Fukushima: „Wunde Heimat“verstört Kinobesucher
Dokumentarfilm macht Besucher betroffen. „Furusato“läuft heute noch einmal in Aichach
Aichach „Furusato“heißt „wunde Heimat“. Es ist ein verstörender Dokumentarfilm über die Atomkatastrophe von Fukushima. „Wir sollten uns erst einmal unsere Betroffenheit aus dem Kittel schütteln“, übernahm Ernst Haile, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, dann auch das Wort, nachdem Furusato im Cineplex Aichach geendet hatte. Insgesamt vier Mal wird der Film in Aichach gezeigt. Am heutigen Mittwoch um 19 Uhr, und das nächste Mal am Sonntag, 25. März, um 12.30 Uhr.
Der Streifen beginnt mit einer Heimkehr. Eine Familie holt sich bei den Behörden die Genehmigung für eine Fahrt durch die Sperrzone der geteilten Stadt Minamisoma in der Nähe von Fukushima. Ein Teil dieser Stadt darf ohne Atemschutz und Geigerzähler bewohnt bleiben, ein anderer nur mit Schutzanzügen betreten werden. Vorbei an Ruinen geht die Fahrt durch eine Geisterstadt. Schließlich können die Familienmitglieder ihr verlassenes Haus aufsperren. Ein Blick in die Scheune, man besieht sich die Ahnengalerie an den Wänden des Wohnzimmers, um im nächsten Moment alles wieder hinter sich zu lassen.
Dann wird ein Landwirt gezeigt, der seine Pferdezucht auf kontaminiertem Boden betreibt und mit jeder Geburt eines Fohlens Hoffnung aufkeimen sieht. Doch der Nachwuchs schwächelt: Viel zu große Köpfe auf dürren Beinen, denen noch im Jugendalter buchstäblich die Nerven versagen. Die Hinterbeine lassen sich nicht mehr kontrolliert bewegen.
Weitere Szene: Noch rocken ein paar Jungs in ihrer Band. Wenige Filmminuten später verlässt der Sänger die Region, um in Tokyo ein neues Leben zu beginnen. „Mein Mann und ich sind alt, ich weiß aber, dass alle jungen Leute betroffen sein werden“, sagt die Frau, die einen Tempel betreut. Im Turmdach hat sie die letzten Spatzen der gesamten Umgebung gefunden.
Der Film Furusato setzt viel Wissen voraus. Ein Tepco-Ingenieur steht vor vier scheinbar frisch getünchten Reaktorblöcken und bedauert den Unfall. Es sind keineswegs die havarierten Meiler, sondern intakte Meiler in einigen Kilometern Entfernung. Später provoziert derselbe Ingenieur, als er in Sichtweite derselben Blöcke auf dem Meer aufreizend-genussvoll frisch gefangenen Fisch isst, obwohl er sicher weiß, dass unweit davon riesige Berge mit „Big Bags“voller Strahlenmüll am Strand lagern.
Zahlen? Kommen im Film kaum vor. „Selbst nach Tschernobyl stieg bei uns die Zahl der Kinder mit Schilddrüsenkrebs“, sagt ein Aktivist. Wie viele Kinder nun erkrankt sind? Keine Angaben. Erstaunlicherweise sind es die Frauen, die sich trauen, unbequeme Gedanken auszusprechen. Wie zum Beispiel jene Mutter: „Eines Tages wird sich die Menschheit mit ihrer eigenen Technologie zugrunde richten.“
In der Diskussion berichtete Heidi Bentele, Vorsitzende der Hilfe für Kinder aus Tschernobyl, aus der Region um Gomel in Weißrussland, die 80 Prozent des radioaktiven Fallouts aus Tschernobyl abbekam: „Die Todesrate – jedes dritte Kind ist schwer krank – ist so hoch, dass die große Depression sich in allen Gesichtern widerspiegelt.“Gleichzeitig bekämen die Kranken so gut wie keine Hilfe mehr. In Sachen Radioaktivität herrsche Informationsverbot. „Wenn ich dann bei uns höre, die Windkraft verschandele die Landschaft, könnte ich kotzen.“Raimund Kamm, der Landesvorsitzende des Bundesverbands Wind Energie, erinnert an das, was täglich bei uns geschehe: „Allein an diesem Tag werden die beiden Blöcke Isar II und Gundremmingen Block C so viel Atommüll produzieren, wie im Versuchslager ,Asse Neu‘ gebunkert ist.“
Die Aichacher Umweltreferentin Magdalena Federlin (Grüne) fragte: „Wie kann sich der Mensch so kontinuierlich den Ast absägen, auf dem er sitzt?“Und Anne Glas, Zweite Bürgermeisterin in Dasing, erklärte: „Ich bin erschrocken, wie hilflos und dilettantisch Japan mit den Folgen der Katastrophe umgeht.“