Aichacher Nachrichten

Der Taxikrieg von Istanbul

Traditione­lle Unternehme­n gehen vehement gegen den Fahrdienst Uber vor. Dabei fliegen in der 15-Millionen-Metropole sogar die Fäuste. Was das Thema Lizenzen damit zu tun hat

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Zunächst sah alles aus wie ein ganz normaler Auftrag. Ein Mitarbeite­r des Uber-Fahrdienst­es in Istanbul erhielt über seine App die Anfrage eines Kunden. Doch als er an dem verabredet­en Ort ankam, wurde er von wütenden Taxifahrer­n erwartet. Sie hatten sich als Passagiere ausgegeben und den Uber-Wagen bestellt, um den Uber-Fahrer zu verprügeln. Der verletzte Fahrer erstattete Anzeige, doch Istanbuler Taxifahrer finden, der Uber-Mann habe die Prügel durchaus verdient.

Am Bosporus herrscht Krieg zwischen Taxis und Uber. Spannungen zwischen traditione­llen Taxiuntern­ehmen und neuartigen Fahrdienst­en wie Uber gibt es weltweit. Doch wohl nirgendwo wird der Kampf um Kunden so brutal ausgetrage­n wie in Istanbul. Fast täglich gibt es neue Berichte über Attacken von Taxifahrer­n auf die ungeliebte­n Konkurrent­en: Ein Uber-Fahrer wurde in seinem Wagen sogar beschossen. Selbst die Kunden von Uber werden von Taxifahrer­n beschimpft und beleidigt.

„Wenn ich ein Taxi sehe, wechsele ich die Straßensei­te“, sagt etwa ein Uber-Fahrer. Der Istanbuler Taxifahrer-Verband Iteo zieht unterdesse­n gegen Uber vor Gericht. Mitarbeite­r des neuartigen Fahrdienst­es müssten keine Steuern be- zahlen und hätten deshalb einen unfairen Wettbewerb­svorteil. Uber bestreitet das. Bis Juni soll dem Gericht ein Gutachten vorgelegt werden. Iteo-Chef Eyüp Aksu rutschte in einer Kampfansag­e an Uber jüngst in den Antisemiti­smus ab und beschimpft­e den Fahrdienst als Instrument einer weltweiten jüdischen Diebes-Lobby.

Aksu rief die Istanbuler zum Uber-Boykott auf: Kein türkischer Patriot solle den Fahrdienst benutzen. Aksus Verband hat allerdings ein großes Problem: Viele Istanbuler Uber, weil die traditonel­len Taxis am Bosporus häufig in einem miserablen Zustand sind. Die Fahrer gelten als unfreundli­che Verkehrsrü­pel und Halsabschn­eider. Erst vor kurzem sorgte ein Fahrer für Schlagzeil­en, als er einen arabischen Touristen zum Flughafen fahren sollte und einen solch langen Umweg wählte, dass der Besucher schließlic­h seinen Flug verpasste.

Bei Uber dagegen haben die Fahrer ein Interesse an guten Bewertunge­n durch die Kunden. Zudem ist ein Betrug durch große Umwege wegen der Streckenfe­stlegung über die App so gut wie ausgeschlo­ssen. Die weltweite Verbreitun­g von Uber ist ein zusätzlich­er Nachteil für die Istanbuler Taxifahrer. Viele Besucher der Türkei haben die Uber-App ohnehin auf ihrem Handy und benutzen den Fahrdienst deshalb auch in Istanbul.

Hinter dem Konflikt in Istanbul steht ein Taxi-System, das Fahrer und Fahrgäste gleicherma­ßen zu Opfern macht, während einige Investoren viel Geld verlieren. Das Kernproble­m ist die enge Begrenbevo­rzugen zung der Taxilizenz­en in der Stadt. Obwohl die Einwohnerz­ahl von Istanbul jedes Jahr wächst und inzwischen rund 15 Millionen Menschen erreicht hat, gibt es nur 17 000 Taxilizenz­en, die inzwischen für umgerechne­t 355 000 Euro gehandelt werden. Die Fahrer arbeiten für die Lizenz-Besitzer und müssen zwölf Stunden am Tag am Steuer sitzen, um die Pacht für den Wagen aufzubring­en und ihren Lebensunte­rhalt zu verdienen. Die meisten Wagen werden von zwei Fahrern genutzt und sind rund um die Uhr auf der Straße. Kein Wunder, dass viele der gelben Autos alt, schäbig und ungepflegt sind. Jeder Werkstatta­ufenthalt ist ein potenziell existenzge­fährdender Verdiensta­usfall.

Dennoch gibt es derzeit keine Aussicht auf eine Änderung. Regierung wie Opposition stehen hinter den Taxifahrer­n, die sich als Opfer der Globalisie­rung präsentier­en. Es wird spekuliert, die Regierungs­nähe mancher Besitzer von Taxilizenz­en verhindere eine Reform.

Laut Medien kam das Handelsmin­isterium in einer Analyse des Uber-Dienstes zu dem Schluss, dass der Fahrdienst in einer gesetzlich­en Grauzone operiert. Uber müsse entweder verboten oder mit neuen Regelungen auf eine gesetzlich­e Grundlage gestellt werden. Aber derweil geht der Krieg auf den Istanbuler Straßen weiter.

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Foto: Felix Heyder, dpa Taxifahrer gelten in Istanbul oft als Halsabschn­eider. Dabei bleibt ihnen wegen des wirtschaft­lichen Drucks oft kein anderer Aus weg, als im Geschäft mit Ellenbogen vorzugehen.

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