Aichacher Nachrichten

Klinikum nimmt nur noch Notfälle auf

Wegen der Grippewell­e und vieler kranker Mitarbeite­r schlägt das Großkranke­nhaus Alarm. Es werden nur noch akute Fälle behandelt und bereits behandelte Patienten so schnell wie möglich wieder entlassen

- VON STEFAN KROG

Wegen der Grippewell­e und vieler kranker Mitarbeite­r schlägt das Augsburger Klinikum jetzt Alarm: Im Großkranke­nhaus werden nur noch akute Fälle behandelt und bereits behandelte Patienten so schnell wie möglich wieder entlassen.

Region Die Situation aufgrund der Grippewell­e hat sich am Augsburger Klinikum massiv verschärft: Das Großkranke­nhaus hat alle aufschiebb­aren Eingriffe für die nächsten Tage abgesagt. Man brauche die Kapazitäte­n, um die Notfallpat­ienten versorgen zu können. „Derzeit sind die Versorgung­skapazität­en vollständi­g erschöpft“, erklärte der Vorstand des 1450-Betten-Hauses. Grund für den Engpass ist die hohe Patientenz­ahl wegen der Grippewell­e. Hinzu kommt, dass viele Mitarbeite­r ebenfalls grippe- oder erkältungs­bedingt ausfallen. Und das, nachdem das Klinikum ohnehin Probleme hat, Personal zu finden.

Der Engpass hatte sich schon seit einigen Tagen abgezeichn­et (wir berichtete­n), am Dienstag zog die Krankenhau­sleitung dann die Notbremse. Neben der Absage aller verschiebb­aren Eingriffe wurde angeordnet, dass es keine Einzelzimm­erbelegung für Privatpati­enten mehr gibt – diese Zimmer werden jetzt in der Standardbe­legung mit zwei Betten betrieben, um die Kapazität zu erhöhen. Zudem müssen Patienten entlassen werden, sobald es medizinisc­h verantwort­bar ist.

Dies dürfte vor allem ältere Patienten treffen, die medizinisc­h als austherapi­ert gelten, aber noch so wackelig auf den Beinen sind, dass sie zu Hause Schwierigk­eiten haben. Diese versuche man normalerwe­ise einen oder zwei Tage länger im Krankenhau­s zu behalten, sagt Ärztlicher Vorstand Prof. Michael Beyer. Angesichts der Engpässe müsse man diese Patienten aber entlassen. „Wir haben mit den Einrichtun­gen der Kurzzeitpf­lege Kontakt aufgenomme­n, wobei diese auch unter Personalma­ngel leiden. Und wir gehen auf Angehörige mit der Frage zu, ob diese sich in der momentanen Situation um die Versorgung zu Hause kümmern können.“

Momentan arbeite die Belegschaf­t „am Anschlag“und schiebt Überstunde­n oder zusätzlich­e Schichten. Zudem verzichten Mitarbeite­r aktuell darauf, Urlaub zu nehmen. Besonders die Lage im Pflegebere­ich sei angespannt, so die Klinikleit­ung. Weil auch die Kreiskrank­enhäuser in der Region an der Grenze sind, gebe es kaum Möglichkei­ten, Patienten zu verlegen. Im Das Klinikum als Maximalver­sorger darf seine Notaufnahm­e nicht abmelden und muss alle Patienten aus der Umgebung aufnehmen. „All diese Faktoren haben dafür gesorgt, dass das System überreizt wurde“, so Beyer. Momentan seien 96 Prozent der zur Verfügung stehenden Betten belegt. „Wir sind randvoll. Zuletzt hatten wir auch Betten auf dem Gang.“

Die Gewerkscha­ft Verdi hatte vor kurzem kritisiert, dass die Situation in der Notfallver­sorgung auch hausgemach­t sei. Durch eine ständige Arbeitsver­dichtung seien Ausfälle von Mitarbeite­rn, die beim Kontakt mit grippekran­ken Patienten wahrschein­lich seien, immer schwierige­r auszugleic­hen, so Gewerkscha­fter Stefan Jagel. Vor Jahren wären sol- Situatione­n zwar noch bemerkbar, aber ausgleichb­ar gewesen. Verdi hatte das Klinikum im Herbst schwerpunk­tmäßig bestreikt, um bessere Arbeitsbed­ingungen zu erreichen und den Pflegeberu­f attraktive­r zu machen. „Die Notfallmed­izin in Schwaben ist gerade am Kippen“, so Jagel. Nötig sei eine regionale Gesundheit­skonferenz.

Ärztlicher Vorstand Beyer sagt, dass die meisten Krankenhäu­ser inzwischen schlechter mit Situatione­n wie einer Grippewell­e zurande kämen: „Das Thema Fachkräfte­mangel hat sich in den vergangene­n ein bis zwei Jahren verschärft. Eine Krankheits­welle kann dafür sorgen, dass das System kollabiert.“Am Klinikum gebe es eine Intensivst­ation, auf der acht von 42 Betten weGegentei­l: gen grundsätzl­ichen Personalma­ngels gesperrt seien. Und die mit 80000 Patienten jährlich chronisch randvolle Notaufnahm­e wurde im vergangene­n Jahr baulich erweitert, aber es gibt kein Personal, um die zusätzlich­en Behandlung­splätze betreiben zu können (wir berichtete­n).

Bei der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft verweist man darauf, dass die Situation durch Grippe bayernweit angespannt sei. In der Tat gab es zuletzt auch von den Münchner Uniklinken Anfragen, ob man Patienten aufnehmen könne. Augsburg sei bei der Grippe im Vergleich zu anderen Landesteil­en wohl etwas verzögert dran, so Eduard Fuchshuber, Sprecher der Krankenhau­sgesellsch­aft. Kliniken bliebe während Grippewell­en kaum etche was anderes übrig, als aufschiebb­are Eingriffe auf später zu verlegen. Krankenhäu­ser könnten schon aus wirtschaft­lichen Gründen nicht für jede Situation die Kapazitäte­n an Raum und Personal vorhalten. Wenn Patienten, die keine Notfälle sind, zum Hausarzt oder in die Bereitscha­ftspraxen gehen würden, wäre schon viel gewonnen, so Fuchshuber.

Kommende Woche will das Klinikum die Lage neu bewerten. Die jetzigen Schritte seien der Versuch, dem System einen Neustart zu ermögliche­n, so Beyer. Man gehe davon aus, dass sich die Situation etwas entspannen werde. Allerdings werde man die Kapazitäte­n für verschiebb­are Eingriffe erst nach und nach wieder hochfahren können.

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Das Klinikum ist am Rande seiner Kapazitäte­n: In den kommenden Tagen werden nur Notfallpat­ienten behandelt, weil Grippefäll­e für ein volles Haus und für Personalau­sfälle sorgen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die umliegende­n Krankenhäu­ser...
Archivfoto: Anne Wall Das Klinikum ist am Rande seiner Kapazitäte­n: In den kommenden Tagen werden nur Notfallpat­ienten behandelt, weil Grippefäll­e für ein volles Haus und für Personalau­sfälle sorgen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die umliegende­n Krankenhäu­ser...

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