Vom Vaterland ins „Deppenland“?
Die alternative Bayern-Hymne sollte ein Weckruf werden, jetzt herrscht Empörung. Wie es dazu kam, dass „Bayern zwo“ausgerechnet aus der Feder eines Mannes stammt
Augsburg Mit einem solchen Echo hatte wohl keiner gerechnet: Die Hymne „Bayern zwo“, die die SPDLandtagsabgeordnete Simone Strohmayr zum 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts in Bayern vorgestellt hat, ist in aller Munde. Die einen finden die neue, weibliche Variante der Bayern-Hymne toll, die anderen nennen sie Klamauk – und im Internet überschlagen sich Kommentare wie „Schmarrn“und „Deppenland“. Was ist passiert?
Strohmayr will mit der Version augenzwinkernd und humorvoll auf die Frage der Gleichberechtigung und die veränderte Rolle der Frau in der Gesellschaft aufmerksam machen. Und wie es der Zufall wollte, kam sie just zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, als darüber diskutiert wird, ob die deutsche Nationalhymne nach dem Vorbild Kanadas oder Österreichs „gendergerecht“umformuliert werden soll.
Als Denkanstoß war sie also gedacht, die neue Fassung der BayernHymne. Und sie stammt übrigens aus der Feder eines Mannes: Der in Friedberg lebende Journalist und Musiker Josef Karg, 54, steckt dahinter. Über dessen Frau war der Kontakt zur SPD-Politikerin zustande gekommen. Und so hat Karg, der gerne politische Lieder komponiert, der 158 Jahre alten BayernHymne einen zeitgenössischen Touch verpasst. Zur gespaltenen Resonanz auf „Bayern zwo“sagt er: „Ich kann nicht verstehen, wie sich die Leute über die Änderung von ein paar Wörtern so echauffieren können.“Natürlich könne man alles kritisieren, das stehe außer Frage. In diesem Umfang und auf diese Art und Weise habe er aber nicht damit gerechnet. Der Grundgedanke, der hinter dem „Weckruf“stecke, sei ganz einfach: „Sprache spielt in der Gleichberechtigung eine entscheidende Rolle“, sagt Karg, Redakteur bei der Augsburger Allgemeinen. Sie könne die Entwicklung der Gesellschaft nachhaltig beeinflussen. „Aus Sicht der Geschichte hat unsere Sprache allerdings eine sehr männliche Dimension.“Deshalb sei die Idee, den Begriff Vaterland mit Mutterland zu ersetzen, sinnvoll: „Im Namen des Vaterlandes wurden viele Kriege geführt, im Namen des Mutterlandes keine.“Im neuen Text heißt es deshalb „Gott mit dir, du Land der Bayern, Heimaterde – Mutterland.“Dass ein neuer Begriff gleichzeitig eine Chance für das Land darstelle, davor würden viele Menschen ihre Augen verschließen.
Die Landtagsabgeordnete sieht die musikalische Aktion dennoch als gelungen an. Seit der Präsentation der alternativen Bayern-Hymne bei einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag in Aichach hätten sich viele Menschen bei ihr gemeldet. Auch wenn sich mancher erst geärgert habe, sei das Lied doch auch ein Ansporn zum Nachdenken gewesen. Weniger gut findet Strohmayr die Hemmungslosigkeit des Echos in den sozialen Medien: Die Neufassung wurde zum Teil scharf kritisiert und beschimpft. „Man darf anderer Meinung sein, eine solche Kommunikation ist allerdings unter der Gürtelinie“, kommentiert die Politikerin aus Stadtbergen. Sie zeigt sich erstaunt darüber, wie viele Menschen sich beim Thema Frauenrechte geradezu angegriffen fühlen. Interessant sei, dass die kritischen Stimmen oft wieder verstummen, wenn sich die Menschen erst mal mit der Thematik beschäftigen.
„Solange über das Lied gesprochen wird, ist das Ziel erreicht.“Selbst eine negative Diskussion bringe Bewegung in die Frage der Gleichberechtigung, findet Strohmayr. Wichtig ist es ihr aber, zu unterstreichen, dass niemand die Absicht verfolge, die offizielle Hymne des Freistaats zu ersetzen.
Die Frauenhymne hören Sie unter augsburger allgemeine.de/hymne