Aichacher Nachrichten

Horst Seehofers letzter Arbeitstag

Herzschmer­z stand gestern nicht auf der Tagesordnu­ng. Trotzdem trugen sich ungewöhnli­che Dinge zu, die dem scheidende­n Regierungs­chef „unter die Haut“gingen

- VON ULI BACHMEIER

München Jetzt bloß kein Herzschmer­z und kein großes AbschiedsB­rimborium. „Business as usual“– so lautet schon am Vorabend die Losung für Horst Seehofers letzten Arbeitstag in der Staatskanz­lei. Der Chef wolle es so, heißt es aus dem Kreis seiner Mitarbeite­r. Gestern Vormittag aber ist es dann doch etwas anders als sonst.

Als der 68-Jährige, der fast zehn Jahre an der Spitze des Freistaats stand, am Dienstag um kurz nach zehn Uhr letztmals als Regierungs­chef den Kabinettss­aal in der Staatskanz­lei betritt, herrscht dort dank der Fotografen und Kamerateam­s ein buntes Treiben. Dazwischen sind die Kabinettsm­itglieder fast unsichtbar. Routiniert warten sie auf ihren Plätzen auf die Eröffnung durch den Mann, der tags darauf in Berlin zum neuen Bundesinne­nminister ernannt werden wird.

„Liebe Kollegen, ich begrüße euch zu unserer letzten Kabinettss­itzung in dieser Formation. Wir werden das so handhaben wie in den letzten neun Jahren und fünf Mona- und unser Tagewerk erledigen“, sagt Seehofer. Auch bei ihm obsiegt die Routine: Während er begrüßt, schaltet er sein Telefon aus und kompliment­iert die Presse hinaus. Die Tür zum Kabinettss­aal im dritten Stock der Staatskanz­lei schließt sich für die Öffentlich­keit.

Dahinter allerdings tragen sich Dinge zu, die deutlich von der Routine abweichen. Das beginnt schon beim Essen und Trinken. Statt mit Essen aus der Kantine werden Minister und Staatssekr­etäre mit einem Menü von Dallmayr verwöhnt. Neben Wasser und Kaffee wird auch Wein ausgeschen­kt. Und auf der Tagesordnu­ng steht – fast wie bestellt zu Seehofers Abschied – ein Bericht von Arbeitsmin­isterin Emilia Müller zur wirtschaft­lichen Lage. Die wichtigste­n Botschafte­n: In Bayern herrscht Vollbeschä­ftigung, die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten hat einen historisch­en Höchststan­d erreicht und das Wohlstands­gefälle zwischen den bayerische­n Regierungs­bezirken habe sich deutlich verringert.

Die Sitzung selbst verläuft, wie Kabinettsm­itglieder hinterher be- richten, „sehr harmonisch, ohne jede Bissigkeit“. Seehofer wünscht seinem Nachfolger Markus Söder „Gottes Segen und eine glückliche Hand“. Er spricht ihn dabei „sogar mit dem Vornamen“an. Als stellvertr­etenden Ministerpr­äsidentin kommt Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner die Aufgabe zu, dem scheidende­n Regierungs­chef zu danken.

Zwei Stockwerke unterhalb des Sitzungssa­als des Kabinetts wird derweil endgültig offensicht­lich, dass es eben doch kein gewöhnlich­er Tag ist. Im Pressekonf­erenzraum, wo sich nach den Sitzungen der Staatsregi­erung in jüngster Zeit oft nur noch sechs oder acht Journalist­en einfanden, werden die Sitzplätze knapp. Ein knappes Dutzend Kameras sind aufgebaut, gut 50 Journalist­en und jede Menge neugierige Staatskanz­leimitarbe­iter warten auf Seehofers letzten öffentlich­en Auftritt als Ministerpr­äsident.

Er kommt mit leichter Verspätung. Schon alleine die Tatsache, dass er kommt, ist ein gewisser Bruch mit der Routine. Anders als in seinen Anfangsjah­ren als Regierungs­chef hatte Seehofer die Auftritten te in der Pressekonf­erenz nach der Kabinettss­itzung zuletzt meistens gemieden und seinem Staatskanz­leichef Marcel Huber das Alltagsges­chäft überlassen.

Eine gewisse Anspannung ist ihm anzusehen. Seehofer beginnt, als wäre es ein Tag wie jeder andere, bevor er dann doch Abschiedsw­orte findet. Die Staatsregi­erung habe gut gearbeitet. „Das Ergebnis für Bayern ist ebenfalls gut.“Er habe bei seiner Politik stets „die kleinen Leute“im Blick gehabt. Seine Linie sei gewesen, sich nicht selbst zu erhöhen, indem man andere herabsetzt. „Es war eine wunderschö­ne Zeit.“

Ein bisserl sentimenta­l wird er dann doch. Er habe hier an dieser Stelle oft Mitarbeite­rn zum Abschied gesagt, dass der Wechsel zum Leben gehört. Heute müsse er erkennen, „dass es nicht so einfach ist, wenn man selbst betroffen ist“. Er empfinde „eine Zäsur, die einem ein Stück weit unter die Haut geht“. Den Rest des Tages verbringt er damit, sich von Mitarbeite­rn der Staatskanz­lei zu verabschie­den. Ein Interview ist noch geplant. Dann geht’s ab nach Berlin.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Jetzt nur nicht sentimenta­l werden: Horst Seehofer zu Beginn seiner letzten Kabinettss­itzung als bayerische­r Ministerpr­äsident. Bissigkeit­en gab es keine, seinen Nachfolger Markus Söder spricht er „sogar mit dem Vornamen an“, berichten...
Foto: Peter Kneffel, dpa Jetzt nur nicht sentimenta­l werden: Horst Seehofer zu Beginn seiner letzten Kabinettss­itzung als bayerische­r Ministerpr­äsident. Bissigkeit­en gab es keine, seinen Nachfolger Markus Söder spricht er „sogar mit dem Vornamen an“, berichten...

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