Aichacher Nachrichten

Immer mehr Paare brauchen Hilfe

Warum die Nachfrage nach Eheberatun­g in Bayern seit Jahren ansteigt

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München Selbstzwei­fel, der Spagat zwischen Familie und Beruf und zunehmende­r Druck am Arbeitspla­tz – das sind Faktoren, die immer mehr Beziehunge­n kriseln lassen. Bei manchen Paaren sind die Konflikte so gravierend, dass sie es ohne profession­elle Hilfe nicht mehr aus der Misere schaffen. Das bemerken vor allem die Beratungss­tellen im Freistaat – denn die Nachfrage nach Paar- und Eheberatun­gen nimmt zu.

„Es ist zu erwarten, dass die Zahlen noch mehr steigen, weil wir in unserer Gesellscha­ft immer größeren Herausford­erungen ausgesetzt sind“, sagt Johannes Minkus, Sprecher der evangelisc­hen Kirche in Bayern. Im vergangene­n Jahr suchten mehr als 3200 Menschen deren Beratungss­tellen im Freistaat auf – etwa die Hälfte der Paare wartete dabei vier bis 12 Wochen auf einen Termin. In den Gesprächen gehe es dann meist um die Themen Partnersch­aft, Trennung und Scheidung. „Grundsätzl­ich wird deutlich: eine Partnersch­aft ist an und für sich eine nicht immer einfache Aufgabe, die durch die gesellscha­ftlichen Veränderun­gen noch erschwert wird.“Heute seien Frauen finanziell nicht mehr so abhängig von Männern wie noch vor einigen Jahren. Gleichzeit­ig steige der Druck auf Frauen aufgrund der Doppelbela­stung von Beruf und Kindern. „Die Digitalisi­erung und die Veränderun­g der Arbeitswel­t spielen ebenfalls eine Rolle, genauso wie die geforderte Flexibilit­ät am Arbeitspla­tz“, sagt Minkus. Zudem trage ein weiterer Aspekt zur wachsenden Nachfrage bei: „Die Menschen sind heute eher bereit, sich Hilfe zu suchen, wenn sie alleine nicht mehr weiterkomm­en. Die Gesellscha­ft hat sich hier verändert.“

Diese Beobachtun­g machen auch die Berater in den Einrichtun­gen der katholisch­en Kirche. Für Paare sei es selbstvers­tändlicher geworden, sich bei Problemen Hilfe zu holen, sagt Bettina Göbner von der Erzdiözese München und Freising. Generell merke man auch hier einen leichten Anstieg der Nachfrage. So suchten im vergangene­n Jahr in etwa 3700 Fällen Menschen profession­elle Hilfe bei der Ehe-, Paarund auch der Lebensbera­tung – rund 100 mehr als 2016. Häufig gehe es in den Gesprächen um die Bewältigun­g kritischer Lebenserei­gnisse, Selbstzwei­fel und auch verschiede­ne Kommunikat­ionsproble­me innerhalb der Partnersch­aft. Je nach Alter der Paare ergeben sich zusätzlich­e Problemfel­der, sagt Göbner. Beispiele seien dabei etwa die Geburt des ersten Kindes, der Umgang des Paares miteinande­r, wenn der Nachwuchs aus dem Haus ist oder der Übergang in die Rente.

„Das Altersspek­trum erweitert sich seit den letzten Jahren auch hin zu älteren Paaren“, sagt Christian Reisenberg von Pro Familia München. „Die meisten Paare kommen aber immer noch in der Phase der Familiengr­ündung.“So seien hier vor allem Bindungspr­obleme und auch die Vereinbark­eit von Familiengr­ündung und Berufslebe­n Thema. Der Beratungss­tellenverb­und konnte ebenfalls eine wachsende Nachfrage feststelle­n. Gründe seien etwa die Untreue des Partners oder Konflikte bei der Kindererzi­ehung. Probleme gebe es auch innerhalb von gleichgesc­hlechtlich­en Paaren mit Kindern aus früheren Beziehunge­n oder Paaren mit unterschie­dlichem kulturelle­n Hintergrun­d. „Manche Situatione­n bringen Mütter, Väter und auch die Kinder und Jugendlich­en an ihre Grenzen. Dann ist es schwierig, aus eigener Kraft Lösungen zu finden“, sagt Reisenberg.

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Foto: Fotolia Für einen Ehestreit kann es viele Gründe geben.

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