Windkraft ja, aber nicht hier
Aichacher Stadtrat hebt alle drei Windkraft-Konzentrationsflächen mit 25:3-Stimmen auf. Jetzt gilt 10-H-Abstandsregel mit einem „Restrisiko“, auf das nicht nur Projektierer Uka hinweist
Der Aichacher Stadtrat hat alle drei Windkraft-Konzentrationsflächen aufgehoben. Jetzt gilt die 10-H-Abstandsregel – mit einem „Restrisiko“.
Aichach Die drei Windräder im Blumenthaler Forst, Teil des Parks mit insgesamt sechs Anlagen, bleiben zumindest vorerst die letzten auf Aichacher Stadtgebiet. Der Stadtrat hat mit 25:3-Stimmen beschlossen, die 2013 einhellig ausgewiesenen drei Windkraft-Konzentrationsflächen (insgesamt rund 200 Hektar) wieder aufzuheben. Dagegen stimmten die beiden Grünen-Stadträtinnen (Magdalena Federlin und Marion Zott) sowie Hermann Langer (CSU). Damit können die geplanten vier rund 250 Meter hohen Windmühlen im Allenberger Forst zwischen den Stadtteilen Untergriesbach, Untermauerbach und Oberwittelsbach nicht gebaut werden. Auch die Flächen westlich von Aichach zwischen dem Weiler Hiesling sowie den Hollenbacher Ortsteilen Igenhausen und Schönbach scheiden aus. Und drittens sind weitere Räder im Wald zwischen Blumenthal und Gallenbach nicht mehr möglich.
Mit Aufhebung der Vorrangflächen gilt im Stadtgebiet jetzt nämlich die 2014 von der Bayerischen Staatsregierung erlassene 10-H-Abstandsregel. Bei 250 Meter großen Windkraftanlagen müssten die eine Distanz von 2500 Metern zur nächsten Wohnbebauung einhalten. Das ist in ganz Bayern auf wenige Flächen begrenzt und auf Aichacher Flur nicht möglich. Rund 50 Zuhörer waren im Sitzungssaal – fast ausschließlich Gegner des im November bekannt gewordenen Projekts an der Kreisstraße AIC 2. Die haben sich zur Bürgerinitiative „Schutz unserer Wittelsbacher Heimat“zusammengeschlossen und demonstrierten am Samstag auf dem Stadtplatz gegen die „Riesen“vor ihrer Haustüre.
Das sächsische Unternehmen Uka, das das Projekt für eine Aichacher Bürgerenergiegesellschaft (zehn Gesellschafter mit Wohnsitz im Kreis) plant, hat den Aufhebungsbeschluss des Stadtrats laut Sprecherin Lisa Fritsch „zur Kenntnis genommen“. Uka warte vorerst ab, welche Konsequenzen die Kommune aus diesem Beschluss ziehe. Gleichzeitig weisen die Windkraft-Projektierer aus Meißen auf mögliche Konsequenzen hin, die auch in der Stadtratssitzung kurz angeschnitten wurden. Erich Echter (CWG) hatte auf ein „Restrisiko“hinwiesen, das Georg Robert Jung (FW) dagegen als „sehr gering“einstufte. Der Stadtrat wollte vor fünf Jahren mit den Konzentrationsflächen eine „Verspargelung“des Stadtgebiets verhindern: Als privilegierte Bauvorhaben hätten die Anlagen mit vergleichsweise geringem Abstand damals sonst überall im Stadtgebiet be- antragt werden können. Das könnte wieder so kommen, so Uka-Sprecherin Lisa Fritsch auf Anfrage unserer Zeitung: Sollte die 10-H-Regelung 2019 gerichtlich gekippt werden, wären Windparkplanungen mit geringem Abstand wieder im gesamten Stadtgebiet möglich. Dann müsste die Stadt die Konzentrationszonen sozusagen wieder „nachrüsten“. Laut Fritsch sind jedenfalls Gerichtsverfahren dazu anhängig. Die Bürgerenergiegesellschaft Aichach habe der Stadt bei einer Zustimmung zur Planung übrigens eine zehnprozentige Beteiligung vorgeschlagen. Aichach und seine Bürger würden also profitieren.
In der Stadtratssitzung war das Beteiligungsangebot kein Thema. Die große Mehrheit argumentierte mit der Gleichbehandlung der Bürger und mit der Hauptlinie der BI. Wenn 10 H seit 2014 in ganz Bayern möglich ist und gilt, dann müsse es den gleichen „Schutz“auch im ganzen Aichacher Stadtgebiet geben. Nahezu jeder Redebeitrag eines Befürworters der Aufhebung begann so: „Natürlich sind wir nicht gegen Windkraft, aber …“ Karl-Heinz Schindler begründete das Ja seiner SPD-Fraktion „ohne Begeisterung“mit der extrem komplizierten Rechtslage für die Kommune und einem Dilemma, das den betroffenen Bürgern nicht erklärt werden könne: „Auf jeder Fläche gilt etwas anderes und das auch nur vielleicht.“
Für Magdalena Federlin muss nahezu jeder Aichacher Bürger eine Einschränkung an seinem Wohnort hinnehmen: durch die B 300 oder eine andere Straße, durch ein Gewerbegebiet, Stall oder andere Belastungen. Die Energiewende könne nicht gelingen, wenn sie niemand vor Ort wolle. Sie frage sich, auch wenn das polemisch klingen möge, ob Bürger, die gegen die Windräder seien, einmal Klimaflüchtlinge bei sich aufnehmen. Federlin: „Es gibt nämlich Menschen, denen steht das Wasser durch den Klimawandel bis zum Hals und die werden sich auf den Weg machen.“Hermann Langer fasste die Diskussion im Stadtrat und bei den Gegnern so zusammen: „Keiner hat was gegen Windräder. Nur nicht bei mir.“Wer gegen Atomkraft und Kohleverstromung sei, müsse auch regenerative Energieanlagen vor Ort zulassen. Langer: „Auf die Generationenfrage – was hast du für deine Enkel getan? – möchte ich einmmal eine Antwort haben.“
„Klar, keiner hat was gegen Windräder. Nur nicht bei mir.“
CSU Stadtrat Hermann Langer