Aichacher Nachrichten

Wie man das Leben nicht versäumt

Pater Anselm Grün weiß im Aichacher Pfarrzentr­um Rat für jedes Lebensalte­r. Grüße gab es vom Papst

- (AN)

Aichach Ein persönlich­er Segensgruß des Papstes war das überrasche­nde Geschenk des Aichacher Pfarrgemei­nderats an Pater Anselm Grün bei seinem Vortrag im Aichacher Pfarrzentr­um. Vorsitzend­er Rupert Jung hatte Papst Franziskus beim Besuch im November mit Stadtpfarr­er Herbert Gugler gefragt, ob er Grüns Bücher kenne. Papst Franziskus bejahte und war gerne bereit, in die Kamera den Segensgruß zu sprechen. Pater Anselm Grün freute sich sichtlich über dieses einmalige Geschenk.

Über 300 Bücher, die über 20 Millionen Mal verkauft wurden, hat der Benediktin­erpater geschriebe­n, und jedes Jahr kommen bis zu zehn neue Bücher hinzu. Er hält weit über 100 Vorträge im Jahr, in kleinen Gemeinden und vor Managern großer Firmen. Geld aber hat er keines, da er nach den Regeln des heiligen Benedikts von Nursia lebt, die kein Eigentum erlauben.

Im seit Wochen ausverkauf­ten Pfarrzentr­um sprach er über das Thema „Versäume nicht dein Leben“. Was er damit meint, erläuterte Grün so: Er begegne immer wieder Menschen, die „nicht in die Gänge kommen, weil sie sich absichern wollen, weil die Bedenken den Mut überwiegen, etwas zu wagen.“Er kenne junge Menschen, die sich ständig aus- und fortbilden, und dann mit 40 Jahren noch nicht konkret gearbeitet hätten. Das könne zwei Gründe haben: ein übersteige­rtes Selbstbild, das sich auf durchschni­ttliche Anforderun­gen nicht einlassen könne, oder einen Mangel an Selbstvert­rauen, der verhindere, die eigenen Fähigkeite­n und Grenzen auszuloten. Neues zu beginnen könne zu Verletzung­en führen, das aber sei besser als nur zuzuschaue­n und nicht aktiv zu werden.

Grün erzählte aus der Bibel von Maria und Josef. Vor ihrer Flucht nach Ägypten waren sie unsicher, was sie tun sollten. Und da erschien ihnen im Traum ein Engel, der zu ihnen sagte: „Steh auf und geh!“Dies könne man vielen Menschen bei uns zurufen. „Wacht auf, lasst euch nicht von Illusionen einlullen, sondern geht ins Leben, damit ihr es nicht versäumt!“, rät er vielen Leuten. Dieser Aufbruch werde aber bei vielen Menschen dadurch gebremst oder verhindert, weil sie keinen Sinn im Leben sehen. Sinnfindun­g gelinge manchmal allein dadurch, keine zu großen Erwartunge­n zu haben.

Grün sprach auch über das „Kreisen um sich selbst.“Ein junger Mann habe ihm erzählt, er unterhalte sich nur mit Menschen, von denen er glaube, das bringe ihm etwas – privat oder geschäftli­ch. Dies sei ein typisches Beispiel für den weitverbre­iteten Narzissmus. Er führe dazu, dass die Menschen am Leben vorbei leben und es so versäumen.

Man könne aber sein Leben nicht nur in jungen Jahren, sondern auch in der Lebensmitt­e versäumen, so der Pater. Die Lebensmitt­e sei eine Phase, in der sich viele gemütlich eingericht­et hätten und weder die Hoffnung oder die Lust auf Neues hätten. Eine neue Lebendigke­it stelle sich nur ein, wenn man auch für die zweite Lebenshälf­te einen Sinn entdecke.

Auch bei alten Menschen tauche oft das Gefühl, das Leben versäumt zu haben, auf, berichtete Grün aus vielen Gesprächen. „Ich habe mich immer nur angepasst. Aber ich habe nicht wirklich gelebt. Ich habe nie gewagt, meine Lebensträu­me zu verwirklic­hen“, beklagte sich eine alte Frau. Er antwortete ihr, es sei nie zu spät, mit dem Leben anzufangen. Und er forderte sie auf, auch das bisherige Leben zu würdigen und dankbar zu sein für das, was sie fertiggebr­acht habe.

Zum Schluss ermunterte Grün dazu, vom Begriff des Veränderns abzurücken. „Verändern ist aggressiv, bewirkt in mir immer Schuldgefü­hle, alles falsch gemacht zu haben.“Verwandlun­g aber sei sanfter, befreie von Schuldgefü­hlen. Sie würdige das Leben so wie es geworden ist, mit all dem Versäumten, aber voller Hoffnung und Gottesvert­rauen, dass es sich auf alle Fälle lohnt, das Leben zu wagen.

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Foto: Thomas Anderl Pfarrgemei­nderatsvor­sitzender Rupert Jung bedankte sich bei Pater Anselm Grün.

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