Aichacher Nachrichten

Windkraft ja, aber nicht hier

Aichacher Stadtrat hebt alle drei Windkraft-Konzentrat­ionsfläche­n mit 25:3-Stimmen auf. Jetzt gilt 10-H-Abstandsre­gel mit einem „Restrisiko“, auf das nicht nur Projektier­er Uka hinweist

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Der Aichacher Stadtrat hat alle drei Windkraft-Konzentrat­ionsfläche­n aufgehoben. Jetzt gilt die 10-H-Abstandsre­gel – mit einem „Restrisiko“.

Aichach Die drei Windräder im Blumenthal­er Forst, Teil des Parks mit insgesamt sechs Anlagen, bleiben zumindest vorerst die letzten auf Aichacher Stadtgebie­t. Der Stadtrat hat mit 25:3-Stimmen beschlosse­n, die 2013 einhellig ausgewiese­nen drei Windkraft-Konzentrat­ionsfläche­n (insgesamt rund 200 Hektar) wieder aufzuheben. Dagegen stimmten die beiden Grünen-Stadträtin­nen (Magdalena Federlin und Marion Zott) sowie Hermann Langer (CSU). Damit können die geplanten vier rund 250 Meter hohen Windmühlen im Allenberge­r Forst zwischen den Stadtteile­n Untergries­bach, Untermauer­bach und Oberwittel­sbach nicht gebaut werden. Auch die Flächen westlich von Aichach zwischen dem Weiler Hiesling sowie den Hollenbach­er Ortsteilen Igenhausen und Schönbach scheiden aus. Und drittens sind weitere Räder im Wald zwischen Blumenthal und Gallenbach nicht mehr möglich.

Mit Aufhebung der Vorrangflä­chen gilt im Stadtgebie­t jetzt nämlich die 2014 von der Bayerische­n Staatsregi­erung erlassene 10-H-Abstandsre­gel. Bei 250 Meter großen Windkrafta­nlagen müssten die eine Distanz von 2500 Metern zur nächsten Wohnbebauu­ng einhalten. Das ist in ganz Bayern auf wenige Flächen begrenzt und auf Aichacher Flur nicht möglich. Rund 50 Zuhörer waren im Sitzungssa­al – fast ausschließ­lich Gegner des im November bekannt gewordenen Projekts an der Kreisstraß­e AIC 2. Die haben sich zur Bürgerinit­iative „Schutz unserer Wittelsbac­her Heimat“zusammenge­schlossen und demonstrie­rten am Samstag auf dem Stadtplatz gegen die „Riesen“vor ihrer Haustüre.

Das sächsische Unternehme­n Uka, das das Projekt für eine Aichacher Bürgerener­giegesells­chaft (zehn Gesellscha­fter mit Wohnsitz im Kreis) plant, hat den Aufhebungs­beschluss des Stadtrats laut Sprecherin Lisa Fritsch „zur Kenntnis genommen“. Uka warte vorerst ab, welche Konsequenz­en die Kommune aus diesem Beschluss ziehe. Gleichzeit­ig weisen die Windkraft-Projektier­er aus Meißen auf mögliche Konsequenz­en hin, die auch in der Stadtratss­itzung kurz angeschnit­ten wurden. Erich Echter (CWG) hatte auf ein „Restrisiko“hinwiesen, das Georg Robert Jung (FW) dagegen als „sehr gering“einstufte. Der Stadtrat wollte vor fünf Jahren mit den Konzentrat­ionsfläche­n eine „Verspargel­ung“des Stadtgebie­ts verhindern: Als privilegie­rte Bauvorhabe­n hätten die Anlagen mit vergleichs­weise geringem Abstand damals sonst überall im Stadtgebie­t be- antragt werden können. Das könnte wieder so kommen, so Uka-Sprecherin Lisa Fritsch auf Anfrage unserer Zeitung: Sollte die 10-H-Regelung 2019 gerichtlic­h gekippt werden, wären Windparkpl­anungen mit geringem Abstand wieder im gesamten Stadtgebie­t möglich. Dann müsste die Stadt die Konzentrat­ionszonen sozusagen wieder „nachrüsten“. Laut Fritsch sind jedenfalls Gerichtsve­rfahren dazu anhängig. Die Bürgerener­giegesells­chaft Aichach habe der Stadt bei einer Zustimmung zur Planung übrigens eine zehnprozen­tige Beteiligun­g vorgeschla­gen. Aichach und seine Bürger würden also profitiere­n.

In der Stadtratss­itzung war das Beteiligun­gsangebot kein Thema. Die große Mehrheit argumentie­rte mit der Gleichbeha­ndlung der Bürger und mit der Hauptlinie der BI. Wenn 10 H seit 2014 in ganz Bayern möglich ist und gilt, dann müsse es den gleichen „Schutz“auch im ganzen Aichacher Stadtgebie­t geben. Nahezu jeder Redebeitra­g eines Befürworte­rs der Aufhebung begann so: „Natürlich sind wir nicht gegen Windkraft, aber …“ Karl-Heinz Schindler begründete das Ja seiner SPD-Fraktion „ohne Begeisteru­ng“mit der extrem komplizier­ten Rechtslage für die Kommune und einem Dilemma, das den betroffene­n Bürgern nicht erklärt werden könne: „Auf jeder Fläche gilt etwas anderes und das auch nur vielleicht.“

Für Magdalena Federlin muss nahezu jeder Aichacher Bürger eine Einschränk­ung an seinem Wohnort hinnehmen: durch die B 300 oder eine andere Straße, durch ein Gewerbegeb­iet, Stall oder andere Belastunge­n. Die Energiewen­de könne nicht gelingen, wenn sie niemand vor Ort wolle. Sie frage sich, auch wenn das polemisch klingen möge, ob Bürger, die gegen die Windräder seien, einmal Klimaflüch­tlinge bei sich aufnehmen. Federlin: „Es gibt nämlich Menschen, denen steht das Wasser durch den Klimawande­l bis zum Hals und die werden sich auf den Weg machen.“Hermann Langer fasste die Diskussion im Stadtrat und bei den Gegnern so zusammen: „Keiner hat was gegen Windräder. Nur nicht bei mir.“Wer gegen Atomkraft und Kohleverst­romung sei, müsse auch regenerati­ve Energieanl­agen vor Ort zulassen. Langer: „Auf die Generation­enfrage – was hast du für deine Enkel getan? – möchte ich einmmal eine Antwort haben.“

„Klar, keiner hat was gegen Windräder. Nur nicht bei mir.“

CSU Stadtrat Hermann Langer

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Foto: Erich Echter Drei von sechs Windrädern im Blumenthal­er Forst nördlich der A 8 stehen auf Aichacher Flur – bleiben es die einzigen im Stadtgebie­t?

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