Aichacher Nachrichten

Früher Bauern, heute Unternehme­r

Vor 150 Jahren wurde die Landwirtsc­haftsschul­e Augsburg als eine der ersten überhaupt gegründet. Die Aufgaben haben sich seitdem genauso geändert wie die Agrarwelt selbst. Ein Blick in die Vergangenh­eit und in die Zukunft

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Vor 150 Jahren wurde die Landwirtsc­haftsschul­e Augsburg als eine der ersten überhaupt gegründet. Aufgaben und Fächer haben sich seitdem genauso geändert wie die Agrarwelt selbst. Ein Blick in die Vergangenh­eit und in die Zukunft.

Stadtberge­n Früher waren Deutsche Sprache, Rechnen, Religion, Naturlehre, Wald- und Obstbau sowie Tierheilku­nde angesagt. Heute geht es an der Landwirtsc­haftsschul­e Augsburg in Stadtberge­n vor allem um Fachwissen bis zur Globalisie­rung und das Rüstzeug, um einen Betrieb zu führen. Wie sich Unterricht und bäuerliche Welt verändert haben, weiß Konrad Hörl. Er leitet die Schule in Stadtberge­n, die vor 150 Jahren gegründet wurde und die seitdem über 3000 Landwirte besucht haben. Haupteinzu­gsgebiet sind die Kreise Augsburg und Aichach-Friedberg und die Stadt Augsburg, wo es noch 80 Betriebe gibt.

Was stand früher auf dem Stundenpla­n?

Konrad Hörl: Das wissen wir einigermaß­en, weil wir ein altes Zeugnis aus dem Jahr 1908 haben. Darauf sind die Noten für Religion, Deutsche Sprache, Rechnen, Geometrie und Feldmessen, Naturlehre, aber auch Waldbau, Viehzucht mit Milchwirts­chaft, Buchführun­g und Tierheilku­nde festgehalt­en. Der wichtigste Unterschie­d zu heute: Es gab mehr allgemeinb­ildende Fächer.

Und heute?

Hörl: Es sind deutlich mehr Fächer. Die Betriebswi­rtschaft spielt dabei eine größere Rolle.

Landwirte bezeichnen sich heute ja als Unternehme­r.

Hörl: Ja, das ist richtig. Wir bezeichnen uns auch als Unternehme­r- oder Betriebsle­iterschule und qualifizie­ren die jungen Menschen, damit sie ihren Betrieb optimal führen können. Betriebswi­rtschaft hat insofern ein stärkeres Gewicht bekommen, weil sie sich auch intensiv mit den Perspektiv­en eines Betriebs beschäftig­t. Wo könnte ein Betrieb einmal stehen, in welche Richtung soll er sich entwickeln? Soll er mehrere Standbeine haben?

Haben Sie Beispiele?

Hörl: Drei Absolvente­n der Abschlussk­lasse haben zum Beispiel eine Biogasanla­ge, 16 haben eine Photovolta­ikanlage, ein Schüler hat eine Windkrafta­nlage, einer ein Lohnuntern­ehmen. Die Betriebe sind vielfältig aufgestell­t.

Würde sich ein Unternehme­r von heute in der Zeit zurechtfin­den, als die Schule gegründet wurde?

Hörl: Es gibt viele Veränderun­gen, wenn man alleine den technische­n Bereich anschaut. Früher wurde ja noch mit Pferden und Ochsen gearbeitet. Dann kam der Mineraldün­ger und der Pflanzensc­hutz. Zurechtfin­den würde sich ein Landwirt schon, alle sind sehr bodenständ­ig.

Die Liebe und die Leidenscha­ft für das Land sind geblieben? Hörl: Auf jeden Fall.

Wie muss man sich die Schule und den Unterricht damals vorstellen?

Hörl: Darüber wissen wir leider nicht allzu viel, weil die meisten Unterlagen bei einem Bombenangr­iff vernichtet wurden. Interessan­t ist, dass damals mit sieben Schülern der erste Kurs begonnen wurde. Nur zwei davon kamen aus dem Bereich Augsburg. Die Schule hatte ein großes Einzugsgeb­iet. Sie war ja auch eine der ersten in Schwaben. Damals ist der Gedanke erst noch gereift, dass Bildung Sinn macht. Nach und nach wurde allen klar, dass Bildung ein besonderes Pfund ist, mit dem man wuchern kann und das sich in den Betrieben bezahlt macht.

Bildung als zartes Pflänzchen, das immer größer wurde: Ist Landwirtsc­haft ohne Weiterbild­ung heute noch vorstellba­r?

Hörl: Nein. Mittlerwei­le ist es sogar so, dass in unserer Schule ein Großteil der Meisteraus­bildung absol- viert werden kann. So wird insgesamt ein noch höheres Niveau erreicht.

Der Unternehme­r, der sich rechtlich auskennt, der auf die Wetter-App schielt und aktuelle Börsenkurs­e im Auge hat: Reichen da überhaupt drei Semester?

Hörl: Sie müssen nicht das Ende der Qualifikat­ion sein. Ein Teil der Studierend­en hängt noch die Höhere Landbausch­ule an. Das sind weitere zehn bis elf Monate.

Was sind die künftigen Herausford­erungen für die Unternehme­r der Landwirtsc­haft?

Hörl: Da gibt es viele. Die wichtigste ist, seinen Betrieb in einer globalisie­rten Welt immer wieder neu zukunftsfä­hig auszuricht­en. Dazu gehört sicher auch die Produktion unter dem Klimawande­l und auch eine noch konsequent­ere Schonung der Ressourcen Boden, Wasser und Luft. Auch Tierwohl und Biodiversi­tät gehören dazu.

Was ist mit den komplizier­ten Förderstru­kturen, die sich oft ändern?

Hörl: 2021 wird es ein neues System geben. Wie es ausgeht, ist noch nicht sicher. Vermutlich bekommen die EU-Mitgliedss­taaten mehr Umsetzungs­freiräume. Das könnte für Bayern ein Vorteil sein.

Hörl: Ja, gerade in Bayern wird viel Wert auf eigene Besonderhe­iten gelegt. Heute erkennt man mehr und mehr, dass der früher empfundene strukturel­le Nachteil ein Vorteil sein kann. Mit der kleinräumi­geren Struktur zu werben kann ein Wettbewerb­svorteil sein.

Also weg von der Quantität?

Hörl: Es wird immer viele Wege geben, die zum Ziel führen. Es wird in Zukunft Betriebe mit klassische­n Arbeitsfel­dern geben und genauso Landwirte, die ihren Betrieb im Nebenerwer­b weiterführ­en oder auf ökologisch­en Landbau umstellen. Es gibt viele Möglichkei­ten, in der Landwirtsc­haft zu bleiben. Die Vielfalt ist unsere Stärke in Bayern.

Termin Am Freitag wird mit einem Festakt in Stadtberge­n an die Grün dung der Augsburger Landwirtsc­hafts schule vor 150 Jahren erinnert. Die Festrede hält der bayerische Landwirt schaftsmin­ister.

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Fotos: Marcus Merk Das ist mal ein Zeugnis! Von „Geometrie und Feldmessen“bis zur Tierheilku­nde reichten die Fächer der Absolvente­n. Aber auch Religion und Deutsche Sprache wurden be notet. Jetzt feiert die Landwirtsc­haftsschul­e ihr 150. Jubiläum – und in der Rückschau...
 ??  ?? Konrad Hörl (54) leitet die Landwirtsc­haftsschul­e seit acht Jahren. Er stammt selbst auch aus der Landwirtsc­haft.
Konrad Hörl (54) leitet die Landwirtsc­haftsschul­e seit acht Jahren. Er stammt selbst auch aus der Landwirtsc­haft.

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