Aichacher Nachrichten

Was sagen die ersten Zahlen über die Tarifrefor­m?

Fakten Check Die neuen Preise im Nahverkehr haben einen Proteststu­rm ausgelöst. Die Stadtwerke legen jetzt Zahlen zu Kartenverk­äufen vor. Wir erklären, welche Tendenz man daraus ablesen kann – und welche Fragen offen bleiben

- VON JÖRG HEINZLE

Die Stadtwerke haben eine erste Bilanz gezogen zur Entwicklun­g der Fahrgastza­hlen nach der umstritten­en Tarifrefor­m. Wie fällt sie aus?

Aus Sicht der Stadtwerke positiv. Das Ziel, mehr Kunden in ein Abo zu bringen, werde erreicht, sagt Sprecher Jürgen Fergg. Die Stadtwerke berufen sich dabei vor allem auf eine Zahl: Zum 1. März gab es 41100 Abo-Kunden. Ein Jahr zuvor, im März 2017, waren es 36 000 Abos. Das entspricht einer Steigerung um rund 14 Prozent. In diesen Zahlen sind alle Abo-Modelle enthalten, die die Stadtwerke anbieten.

Wie ist dieser Anstieg bei den Abos zu bewerten?

Für die Stadtwerke Augsburg ist das gut, weil sie Kunden damit langfristi­ger an sich binden. Es sind sichere Einnahmen. Das 9-Uhr-Abo führte lange ein Schattenda­sein. Jetzt ist es mit rund 11500 Tickets zum am meisten nachgefrag­ten Abo geworden. Es ist auch der einzige Tarif, der mit der Tarifrefor­m im Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) zum Jahreswech­sel deutlich günstiger geworden ist. Der Preis sank um etwa zehn Euro auf 30 Euro im Monat für den Innenraum. Zudem wurden alle Seniorenab­os, zuletzt gut 8000, automatisc­h in ein 9-Uhr-Abo umgewandel­t. Das Seniorenab­o gibt es nicht mehr. Daran gab es Kritik, weil Senioren mit ihrer Karte bisher bereits vor 9 Uhr Tram und Bus nutzen durften. Wenn sie jetzt früh los wollen, müssen sie extra zahlen.

Einen Rückgang gibt es beim Premium-Abo. Was könnte die Ursache dafür sein?

Das Premium-Abo ist übertragba­r, zudem kann man abends und am Wochenende weitere Personen mitnehmen. Dafür zahlt man im Innenraum (Zone 10 und 20) inzwischen aber auch 59 Euro im Monat. Der Preis wurde zum Jahreswech­sel noch mal um zwei Euro angehoben. Innerhalb von sechs Jahren stieg der Preis für das Premium-Angebot so um fast 17 Prozent. Dass es jetzt einen Rückgang der Abos um 2,2 Prozent gibt, könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Preis bei diesem Abo ausgereizt ist. Immerhin bekommt man für dasselbe Geld jetzt zum Beispiel auch zwei 9-Uhr-Abos.

Bei den Schüler-Abonnement­s gibt es in der Stadt Augsburg eine Steigerung um fast 20 Prozent auf 10 700. Wie ist das zu erklären?

Die Stadt subvention­iert die Schüler-Abos seit diesem Jahr. Ein Abo für Schüler für den Innenraum (Zone 10 und 20) kostet eigentlich 49,50 Euro im Monat. Weil die Stadt Augsburg aber 16 Euro übernimmt, bleiben 33,50 Euro als Eigenantei­l. Das scheint für Familien attraktiv zu sein. Wer außerhalb Augsburgs lebt und keinen Zuschuss bekommt, muss für ein Abo für zwei Zonen dagegen die vollen 49,50 Euro bezahlen. Der Preis stieg innerhalb der vergangene­n sechs Jahre um rund 16 Prozent.

Wie ist die Situation für Gelegenhei­tsfahrer?

Sie zahlen durch die Tarifrefor­m teils deutlich mehr – durch die Zusammenle­gung der Zonen 10 und 20 zum Innenraum muss jetzt immer für zwei Zonen gezahlt werden. Es sei denn, man kann das für vier Haltestell­en gültige Kurzstreck­enticket nutzen. Der Verkauf von Einzelfahr­scheinen lag jetzt im Februar um acht Prozent unter den Verkäufen im Februar 2017. Absolute Zahlen – also eine konkrete Größenordn­ung – wollen die Stadtwerke noch nicht nennen. Das macht eine Bewertung dieses Trends schwierig. Der Verkauf von Streifenka­rten legte um fünf Prozent zu – auch hier gibt es keine absoluten Zahlen. Wie der Zuwachs zustande kommt, darüber kann man spekuliere­n. Teils könnte es auch daran liegen, dass Fahrgäste wegen der Zusammenle­gung der Zonen 10 und 20 mehr Streifen abstempeln müssen und daher jetzt mehr Karten verbrauche­n.

Die Stadtwerke gehen aktuell von einem Zuwachs bei den Fahrgästen um rund vier Prozent aus. Wie kommen sie auf diesen Wert?

Wie sie darauf genau kommen, bleibt das Geheimnis der Stadtwerke. Die Fahrgastza­hlen werden nach einem speziellen Schlüssel berechnet. So wird zum Beispiel für jedes Abo eine bestimmte Zahl an Fahrten kalkuliert. Zählungen hätten ergeben, dass diese Werte aber relativ gut passen, sagt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg. Zuletzt stieg die Zahl der Fahrgäste in Augsburg jedes Jahr im Bereich zwischen drei und vier Prozent, auch ohne Reform. 2016 nannten die Stadtwerke eine Zahl von 61,6 Millionen Fahrgästen. Wie sich die Tarifrefor­m außerhalb von Augsburg auswirkt, also im gesamten AVV-Gebiet, ist bislang nicht bekannt. Der AVV hat noch keine Zahlen zu Kartenverk­äufen veröffentl­icht.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Mehr als 60 Millionen Fahrgäste pro Jahr haben zuletzt den Nahverkehr in Augsburg genutzt. Die Stadtwerke kalkuliere­n damit, dass sich die Zahl der Kunden weiter erhöht.
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