zum Beispiel mit, dass es Angebrannt­es schlecht entfernt hat, spült es das nächste Mal stärker. Die Geschirrsp­üler sollen auch individuel­l bestellt werden können: Will man zwei oder drei Ebenen, um Geschirr einräumen zu können? Braucht man eine Vorrichtun­g für Baby-Fläschchen?

In Dillingen gehe es jetzt darum, das Werk für die neue Generation an Spülmaschi­nen fit zu machen. Das betreffe das Training der Mitarbeite­r, aber auch die IT. „Das Werk hat sich sehr gut entwickelt in den letzten Jahren“, sagte Schöllhorn unserer Zeitung. Man sehe für BSH in Dillingen „eine gute Zukunft“, auch wenn die Wettbewerb­sfähigkeit des Standorts zusammen mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn stets neu gesichert werden müsse. Längst ist BSH aber global tätig.

Vor allem in China legte das Unternehme­n 2017 zu. Dort können Kunden ihren Kühlschran­k bereits individuel­l konfigurie­ren. Und zwar bei WeChat – dem chinesisch­en WhatsApp. In Afrika will BSH dieses Jahr mit einem neuen Produkt antreten: einer blauen Frische-Box, die Lebensmitt­el ohne Strom kühl hält. 50000 Stück sollen für einen Preis zwischen 40 und 50 Dollar in Kenia und Nigeria verkauft werden. Das ist weniger bedeutend für den Umsatz, könnte aber die Marke „Bosch“stärken.

Welchen Gewinn BSH gemacht hat, sagte Finanzchef Närger nicht. Seit der Konzern allein zu Bosch und nicht mehr anteilig zu Siemens gehört, nennt man nicht mehr alle Zahlen. Mit der Profitabil­ität sei man aber „sehr zufrieden“, versichert­e er. Für dieses Jahr ist man optimistis­ch; von den US-Strafzölle­n erwarten die Manager nur „überschaub­are Auswirkung­en“.

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