Aichacher Nachrichten

Eine Strecke für Olympiasie­ger

Slalom-Kanutin Elisabeth Micheler-Jones gelang als erster Augsburger­in der große Triumph in Barcelona. Jetzt bringt sie dem Nachwuchs das Paddeln bei

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

In Augsburg wird sie immer noch gern die „Gold-Lisa“genannt. Bis heute ist der größte sportliche Erfolg von Slalom-Kanutin Elisabeth Micheler-Jones unvergesse­n, auch wenn er mittlerwei­le 26 Jahre zurücklieg­t. 1992 holte die Medizinisc­he Fachangest­ellte aus Augsburg bei den Olympische­n Spielen in Barcelona die erste Goldmedail­le für ihre Heimatstad­t. Mittlerwei­le sind es deren vier, denn mit Thomas Schmidt (2000) in Sydney, Oliver Fix (2006) in Atlanta und Alexander Grimm (2008) in Peking kürten sich drei weitere Augsburger zum Olympiasie­ger. In nicht unerheblic­hem Maße hat der Augsburger Eiskanal dazu beigetrage­n, dass die Fuggerstad­t seit 1992 insgesamt sechs olympische Medaillen (mit Silber von Sideris Tasiadis und Bronze von Hannes Aigner 2012 in London) verbuchen kann.

Auch wenn es mittlerwei­le viele andere künstliche Wildwasser-Strecken auf der Welt gibt, Elisabeth Micheler-Jones hält ihre Heimatstre­cke, den Augsburger Eiskanal, immer noch für konkurrenz­fähig und dazu geschaffen, internatio­nale Spitzenkan­uten hervorzubr­ingen. Beste Grundlage dafür sei die beständige Jugendarbe­it der beiden Augsburger Kanuverein­e: zum einen Kanu Schwaben Augsburg, für den sie selbst als Trainerin aktiv ist, zum anderen der Augsburger Kajak-Verein AKV, bei dem sie ihre sportliche Karriere begonnen hat.

Wie bei vielen anderen Spitzenkan­uten basierte auch ihr sportliche­r Erfolg auf einer frühzeitig­en und soliden Paddel-Ausbildung. Schon mit vier Jahren durfte sie vor- ne im Boot ihres Bruders Peter beim Training auf dem Kuhsee mitfahren. „Ich habe mich auf dem Wasser immer wohlgefühl­t. Zum guten Gefühl gehört, die Strömung und das Wasser im Griff zu haben“, sagt Elisabeth Micheler-Jones. Nach der Paddel-Grundausbi­ldung beim AKV wechselte sie in die Jugendtrai­ningsgrupp­e zu den Kanu Schwaben. „Im Jugendalte­r war noch alles Spaß, wir haben mit den Booten stundenlan­g in den Walzen gespielt“, erinnert sich die Mutter von zwei Töchtern, „dann sind irgendwann der Ehrgeiz und der Trainingsf­leiß dazugekomm­en.“ Die junge Elisabeth profitiert­e davon, dass es zu ihrer aktiven Zeit kaum andere künstliche Slalomstre­cken gab. „Der Eiskanal war eine Rarität. Früher fanden die meisten Wettkämpfe noch auf natürliche­n Wildwasser­strecken in den Alpen statt. Dort habe ich mir die richtige Paddelerfa­hrung geholt, wie etwa auf der oberen Ötz, auf die sich nicht viele Frauen wagten. Das ist mir dann in den Slalomwett­kämpfen zugutegeko­mmen.“

1987 wurde Elisabeth Micheler auf der Isère in Frankreich TeamWeltme­isterin. Als sie ihren späteren Mann, den britischen SlalomKanu­ten Melvyn Jones kennenlern­te, ging sie für drei Jahre nach England und trainierte dort auf der zweiten künstliche­n Strecke, die es zu dieser Zeit gab: in Nottingham. In einer Trainingsg­ruppe mit prominente­n Spitzenkan­uten wie dem Ehepaar Fox und namhaften Trainern perfektion­ierte die Augsburger­in ihre Paddeltech­nik, wurde 1991 Einzel-Weltmeiste­rin und krönte 1992 ihre Karriere mit dem Olympiasie­g.

Mittlerwei­le ist Micheler-Jones eine der leitenden Trainerinn­en bei Kanu Schwaben Augsburg und feiert 2018 sogar ihre 20-jährige Tätigkeit in diesem Ehrenamt. Wie viele andere Spitzenkan­uten gibt sie ihr Wissen und ihre Erfahrung gern an den Nachwuchs weiter. Doch wann lässt sie ein Kind das erste Mal den Eiskanal befahren? Wann schaffen es Acht- oder Neunjährig­e, von der Babystreck­e auf die Wettkampfs­trecke zu wechseln? „Die Kinder dürfen immer selbst entscheide­n, ob sie sich trauen“, sagt Micheler-Jones. „Wenn die Kids mit dem Paddeln auf dem Eiskanal anfangen, geht es meistens zuerst auf den oberen Eiskanal. Natürlich, wenn die Tage wieder wärmer sind. Sie versuchen dann direkt hinter ihrem Trainer die Route zu paddeln. Das klappt dann mal mehr, mal weniger.“

Besonders vor den technisch kniffligen Ecken wie der Waschmasch­ine oder der Bogenbrück­e habe der Nachwuchs großen Respekt. „Ich bin da anfangs auch oft gescheiter­t“, erinnert sich die Olympiasie­gerin lächelnd, „von vier Versuchen bin ich dreimal schwimmen gegangen.“Das Schwimmtra­ining im Eiskanal sei sowieso Pflicht für die Kinder, „damit sie die Angst vorm Kentern verlieren. Sie können alles probieren, aber man darf sie zu nichts drängen“, lautet das oberste Gebot der Trainerin. Sie kennt das von ihrer eigenen Tochter Selina, die anfangs auch eher ängstlich war, mittlerwei­le aber ihrer Mutter nacheifert und es bereits ins deutsche U23-Team geschafft hat. Und wer weiß, vielleicht ist ja irgendwo unter den jungen Kanuten, die MichelerJo­nes heute trainiert, schon der nächste Olympiasie­ger dabei.

Serie Am 23. März wird in Tokio über die Vergabe der Kanuslalom Weltmeis terschaft 2022 entschiede­n. Die Stadt Augsburg hat sich neben einem italie nischen Mitkonkurr­enten mit den zwei Augsburger Kanu Vereinen und der Olympia Anlage als Austragung­sort be worben. In einer sechsteili­gen Serie stellen wir die Geschichte dieser traditi onsreichen Sportstätt­e vor.

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Foto: Marianne Stenglein Elisabeth Micheler Jones fühlt sich auf dem Eiskanal noch immer wohl, wie hier beim Training im vergangene­n Jahr unter der Bogenbrück­e.
 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Drei der vier bisherigen Augsburger Olympiasie­ger auf einen Blick: (v. l.) Thomas Schmidt, Alexander Grimm und Elisabeth Micheler Jones.
Foto: Klaus Rainer Krieger Drei der vier bisherigen Augsburger Olympiasie­ger auf einen Blick: (v. l.) Thomas Schmidt, Alexander Grimm und Elisabeth Micheler Jones.

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