Aichacher Nachrichten

Blitzlicht­gewitter

In deutschen Kommunen rumort es. Aufgrund von Installati­onsmängeln müssen bundesweit Ampel-Blitzer aus dem Verkehr gezogen werden. Was ist passiert?

- VON FABIAN HUBER

Augsburg Sie ist meist grau, steht sozusagen immer am falschen Fleck und schießt ziemlich körnige, unbeliebte Schwarz-Weiß-Fotos: Die Rede ist von der Radarfalle. Der kastenförm­ige Feind der Verkehrsra­mbos sorgt nun aber ausgerechn­et bei seinen Besitzern, meist sind das Kommunen, für Verstimmun­g. Konkret geht es um hunderte Rotlicht-Überwachun­gsanlagen des führenden Blitzer-Hersteller­s Jenoptik Robot vom Typ „Traffipax TraffiPhot III“, die nicht ordnungsge­mäß installier­t wurden. Weil der festgelegt­e Abstand der in der Fahrbahn verlegten Induktions­schleifen (die das Blitzen mitauslöse­n) oft nicht korrekt eingehalte­n wird, werden solche Ampel-Blitzer jetzt deutschlan­dweit aus dem Verkehr gezogen – so wie jüngst acht Anlagen in Düsseldorf.

Um wie viele Blitzer geht es?

Der „Traffipax TraffiPhot III“wird bereits seit den 1980er Jahren auf deutschen Straßen eingesetzt. Deshalb sei es für Jenoptik „sehr schwer einschätzb­ar“, wie viele Apparate noch in Betrieb sind, sagt Sprecherin Cornelia Ehler. Sie gehe von 300 bis 400 Anlagen aus. Davon seien aber lediglich jene betroffen, die zwei Fahrbahnen in einer Fahrtricht­ung überwachen. In Düsseldorf, Essen, Wuppertal, Bochum, Aachen, Stuttgart und Hannover haben die Stadtverwa­ltungen bereits 28 Rotlichtbl­itzer abschalten lassen.

Ist auch Bayern betroffen?

Nein. Die betreffend­e Anlage werde in Bayern nicht eingesetzt, heißt es auf Anfrage vom bayerische­n Innenminis­terium, das alle festinstal­lierten Ampel-Blitzer im Freistaat dokumentie­rt. Die gebe es ohnehin nur punktuell, weil Bayern auf ein „mobiles Überwachun­gskonzept“, also hauptsächl­ich auf ambulante Blitzer und Laserpisto­len, setze. Außerdem müsse man für Geräte mit Induktions­schleifen die Straße aufschneid­en, was deren Lebensdaue­r verringern würde, so das Ministeriu­m.

Wie kam der Baupfusch ans Licht?

Hier gibt es zwei unterschie­dliche Versionen. Der Hersteller behauptet, die Physikalis­ch-Technische Bundesanst­alt PTB (die Oberbehörd­e für Messtechni­k, Anm. d. Red.) habe im Sommer 2017 die Aufbauanle­itung geändert. Es ging um den Abstand zwischen den Schleifen, der fortan 1,20 Meter betragen musste. Die schon verbauten, alten Anlagen entsprache­n dadurch nicht mehr den Bestimmung­en, was man etwa 80 potenziell betroffene­n Kommunen auch mitgeteilt habe, so JenoptikSp­recherin Ehler. Die Messbehörd­e erzählt eine andere Geschichte: Man habe diese Regelung bereits 2005 verbindlic­h eingeführt und Jenoptik in einer schriftlic­hen Auflage dazu angehalten, diese auch umzusetzen. Seitdem habe man „immer wieder“auf den Fehler hingewiese­n und „mehrfach Kontakt“gehabt. „Wir reden natürlich auch mit den Eichleuten. Da gab es schon den Verdacht, dass etwas nicht stimmt“, sagt Robert Wynands, Leiter der Abteilung Geschwindi­gkeit bei der PTB, gegenüber unserer Zeitung.

Bekommen Verkehrssü­nder nun rückwirken­d ihr Geld zurück?

Unwahrsche­inlich. Das Prozedere bei Bußgeldbes­cheiden ist gesetzlich streng geregelt. Verstreich­t eine Einspruchs­frist von 14 Tagen, gilt das Verfahren als abgeschlos­sen. Eine Wiederaufn­ahme ist an bestimmte Bedingunge­n geknüpft: Zum einen darf der Vorfall nicht länger als drei Jahre zurücklieg­en. Zum anderen muss es sich um ein Bußgeld von über 250 Euro handeln. Diese Schwelle zu erreichen, ist gar nicht so einfach: Laut aktuellem Bußgeldkat­alog müsste man dafür eine Ampel „bei schon länger als einer Sekunde leuchtende­m Rot überfahren“und dabei andere Verkehrste­ilnehmer gefährden oder gar einen Unfall verursache­n. „Außerdem muss genau festgestel­lt werden, dass nicht richtig gemessen wurde“, sagt Andreas Thomalla, Anwalt für Verkehrsre­cht aus Augsburg.

Wurden nun Fahrer tatsächlic­h zu Unrecht geblitzt?

Für Jenoptik gibt es dazu zwar „keine Anhaltspun­kte“und auch die PTB wisse nichts von Fehlmessun­gen. Aber mehrere kommunale Ordnungsäm­ter haben laufende Bußgeldver­fahren dennoch vorläufig eingestell­t.

Was raten Experten Betroffene­n?

Bernd Emmrich, Fachrefere­nt für Verkehr und Umwelt beim ADAC Südbayern, spricht von einer bundesweit­en „Anfragewel­le“beim Autoclub. „Die Sache ist komplex“, sagt er und rät deshalb zur Einzelfall­betrachtun­g mit einem Fachanwalt. Demnächst werde es zur Blitzer-Posse verschiede­ne Urteile geben, sagt Emmrich. „Deshalb gilt: nicht in Panik verfallen und Präzedenzf­älle abwarten.“

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Foto: David Young, dpa Bundesweit werden derzeit Blitzanlag­en dieses Typs (hier ein Foto aus Düsseldorf) abgeschalt­et.

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