Aichacher Nachrichten

Fahren mit Flatrate

Automarkt Mieten statt besitzen, nutzen statt kaufen: Erste Autoherste­ller experiment­ieren mit neuen Vertriebsm­odellen. Die meisten basieren auf monatliche­n Raten. Was die Kunden davon haben – und wo die Fallstrick­e sind

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einen Freud, des anderen Leid – während sich manche Menschen ganze Samstage lang bei Autohändle­rn aufhalten können, ist der Kauf eines Neuwagens für andere ein Graus. Erstens, weil sie vergleiche­n und handeln müssen. Und zweitens, weil sie dabei Entscheidu­ngen mit einer gewissen Tragweite treffen müssen. Doch damit ist es womöglich bald vorbei.

Denn getrieben von den Technologi­eund Online-Konzernen experiment­ieren die Autoherste­ller mit neuen Vertriebsm­odellen: So, wie man seine Musik im Streamingd­ienst abonniert, am Smartphone mit einer Flatrate surft und telefonier­t und seine Filme on demand anschaut, so wollen sie auch die Autonutzun­g radikal vereinfach­en. Monatliche Fixbeträge für einzelne Modelle oder die ganze Modellpale­tte sollen Kunden locken und ihnen den Wechsel erleichter­n.

„Die Autoindust­rie muss sich bewegen und ihre Produkte auch in Zeiten des autonomen Fahrens irgendwie attraktiv halten, um sie an den Kunden zu bringen“, sagt Prof. Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen. Von den bisherigen Angeboten in dieser Richtung ist er aber noch nicht ganz überzeugt.

Wie unsicher die Unternehme­n noch sind, zeigt nicht zuletzt der kleine Maßstab, mit dem sie starten. So hat zum Beispiel Porsche im letzten Herbst sein Programm Passport vorgestell­t. Dabei kann man sich im Paket Launch wahlweise aus Cayman, Macan oder Cayenne und im Paket Accelerate aus 911-Varianten, Panamera oder den GTS-Versionen verschiede­ner Baureihen bedienen. Über eine App lässt sich das Auto jederzeit tauschen.

Das Abo wird monatlich abgeschlos­sen und umfasst Fahrzeugwe­chsel, unbegrenzt­e Kilometer und On-Demand-Zugriff auf bis zu 22 Porsche-Modelle, teilt der Hersteller mit. Doch die Sache hat zwei Haken: Erstens kosten die Pakete 2000 oder 3000 Dollar im Monat. Und zweitens gilt das Angebot zuDes nur in den USA und dort auch nur im Großraum Atlanta.

Ebenfalls jenseits des Atlantiks wollen auch BMW und Mercedes in diesem Jahr mit ersten Tests solcher Abo-Modelle beginnen, wie die Vertriebsv­erantwortl­ichen angekündig­t haben. Ob und wann diese Dienste auch in Deutschlan­d starten, ließen sie dabei offen.

Ausgerechn­et die Importeure sind da schon weiter. So hat Cadillac in einem Pilotproje­kt für den Großraum München das System Book für Deutschlan­d angekündig­t. Für eine noch nicht näher spezifizie­rte MoBoxster, natspausch­ale sollen Kunden Zugriff auf ein knappes Dutzend Modelle vom Geländewag­en Escalade bis zum Sportwagen Corvette haben. Die Auswahl trifft man auf dem Smartphone, die Überführun­g zum Einsatzort übernimmt ein Concierge-Service, erläutert Pressespre­cher René Kreis.

Bei Volvo startet mit dem neuen Geländewag­en XC40 eine FlatrateLö­sung namens Care by Volvo, wie Firmenchef Hakan Samuelsson erläutert. Das Programm soll Autonutzun­g so einfach machen wie den Handykauf. Zu einer fixen Monatsnäch­st rate seien Kunden nicht nur alle 24 Monate in einem neuen Volvo unterwegs, sondern auch sorgenfrei: Zusätzlich­e Kosten für Steuern, Versicheru­ngen, Wartung, Reparature­n, Winterbere­ifung, Räderwechs­el und -einlagerun­g fielen nicht an.

Je nach regionaler Verfügbark­eit lassen sich Dienstleis­tungen wie das regelmäßig­e Betanken oder die Autowäsche integriere­n. Für den Firmenchef ist dies „das Mobilitäts­modell für die heutige Zeit“. Und was kostet das konkret? Bei der XC40-Präsentati­on war von monatlich 700 Euro für das Top-Modell der Baureihe die Rede.

Dudenhöffe­r hält solche Angebote eher für Marketing-Aktionen. „Aber im Leasing-Geschäft ist die Idee nicht neu.“Die jetzigen Angebote mit einem spontanen Wechsel vom Cabrio zum SUV oder dem Sportwagen klängen zwar gut, seien aber in der Regel keine Schnäppche­n. „Da holt man sich die Wunschauto­s deutlich billiger lieber bei Bedarf vom Vermieter.“

Auch mit dem Leasing darf man solche Angebote nicht verwechsel­n, sagt Marketing-Experte Franz-Rudolf Esch. Denn außer den monatliche­n Zahlungen gibt es keine Gemeinsamk­eiten. Der Fokus beim Leasing liegt auf einem Modell, die Flatrate ermöglicht die Wahl aus allen Modellen und auch den Wechsel beim Erscheinen eines neuen Modells. Das seien Vorteile, die man als Kunde allerdings teuer erkaufen müsse.

 ?? Foto: Volvo ?? Auto „Kauf“von morgen: Man konfigurie­rt seinen Wagen online, nutzt ihn, tauscht ihn. Dafür wird eine Gebühr fällig, die auch alle Wartungen plus Versicheru­ng beinhaltet. „Care by Volvo“heißt das Angebot des schwedisch­en Hersteller­s.
Foto: Volvo Auto „Kauf“von morgen: Man konfigurie­rt seinen Wagen online, nutzt ihn, tauscht ihn. Dafür wird eine Gebühr fällig, die auch alle Wartungen plus Versicheru­ng beinhaltet. „Care by Volvo“heißt das Angebot des schwedisch­en Hersteller­s.

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