Klinikum nimmt nur noch Notfälle auf
Wegen der Grippewelle und vieler kranker Mitarbeiter schlägt das Großkrankenhaus Alarm. Es werden nur noch akute Fälle behandelt und bereits behandelte Patienten so schnell wie möglich wieder entlassen
Wegen der Grippewelle und vieler kranker Mitarbeiter schlägt das Augsburger Klinikum jetzt Alarm: Im Großkrankenhaus werden nur noch akute Fälle behandelt und bereits behandelte Patienten so schnell wie möglich wieder entlassen.
Region Die Situation aufgrund der Grippewelle hat sich am Augsburger Klinikum massiv verschärft: Das Großkrankenhaus hat alle aufschiebbaren Eingriffe für die nächsten Tage abgesagt. Man brauche die Kapazitäten, um die Notfallpatienten versorgen zu können. „Derzeit sind die Versorgungskapazitäten vollständig erschöpft“, erklärte der Vorstand des 1450-Betten-Hauses. Grund für den Engpass ist die hohe Patientenzahl wegen der Grippewelle. Hinzu kommt, dass viele Mitarbeiter ebenfalls grippe- oder erkältungsbedingt ausfallen. Und das, nachdem das Klinikum ohnehin Probleme hat, Personal zu finden.
Der Engpass hatte sich schon seit einigen Tagen abgezeichnet (wir berichteten), am Dienstag zog die Krankenhausleitung dann die Notbremse. Neben der Absage aller verschiebbaren Eingriffe wurde angeordnet, dass es keine Einzelzimmerbelegung für Privatpatienten mehr gibt – diese Zimmer werden jetzt in der Standardbelegung mit zwei Betten betrieben, um die Kapazität zu erhöhen. Zudem müssen Patienten entlassen werden, sobald es medizinisch verantwortbar ist.
Dies dürfte vor allem ältere Patienten treffen, die medizinisch als austherapiert gelten, aber noch so wackelig auf den Beinen sind, dass sie zu Hause Schwierigkeiten haben. Diese versuche man normalerweise einen oder zwei Tage länger im Krankenhaus zu behalten, sagt Ärztlicher Vorstand Prof. Michael Beyer. Angesichts der Engpässe müsse man diese Patienten aber entlassen. „Wir haben mit den Einrichtungen der Kurzzeitpflege Kontakt aufgenommen, wobei diese auch unter Personalmangel leiden. Und wir gehen auf Angehörige mit der Frage zu, ob diese sich in der momentanen Situation um die Versorgung zu Hause kümmern können.“
Momentan arbeite die Belegschaft „am Anschlag“und schiebt Überstunden oder zusätzliche Schichten. Zudem verzichten Mitarbeiter aktuell darauf, Urlaub zu nehmen. Besonders die Lage im Pflegebereich sei angespannt, so die Klinikleitung. Weil auch die Kreiskrankenhäuser in der Region an der Grenze sind, gebe es kaum Möglichkeiten, Patienten zu verlegen. Im Das Klinikum als Maximalversorger darf seine Notaufnahme nicht abmelden und muss alle Patienten aus der Umgebung aufnehmen. „All diese Faktoren haben dafür gesorgt, dass das System überreizt wurde“, so Beyer. Momentan seien 96 Prozent der zur Verfügung stehenden Betten belegt. „Wir sind randvoll. Zuletzt hatten wir auch Betten auf dem Gang.“
Die Gewerkschaft Verdi hatte vor kurzem kritisiert, dass die Situation in der Notfallversorgung auch hausgemacht sei. Durch eine ständige Arbeitsverdichtung seien Ausfälle von Mitarbeitern, die beim Kontakt mit grippekranken Patienten wahrscheinlich seien, immer schwieriger auszugleichen, so Gewerkschafter Stefan Jagel. Vor Jahren wären sol- Situationen zwar noch bemerkbar, aber ausgleichbar gewesen. Verdi hatte das Klinikum im Herbst schwerpunktmäßig bestreikt, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen und den Pflegeberuf attraktiver zu machen. „Die Notfallmedizin in Schwaben ist gerade am Kippen“, so Jagel. Nötig sei eine regionale Gesundheitskonferenz.
Ärztlicher Vorstand Beyer sagt, dass die meisten Krankenhäuser inzwischen schlechter mit Situationen wie einer Grippewelle zurande kämen: „Das Thema Fachkräftemangel hat sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren verschärft. Eine Krankheitswelle kann dafür sorgen, dass das System kollabiert.“Am Klinikum gebe es eine Intensivstation, auf der acht von 42 Betten weGegenteil: gen grundsätzlichen Personalmangels gesperrt seien. Und die mit 80000 Patienten jährlich chronisch randvolle Notaufnahme wurde im vergangenen Jahr baulich erweitert, aber es gibt kein Personal, um die zusätzlichen Behandlungsplätze betreiben zu können (wir berichteten).
Bei der Bayerischen Krankenhausgesellschaft verweist man darauf, dass die Situation durch Grippe bayernweit angespannt sei. In der Tat gab es zuletzt auch von den Münchner Uniklinken Anfragen, ob man Patienten aufnehmen könne. Augsburg sei bei der Grippe im Vergleich zu anderen Landesteilen wohl etwas verzögert dran, so Eduard Fuchshuber, Sprecher der Krankenhausgesellschaft. Kliniken bliebe während Grippewellen kaum etche was anderes übrig, als aufschiebbare Eingriffe auf später zu verlegen. Krankenhäuser könnten schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht für jede Situation die Kapazitäten an Raum und Personal vorhalten. Wenn Patienten, die keine Notfälle sind, zum Hausarzt oder in die Bereitschaftspraxen gehen würden, wäre schon viel gewonnen, so Fuchshuber.
Kommende Woche will das Klinikum die Lage neu bewerten. Die jetzigen Schritte seien der Versuch, dem System einen Neustart zu ermöglichen, so Beyer. Man gehe davon aus, dass sich die Situation etwas entspannen werde. Allerdings werde man die Kapazitäten für verschiebbare Eingriffe erst nach und nach wieder hochfahren können.