Aichacher Nachrichten

Als die Sänger noch mit der Kutsche reisten

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Diesen Festakt im Rathaus hat sich der Philharmon­ische Chor verdient. Er blickt auf 175 Jahre Vereinsges­chichte zurück. Was für ein Zeitraum! Und wenn man sich vorstellt, dass zur Vereinsgrü­ndung um 1843 gerade erst die Eisenbahn-Linien entstanden, dass die Mitglieder der Augsburger Liedertafe­l, so hieß der Chor damals, eben auch in Kutschen reisen mussten, erkennt man, wie vielen tief greifenden Veränderun­gen und Umbrüchen der Chor schon getrotzt hat.

Damals gab es keine Schallplat­ten, kein Radio, keine vervielfäl­tigte Musik. Wer Beethovens große Orchesterw­erke hören wollte, musste auf Reisen gehen. In Augsburg wurden sie nicht gespielt, weil es damals kein Orchester gab. Die Augsburger Philharmon­iker wurden erst 1865 gegründet.

Heute muss man sich nicht einmal mehr eine CD kaufen, heute streamt man so gut wie alle Musik einfach im Internet. Schon das zeigt, wie viele technische Revolution­en sich in diesen 175 Jahren ereignet haben – immer begleitet auch von gesellscha­ftlichen Veränderun­gen. Gleichzeit­ig hat dieser Chor dem allen getrotzt.

Die technische Entwicklun­g ist ja nicht an ein Ende gekommen. Als Uwe Wittstock im Brechthaus sein biografisc­hes Buch über Karl Marx vorstellte, diskutiert­en Gäste zuvor über die Umbrüche im Buchmarkt und den Verlust von Millionen Lesern im letzten Jahrzehnt. Was für ein Umbruch bahnt sich da an? Endet das Buch-Zeitalter? Ein Seitenblic­k auf den philharmon­ischen Chor lehrt einen Gelassenhe­it. Es wird auch weiterhin Leser geben, so wie es auch weiterhin Sänger und Sängerinne­n gibt, die auf dieses Glück nicht verzichten möchten.

*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany