Können Sie Seehofers Gedanken lesen, Herr Krebs?
Der Kabarettist spricht über sein spezielles Verhältnis zum CSU-Chef und eine sehr emotionale Begegnung. Außerdem verrät er, wie er mit Wutbürgern umgeht und was Alexander Dobrindt mit einem Ford Fiesta gemeinsam hat
Herr Krebs, Horst Seehofer ist Ihre Paraderolle. Bedauern Sie, dass er jetzt nach Berlin entschwindet?
Wolfgang Krebs: Nein, ich sehe das sogar positiv. Als Seehofer bin ich ja jetzt für die ganze Republik zuständig. Ich steige quasi mit ihm nach Berlin auf.
Sie parodieren Seehofer seit vielen Jahren, hinterlässt das Spuren?
Krebs: Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich selber so denke, als wäre ich der Seehofer und politische Entscheidungen voraussehe. Ich muss zugeben: Das erschreckt mich dann ein bisschen.
Wie bitte? Sie können Seehofers Gedanken lesen? Da werden jetzt ziemlich viele CSU-Leute neidisch sein . . .
Krebs: Na ja, ich stoße da schon auch an meine Grenzen. Weil der Seehofer macht ja immer das Gegenteil von dem, was man denkt. Er sagt und tut oft selber so lustige Sachen, dass man sich als Kabarettist schwertut, das noch zu übersteigern. Aber was ist nicht alles geschrieben worden, dass er am Ende ist, dass der Guttenberg zurückkommt und weiß Gott was. Und heute ist Seehofer immer noch da und Guttenberg sitzt auf einem Pferdehof in Connecticut. Mit seiner Barbie.
Wie kommen Sie abseits der Bühne mit ihm aus?
Krebs: Wir haben da so ein Ritual. Wenn wir uns treffen, sagt er zu mir: Herr Seehofer, wie geht es Bayern? Ich antworte mit seiner Stimme: Herr Ministerpräsident, ich muss Ihnen was sagen. Und dann versuche ich, ihm ein politisches Anliegen unterzujubeln.
Zum Beispiel?
Krebs: Als das Bild des kleinen Jungen um die Welt ging, der auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunken ist und ans Ufer gespült wurde, habe ich ihn gefragt, ob ihn das nicht anrührt.
Wie hat er darauf reagiert?
Krebs: Er hat mir gesagt, dass Bayern doch mehr für Flüchtlinge tut als alle anderen Bundesländer. Ich habe gemerkt, dass ihn das schon bewegt. Denn auch wenn das viele Menschen, die ihn nie persönlich getroffen haben, nicht glauben: Horst Seehofer ist ein Mensch mit einem großen Herzen. Das passt aber nicht immer mit seinem Beruf zusammen.
Wie meinen Sie das?
Krebs: Wir wollen von den Politikern einfache Antworten haben, aber die Antworten sind eben nicht einfach. Die AfD hat dagegen ein simples Rezept: Alle Themen vereinfachen, jemanden finden, der schuld ist, und bloß nicht zu viel darüber nachdenken. Mich ärgert dabei die Doppelmoral: Diese Frau Weidel ist doch quasi selber ein Wirtschaftsflüchtling. Sie lebt in der Schweiz, verdient aber in Deutschland offenbar besser. Mal sehen, wie lange es bis zum Familiennachzug dauert.
Wie gehen Sie selbst mit der hitzigen politischen Atmosphäre um?
Krebs: Wir müssen akzeptieren, dass Politiker Blödsinn reden. Aber wir müssen nicht akzeptieren, dass sie jeden, der ihnen widerspricht, als Volksverräter beschimpfen. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die rein emotional agieren und denen ein logischer Gedanke nicht als Argument ausreicht.
Haben Sie selbst Anfeindungen erlebt?
Krebs: Klar. Wenn Sie heute irgendwo etwas über Flüchtlinge sagen, tobt doch sofort der Mob im Internet. Aber man muss sich immer im Klaren darüber sein, dass in sozialen Medien fünf Prozent der Nutzer 80 Prozent der Nachrichten produzieren. Ich stelle mir dann immer vor, wie so ein Wutbürger in seiner vermüllten Wohnung zwischen leeren Pizzaschachteln vor seinem Computer sitzt. Von solchen Leuten brauchen wir uns doch keine Meinung diktieren zu lassen. Ich glaube, die überwiegende Masse ist vernünftig. Die meisten Menschen wollen mit Radikalen – egal, ob von links oder von rechts – nichts zu tun haben.
Hilft Humor gegen die erbitterte politische Auseinandersetzung?
Krebs: Viele Politiker verstehen schon Spaß, aber halt vor allem dann, wenn es um die anderen geht. Ich werde immer misstrauisch, wenn jemand nicht über sich selbst lachen kann. Die Damen und Herren von der AfD sind da ja wie eine Sekte, die alle anderen als gefährlich einstuft. Wir beide zum Beispiel, ein Kabarettist und ein Journalist, wir gehören für diese Leute sofort weg.
Solange wir noch da sind, könnten wir ein bisschen über die CSU reden. Was halten Sie denn von der Konservativen Revolution?
Krebs: Ich sag es mal so: Man kann nicht gleichzeitig ein Bewahrer und ein Che Guevara sein. Aber so ist er halt, der Alexander Dobrindt. Erst hat er angefangen, großkarierte Sakkos zu tragen, um nicht mehr so kleinkariert zu wirken. Dann hat er sich Designerschuhe gekauft. Aber das ist ja, wie wenn du die Felgen von einem Lamborghini auf einen Ford Fiesta aufziehst – da wird kein Sportwagen draus.
Immerhin hat er die Maut gebracht . . .
Krebs: Am Anfang hatte die CSU in den Bierzelten damit ja noch die Lufthoheit – bis sich herausgestellt hat, wie wenig Geld unter dem Strich übrig bleibt. Dass Dobrindt die Maut dann trotzdem mit aller Gewalt durchsetzen wollte, sagt viel über ihn aus. Da ist mir der Seehofer lieber, der sagt: Wir haben uns gerade noch rechtzeitig eine neue Meinung gebildet.
Was wird sich mit dem neuen Ministerpräsidenten in Bayern ändern?
Krebs: Vom Unterhaltungswert wird Markus Söder den Horst Seehofer mehr als ersetzen. Ich schau mir jeden Tag an, was er in sozialen Netzwerken postet. Wenn er zum Beispiel durch einen Badeweiher schwimmt und nebenher noch versucht, was Lustiges in die Kamera zu sagen – das ist echt erhebend.
Nehmen Sie Söder den Imagewandel zum Staatsmann ab?
Krebs: Ganz tief im Inneren ist er ein Krawallbruder. Ob er sich zum Landesvater wandelt, müssen wir abwarten. Ich nehme ihm aber ab, dass es ihm nicht nur um Macht geht, sondern auch ums Gestalten. Er ist ja einer, der gerne anpackt.
Das klingt für einen Kabarettisten ja geradezu zahm.
Krebs: Wir reden unser Land und unsere Politiker zu oft schlecht. Die Populisten, die immer nur motzen und „Armes Deutschland“rufen, sollten viel mehr reisen und schauen, wie es in anderen Ländern zugeht. Dann würden sie ihre Vorurteile ablegen. Mein Gott, nach diesem Interview kann ich mich aber wirklich als Regierungssprecher bewerben . . .