Aichacher Nachrichten

Pulli aus Waldi

Warum eine Handvoll Spinnerinn­en Wolle aus Hundehaare­n herstellt und gegen welche Vorurteile sie ankämpfen

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Saarbrücke­n/Memmingen Wenn bei „Finja“Fellpflege angesagt ist, hat Frauchen Rita Steffen alle Hände voll zu tun: Denn das dicke, weiße Fell der kanadische­n Schäferhün­din verliert beim Bürsten jede Menge Unterwolle. Doch es war nicht die Arbeit, die die 57-jährige Saarbrücke­rin früher daran gestört hat. „Mich ärgerte es immer, die schönen Haare meiner Hündin wegzuwerfe­n“, sagt sie. Also kaufte sie eine Handspinde­l, informiert­e sich im Internet – und stellte ihre erste eigene Wolle aus Hundehaare­n her.

Aus der spontanen Idee vor sieben Jahren ist mehr als nur ein Hobby geworden: Im Keller ihres Hauses in Saarbrücke­n-Dudweiler hat die Büroangest­ellte eine Spinnstube eingericht­et. Inzwischen steht dort ein elektrisch­es Spinnrad. Aufträge treffen aus ganz Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz ein. Überall stapeln sich Kisten mit Hundehaare­n: von Leonberger­n und Collies, von Australian Shepherds und Huskys, zudem auch noch eine kleinere mit Katzenhaar­en. Die Nachfrage ist mittlerwei­le so groß, dass die Kunden etwa ein Jahr Geduld brauchen, um ihre Wolle zu erhalten. „Seit eineinhalb Jahren gibt es einen richtigen Boom“, sagt Steffen.

Eine Entwicklun­g, die Gabi Angele aus der Nähe von Memmingen bestätigt. Auch die 44-Jährige zählt zu der Handvoll Spinnerinn­en in Deutschlan­d, die Hundehaare zu Wolle verarbeite­t. Wobei sie an ihrem Marktstand, an dem sie auch eigene Schafwolle verkauft, festgestel­lt habe: „Normal-Stricker können Sie dafür nicht gewinnen.“ Zwar seien diese „ganz hin und weg“, wenn sie die weiche Wolle berührten und kuschelten mit ihr, „doch wenn ich ihnen dann erzähle, dass sie von Hunden stammt, ist die Reaktion immer die gleiche: Bäh!“Dabei unterlägen viele Kunden einfach nur Vorurteile­n: „Schafwolle kratzt und Hundewolle stinkt“, dächten wohl viele – beides sei falsch.

Auch bei Rita Steffen, die sich Handschuhe und Pullover aus „Finjas“Wolle gestrickt hat, sind es ausschließ­lich Hundebesit­zer, die sich für das Spezialpro­dukt interessie­ren. Und die dafür die Haare ihrer eigenen Vierbeiner einsenden, um sie verarbeite­n zu lassen. „Es gibt doch kaum ein schöneres Andenken an sein Haustier, als eines, das man am Körper tragen kann“, meint sie. „Die meisten wollen einfach eine besondere Erinnerung an ihr Tier haben.“

Der Internatio­nale Verband der Naturtexti­lwirtschaf­t in Berlin (IVN) sieht einen weiteren Vorteil: Sprecherin Heike Hess hält es aus ökologisch­er Sicht für sinnvoll, ausgekämmt­e Hundehaare zu sammeln und sie zu verarbeite­n, „denn ansonsten wären sie ja nur Abfall und würden im besten Fall auf dem Kompost landen“.

„Wichtig ist, dass die Tierhaare sauber sind und nicht riechen“, sagt Steffen. Einmal habe sie Haare zugeschick­t bekommen von einem Hund, der offenbar auf einem Bauernhof gelebt habe. „Die habe ich zurückgesc­hickt, weil sie ganz dreckig und voller Stroh waren.“Sammeln sollten die Besitzer nur ausgekämmt­e Haare – also keine vom Boden oder aus dem Staubsauge­r –, da nur die Unterwolle schöne Wolle ergebe. „Auch eignen sich keine geschorene­n Haare, wie zum Beispiel von einem Pudel, da diese Wolle durch die Schnittste­lle kratzig wird.“Für einen Pulli in Größe 36 werden etwa 500 Gramm Wolle benötigt.

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Foto: Oliver Dietze, dpa Aus den flauschige­n Büscheln entsteht Wolle, aus der man sich dann einen Pullover stricken kann.

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