Aichacher Nachrichten

Wie sich Kriminalit­ät ins Internet verlagert

Die Täter erpressen Unternehme­n oder legen Server lahm. Wenn sich Delikte im Netz abspielen, ist die Arbeit für Ermittler oft schwer. Doch zuletzt wurden hier zwei Männer verurteilt, die Opfer abgezockt hatten

- VON JAN KANDZORA

Wer Interesse daran hat, Schuhe im Internet zu kaufen, braucht nicht lange zu suchen. Diverse OnlineVers­andhändler buhlen im Netz um die Gunst der Kunden – mit Schnäppche­n oder großem Angebot. Vor einigen Jahren tauchte kurzzeitig ein weiterer vermeintli­cher Mitbewerbe­r auf: „Schuburner“nannte sich die Seite. Noch heute lassen sich online Erfahrungs­berichte von Betroffene­n finden, die dachten, dort endlich die Sneaker entdeckt zu haben, nach denen sie zuvor lange gesucht hatten. Große Produktpal­ette, günstige Preise: Der Versandhän­dler schien kundenfreu­ndlich. Er war das genaue Gegenteil. Kein seriöses Unternehme­n, sondern eine Abzockmasc­he. Die Betreiber waren nicht an der Zufriedenh­eit der Kunden interessie­rt, sondern nur an deren Geld. Ware gab es nach der Bezahlung nämlich nicht. Es handelte sich um einen „Fake-Shop“, ein Betrugsmod­ell im Internet. Der Laden, der sich dort präsentier­te, war nicht real.

In dieser Woche nun sind vor dem Augsburger Landgerich­t zwei Männer verurteilt worden, die für solche Internetse­iten verantwort­lich gewesen sein sollen. Die beiden 31-Jährigen müssen ins Gefängnis; einer wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, der andere zu zwei Jahren und acht Monaten. Es ging jeweils um dutzende Betrugsfäl­le.

Dass es zu dem Prozess kommen konnte, lag an umfangreic­hen Ermittlung­en der Augsburger Kriminalpo­lizei. Das Verfahren, sagt Klaus Ruoff, habe sich von anderen abgehoben. Rund eineinhalb Jahre Ermittlung­sarbeit habe sicherlich dringestec­kt. Ruoff ist stellvertr­etender Leiter eines Kommissari­ats bei der Augsburger Kripo, das sich mit Kriminalit­ät im virtuellen Raum befasst und seit 2015 existiert. Etwa 20 Mitarbeite­r hat das „K11“, wie es bei der Polizei genannt wird.

Die Beamten haben spezielle Kenntnisse, auch Informatik­er gehören zum Team. Die Polizisten unterstütz­en ihre Kollegen anderer Kommissari­ate – schließlic­h gibt es für fast alle Straftaten eine Ermittlung­sspur im Internet. Sie nehmen sich aber auch der Fälle an, die sich vorrangig im Internet abspielen. So- DDoS-Attacken etwa: gezielte, massenhaft­e Aufrufe einer Seite oder eines Servers mit dem Ziel, das System lahmzulege­n. Unternehme­n werden so beispielsw­eise geschädigt, wenn Angestellt­e durch die Attacke nicht arbeiten können. Manchmal werden Betroffene nach einem solchen Angriff auch erpresst.

Oder Anrufe von angebliche­n Microsoft-Mitarbeite­rn, die ihren Opfern vorgaukeln, dass ihre Computer virenverse­ucht seien. Die Anrufer behaupten gerne, dass sie helfen könnten, wenn man ihnen per Fernwartun­gssoftware Zugriff auf das System gewähre und sie online über spezielle Dienste bezahle. Erst gestern meldete die Polizei wieder zwei solcher Betrugsfäl­le in Augsburg, in einem davon wurde eine Frau um einen dreistelli­gen Betrag gebracht. „Da bekommen wir täglich Anzeigen rein“, sagt Ruoff. Die Täter bearbeiten ihre Opfer oft stundenlan­g am Telefon, die Ermittlung­en sind schwierig. Nicht nur in solchen Fällen. Betroffene mögen in Augsburg leben, doch die Täter, die im Internet agieren, sagt der Kriminalha­uptkommiss­ar, sitzen oft im Ausland. Will die Polizei dort Unterstütz­ung von Kollegen bekommen, kann das dauern, sofern es überhaupt klappt. Auch agieren die Täter meist aus der Anonymität heraus, wie auch jene Männer, die nun für die gefälschte­n Internetse­iten verurteilt wurden.

Sie gingen mit großem Aufwand vor. So meldeten sie die Seiten auf Menschen an, die nicht existierte­n. Telefonnum­mern führten ins Nirgendwo; E-Mail-Adressen liefen auf Namen von Personen, die es nicht gab. Die Täter nutzten Computerse­rver im Ausland, gaben falsche Personalie­n an und eröffneten auch bei deutschen Banken Konten unter falschem Namen.

Doch einige Spuren, welche die Seiten damals, zwischen März 2013 und Februar 2014, hinterließ­en, führten die Polizei in den Augsburgen­annte ger Raum. Die Beamten ermittelte­n rund 2000 Opfer. Angeklagt waren die beiden Männer aus der Region schließlic­h wegen dutzender Seiten. Auf ihnen wurden Elektroart­ikel, Hardware für Computer, Medikament­e und auch Dopingmitt­el wie Anabolika angeboten. Das Gericht sah es am Ende im Fall von vier der gefälschte­n Seiten als erwiesen an, dass die beiden 31-Jährigen sie erstellt und betrieben hatten. Beide Angeklagte­n hatten die Vorwürfe bestritten. Einer stellte sich als Handlanger eines anonymen Nutzers eines Online-Forums dar, der andere wies von sich, Fake-Shops erstellt oder betrieben zu haben.

Verteidige­r Klaus Rödl forderte ein Jahr Haft auf Bewährung wegen Geldwäsche für seinen Mandanten, Verteidige­r Dominik Hofmeister einen Freispruch für den anderen Angeklagte­n. Das Gericht glaubte den Schilderun­gen der Angeklagte­n allerdings nicht. Claus Pätzel, Vorsitzend­er Richter der 1. Strafkamme­r, sagte, die beiden hätten eine „enorme kriminelle Energie“besessen, es handele sich um einen „groß angelegten Betrug“. Um ihn aufzuziehe­n, die täuschend echt aussehende­n Seiten etwa in Windeseile bauen zu können, benötigten die Angeklagte­n durchaus Fähigkeite­n. Warum man nicht versuche, damit auf legalem Wege etwas zu tun, erschließe sich nicht, sagte Pätzel.

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Fotos: Silas Stein, Bernd Hohlen Das Internet eröffnet Nutzern ungeahnte Möglichkei­ten. Doch leider nutzen es immer wieder auch Kriminelle für ihre Machenscha­ften.
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Klaus Ruoff beschäftig­t sich bei der Poli zei mit Internet Kriminalit­ät.

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