Fünf Augsburger kämpfen gegen Rassismus
Die „AD Demokraten“, eine Kleinpartei, richten sich vor allem an türkischstämmige Einwanderer. Sie wollen Diskriminierung und Religionskonflikte thematisieren sowie zur Landtagswahl antreten. Ein Besuch mit Untertönen
Aydin Bük, Aydin Hancioglu, Kadir Ünal und Abdullah Baris waren politisch noch nie aktiv. Jetzt haben sie den neuen Regionalverband Schwaben der „AD Demokraten“mit gegründet. Ein Werbeflyer zählt auf: gerechtes Steuersystem, Bankenaufsicht, Chancengleichheit für Migranten, Doppelpass, Waffenexportkontrollen. „Stopp mit Terrorunterstützung, Assimilationspolitik, staatlicher Propaganda und eine Anerkennung aller bewiesenen Völkermorde“– das sind ebenfalls Stichpunkte des vorläufigen Wahlprogramms.
Es seien die rassistischen Ausfälle der AfD und antitürkische Äußerungen in ihrem eigenen Umfeld gewesen, die für die vier Augsburger das Fass zum Überlaufen brachten, sagen sie. Am Sonntag brachten sie die erste Vorstandssitzung hinter sich. Die Stimmung ist freundlich in dem Versammlungsraum des türkischen Restaurants, dessen Name – auf Wunsch des Inhabers – nicht erwähnt werden soll.
Der neue Regionalverband hat 40 Mitglieder, für den bayerischen Landesverband muss er 1330 Unterschriften sammeln, damit Kandidaten zur Landtagswahl angemeldet werden können. Der Wirtschaftsingenieur und Qualitätsmanager Aydin Bük ist Erster Vorsitzender. Die Eltern kamen 1967 nach Deutschland, die Mutter war bei Minox in Wetzlar, sein Vater bei einem Spanplattenhersteller angestellt. „Sie erzählten uns, wie es den Gastarbeitern in den Fabriken erging. Ich glaube, Politiker haben heute zu solchen einfachen Menschen keine Verbindung mehr, vor allem nicht zu denen mit komplizierten Namen und Einwanderungsgeschichte.“Das will er ändern.
Auch ihn selbst traf die Diskriminierung, seine ersten Schuljahre verbrachte er in einer Sonderschule. „Dass ich dort nicht hingehörte, war schnell klar. Ich übersprang mehrere Klassen, war sehr gut in Mathe, machte schließlich doch Abitur und studierte“, berichtet er. Diese Ungleichbehandlung allein wegen der Herkunft ärgert Bük. Und sie sorge unter vielen Einwanderern für Politikverdrossenheit, sagt er. Andere Parteien seien hier gescheitert. Er spricht den Namen nicht aus, aber auch der „bekannte türkeistämmige Grüne“im Bundestag habe nichts für Migranten getan, im Gegenteil für Spaltung gesorgt. Metin Isik, der Generalsekretär aus Füssen, sagt, die AD-Demokraten seien für den Frieden.
In Schwaben ist man sich noch nicht ganz einig, wie viel Bedeutung türkische Themen haben sollen. Mit Erdogan, das beteuern die Augsburger, wollen sie auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Geld fließe keines und auch sonst gebe es keine Unterstützung aus Ankara.
Doch schon der bayerische Landesverband bezog sich bei seiner Gründung Ende 2017 auf das deutsch-türkische Verhältnis und gab an, Deutschland mische sich zu sehr in Angelegenheiten der Türkei ein. Der Augsburger Kadir Ünal, Zweiter Bayern-Vorsitzender, bezeichnet sich offen als Erdogan-Anhänger. Einen Kunden habe er aus diesem Grund bereits verloren, empört sich der gelernte Kaufmann. Trotzdem seien ihm in Augsburg die Qualität der Kitas und die Arbeitsplätze bei Aerotec wichtiger als Erdogan.
Aydin Hancioglu, der Zweite Vorsitzende des Regionalverbandes, hat versucht, in der CDU aktiv zu werden. In Baden-Württemberg wollte er in einen Ortsverband eintreten, wurde jedoch abgelehnt. Er sei ja Türke. Bis heute wundert sich der Telekomtechniker über diesen Alltagsrassismus. „Erstens bin ich gar kein Türke und zweitens hatte ich ja auch da schon den deutschen Pass.“
Die führenden Köpfe der Partei und die meisten Mitglieder sind allerdings türkeistämmig. Der Unternehmer Remzi Aru und der Anwalt Ramazan Akbas gründeten die AD Demokraten als Antwort auf die Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich. Zuletzt veröffentlichte die Partei eine Mitteilung, in der die AD Demokraten der türkischen Armee gratulieren. Sie eile den Kurden in Syrien „zu Hilfe“, weswegen diese bald von „Terroristen“befreit seien.
Was halten die Augsburger davon, dass ihre Partei öffentlich und offensiv türkische Kriegsinteressen vertritt? Die Pressemitteilung selbst kenne er nicht, der Regionalverband habe mit dem Bundesverband nichts zu tun, erklärt Bük überraschend. Parteikollege und Schatzmeister Ismail Tourkan aus Meitingen sowie Hancioglu hingegen distanzieren sich vehement und wollen jetzt herausfinden, wie es zu diesem Statement kam.
Dann wird es laut: Fünf der acht Anwesenden empören sich, vor allem vermuten sie eine antitürkische Verschwörung der Medien. Einer der Parteibeisitzer verlangt auf Türkisch, gegen Geld einen „richtigen“Journalisten zu bestellen. „Diese hier hat doch eindeutig den Auftrag, unsere Partei zu zerstören“, ruft er. Tumult, das Gespräch kommt zum Erliegen. Beinah schon türkische Verhältnisse an diesem Sonntagabend. Auch ganz ohne Erdogan.