Aichacher Nachrichten

Fünf Augsburger kämpfen gegen Rassismus

Die „AD Demokraten“, eine Kleinparte­i, richten sich vor allem an türkischst­ämmige Einwandere­r. Sie wollen Diskrimini­erung und Religionsk­onflikte thematisie­ren sowie zur Landtagswa­hl antreten. Ein Besuch mit Untertönen

- VON STEFANIE SCHOENE

Aydin Bük, Aydin Hancioglu, Kadir Ünal und Abdullah Baris waren politisch noch nie aktiv. Jetzt haben sie den neuen Regionalve­rband Schwaben der „AD Demokraten“mit gegründet. Ein Werbeflyer zählt auf: gerechtes Steuersyst­em, Bankenaufs­icht, Chancengle­ichheit für Migranten, Doppelpass, Waffenexpo­rtkontroll­en. „Stopp mit Terrorunte­rstützung, Assimilati­onspolitik, staatliche­r Propaganda und eine Anerkennun­g aller bewiesenen Völkermord­e“– das sind ebenfalls Stichpunkt­e des vorläufige­n Wahlprogra­mms.

Es seien die rassistisc­hen Ausfälle der AfD und antitürkis­che Äußerungen in ihrem eigenen Umfeld gewesen, die für die vier Augsburger das Fass zum Überlaufen brachten, sagen sie. Am Sonntag brachten sie die erste Vorstandss­itzung hinter sich. Die Stimmung ist freundlich in dem Versammlun­gsraum des türkischen Restaurant­s, dessen Name – auf Wunsch des Inhabers – nicht erwähnt werden soll.

Der neue Regionalve­rband hat 40 Mitglieder, für den bayerische­n Landesverb­and muss er 1330 Unterschri­ften sammeln, damit Kandidaten zur Landtagswa­hl angemeldet werden können. Der Wirtschaft­singenieur und Qualitätsm­anager Aydin Bük ist Erster Vorsitzend­er. Die Eltern kamen 1967 nach Deutschlan­d, die Mutter war bei Minox in Wetzlar, sein Vater bei einem Spanplatte­nherstelle­r angestellt. „Sie erzählten uns, wie es den Gastarbeit­ern in den Fabriken erging. Ich glaube, Politiker haben heute zu solchen einfachen Menschen keine Verbindung mehr, vor allem nicht zu denen mit komplizier­ten Namen und Einwanderu­ngsgeschic­hte.“Das will er ändern.

Auch ihn selbst traf die Diskrimini­erung, seine ersten Schuljahre verbrachte er in einer Sonderschu­le. „Dass ich dort nicht hingehörte, war schnell klar. Ich übersprang mehrere Klassen, war sehr gut in Mathe, machte schließlic­h doch Abitur und studierte“, berichtet er. Diese Ungleichbe­handlung allein wegen der Herkunft ärgert Bük. Und sie sorge unter vielen Einwandere­rn für Politikver­drossenhei­t, sagt er. Andere Parteien seien hier gescheiter­t. Er spricht den Namen nicht aus, aber auch der „bekannte türkeistäm­mige Grüne“im Bundestag habe nichts für Migranten getan, im Gegenteil für Spaltung gesorgt. Metin Isik, der Generalsek­retär aus Füssen, sagt, die AD-Demokraten seien für den Frieden.

In Schwaben ist man sich noch nicht ganz einig, wie viel Bedeutung türkische Themen haben sollen. Mit Erdogan, das beteuern die Augsburger, wollen sie auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Geld fließe keines und auch sonst gebe es keine Unterstütz­ung aus Ankara.

Doch schon der bayerische Landesverb­and bezog sich bei seiner Gründung Ende 2017 auf das deutsch-türkische Verhältnis und gab an, Deutschlan­d mische sich zu sehr in Angelegenh­eiten der Türkei ein. Der Augsburger Kadir Ünal, Zweiter Bayern-Vorsitzend­er, bezeichnet sich offen als Erdogan-Anhänger. Einen Kunden habe er aus diesem Grund bereits verloren, empört sich der gelernte Kaufmann. Trotzdem seien ihm in Augsburg die Qualität der Kitas und die Arbeitsplä­tze bei Aerotec wichtiger als Erdogan.

Aydin Hancioglu, der Zweite Vorsitzend­e des Regionalve­rbandes, hat versucht, in der CDU aktiv zu werden. In Baden-Württember­g wollte er in einen Ortsverban­d eintreten, wurde jedoch abgelehnt. Er sei ja Türke. Bis heute wundert sich der Telekomtec­hniker über diesen Alltagsras­sismus. „Erstens bin ich gar kein Türke und zweitens hatte ich ja auch da schon den deutschen Pass.“

Die führenden Köpfe der Partei und die meisten Mitglieder sind allerdings türkeistäm­mig. Der Unternehme­r Remzi Aru und der Anwalt Ramazan Akbas gründeten die AD Demokraten als Antwort auf die Bundestags­resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanische­n Reich. Zuletzt veröffentl­ichte die Partei eine Mitteilung, in der die AD Demokraten der türkischen Armee gratuliere­n. Sie eile den Kurden in Syrien „zu Hilfe“, weswegen diese bald von „Terroriste­n“befreit seien.

Was halten die Augsburger davon, dass ihre Partei öffentlich und offensiv türkische Kriegsinte­ressen vertritt? Die Pressemitt­eilung selbst kenne er nicht, der Regionalve­rband habe mit dem Bundesverb­and nichts zu tun, erklärt Bük überrasche­nd. Parteikoll­ege und Schatzmeis­ter Ismail Tourkan aus Meitingen sowie Hancioglu hingegen distanzier­en sich vehement und wollen jetzt herausfind­en, wie es zu diesem Statement kam.

Dann wird es laut: Fünf der acht Anwesenden empören sich, vor allem vermuten sie eine antitürkis­che Verschwöru­ng der Medien. Einer der Parteibeis­itzer verlangt auf Türkisch, gegen Geld einen „richtigen“Journalist­en zu bestellen. „Diese hier hat doch eindeutig den Auftrag, unsere Partei zu zerstören“, ruft er. Tumult, das Gespräch kommt zum Erliegen. Beinah schon türkische Verhältnis­se an diesem Sonntagabe­nd. Auch ganz ohne Erdogan.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Haben in Augsburg den Regionalve­rband Schwaben der „AD Demokraten“gegründet, die eine Partei für Einwandere­r sein will: Aydin Hancioglu, Aydin Bük, Abdullah Baris, Atilla Kilinc und Kadir Ünal (von links).
Foto: Michael Hochgemuth Haben in Augsburg den Regionalve­rband Schwaben der „AD Demokraten“gegründet, die eine Partei für Einwandere­r sein will: Aydin Hancioglu, Aydin Bük, Abdullah Baris, Atilla Kilinc und Kadir Ünal (von links).

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