Spring im Quadrat!
Kein alter (Cowboy-)Hut: So lebendig ist die Square Dance-Szene in Augsburg. Ein Besuch beim Club Running Turtles, den rennenden Schildkröten
Helga Mack ist eine rennende Schildkröte. Das ist keine Beleidigung, sondern die Übersetzung des Namens ihres Square Dance Clubs. Die 64-Jährige ist Präsidentin des Running Turtles SDC. Der Verein, der drei Schildkröten in den Augsburger Farben als Maskottchen gewählt hat, ist einer von fünf Clubs in der Region, die sich dem außergewöhnlichen US-amerikanischen Tanzstil widmen. Ebenfalls im Quadrat tanzen die Bavarian Stompers SDC Augsburg, der Yellow Rose Square Dance Club aus Göggingen, die Westwood Wheelers Augsburg aus Diedorf-Biburg und The HurlyBurly Magixs aus Aichach.
Der namensgebende „Square“besteht aus vier Paaren. „Wenn alles gut geht, landet man am Ende wieder an der gleichen Stelle, wo man angefangen hat“, sagt Helga Mack. Falls nicht alles klappt, ist das auch nicht schlimm. Denn beim Square Dance gibt es keine Wettbewerbe, weil der Spaß im Vordergrund stehen soll. Die größte Besonderheit: Die vier Paare im Square wissen nicht, was auf sie zukommt. Stattdessen gibt der „Caller“Kommandos, die er ins Mikrofon ruft. „Der Caller stellt die Figuren zusammen“, erklärt die verwitwete Rentnerin. „Ohne ihn stehen wir da und können nicht tanzen.“
„Trade by!“, „See saw!“, „Shoot the star!“oder „Box the gnat!“Wer keine Ahnung vom Square Dance hat, versteht bei den Aufforderungen des Callers nur Bahnhof. Daher lernen Anfänger zunächst die „Basic“-Schritte.
Die umfassen bereits stolze 53 Figuren. Um den Schwierigkeitsgrad „Mainstream“zu erreichen, muss man 68 Figuren beherrschen. Dann folgen weitere Stufen mit zusätzlichen Figuren. Wer die Figuren kennt, kann sich im wahrsten Wortsinn auf internationalem Parkett bewegen: Die Kommandos haben länderübergreifend die gleichen Namen. Wer sie beherrscht, kann „in jedem Square auf der Welt mittanzen“, so Helga Mack.
Square Dance ist eine Mischung aus Volkstänzen vieler Nationen, welche die Einwanderer mit nach Amerika brachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Tanz gemeinsam mit den stationierten USSoldaten nach Schwaben. Eine strenge Kleiderordnung gibt es zwar nicht, aber langärmelige Hemden sind bei den Herren lieber gesehen als kurzärmelige. Damen tragen gern Pettycoat und Bluse. Weniger nostalgisch ist die Musikauswahl: Im modernen Square Dance ist erlaubt, was gefällt – von CountryMusik bis zu AC/DC. Hauptsache der Takt passt. In der Regel liegt das Tempo bei 126 Beats (Schläge) pro Minute. „Je nach tänzerischem Niveau kann man die Geschwindigkeit auch drosseln oder anheben“, verrät der 52-jährige Caller Gregor Stock, Square Dance fördert nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Fitness: Weil die Tänzer nicht wissen, welche Kommandos gerufen werden, hilft der Tanz nachgewiesenermaßen gegen Demenz.
Die Running Turtles wurden 2006 ins Leben gerufen. Mittlerweile zählen die rasanten Schildkröten 62 Mitglieder. Als Konkurrenz empfinden sich die Clubs untereinander nicht. Im Gegenteil: Alle drei Monate finden gemeinsame Treffen statt, bei denen reihum jeder Club als Gastgeber fungiert. Das Durchschnittsalter in den Augsburger Square Dance Clubs liegt bei etwa 40 Jahren. Es gibt aber auch achtjährige Tänzer. Mit 78 Jahren ist Thea Moritz die älteste Dame bei den Running Turtles. Wegen eines Wirbelsäulen-Schadens darf sie seit einem Jahr nicht mehr aktiv mitmachen. Für sie bedeutet der Club nicht nur Tanz, sondern gemeinsames Feiern und Reisen.
Die Running Turtles haben schon Gleichgesinnte von Hamburg über Wien bis nach Dänemark und Frankreich besucht. 2009 ging es ins Mutterland des Square Dance. „Schade, dass es in Augsburg nicht noch mehr Square Dance-Fans gibt“, findet Thea Moritz. Im Rheinland sei viel mehr los, berichtet die Seniorin. Auch in München oder Stuttgart ist mit jeweils etwa 30 Clubs in Sachen Square Dance mehr geboten. Weitere Hochburgen des Square Dance in Deutschland sind das Ruhrgebiet und der hohe Norden. „Augsburg liegt dennoch im guten Durchschnitt“, weiß Wolfgang Daiss vom Dachverband EAASDC (European Association of American Square Dancing Clubs). „Es gibt in der Region Augsburg sehr aktive Clubs, die großen Einfluss darauf haben, dass die Szene lebendig bleibt.“
Und Tänzer, wie die 13-jährige Veronika Pöhlmann. Gemeinsam mit der ganzen Familie begann sie 2012 mit dem Square Dance. Zu ihren Tanzpartnern zählt auch ihr Papa Michael. Was die Familie am meisten schätzt, sind die Freundschaften, die dabei entstehen. Das alljährliche Square Dance ClubTreffen „Turtle Run“, initiiert von den Running Turtles, ist mit einigen hundert Teilnehmern die größte Square Dance-Veranstaltung in Schwaben.
Die rüstige „Oma Susi“ist extra aus Stuttgart gekommen, um mitzufeiern. Selbst Gäste aus dem benachbarten Ausland wie Dänemark und Frankreich sind angereist, um das zehnte Jubiläum der Veranstaltung zu würdigen. Jürg Iten, der mit seiner Frau Daphne aus der Schweiz vorbeischaute, sagt: „Wir sind hier, um gute Freunde zu besuchen. Die Reise nach Augsburg ist kein Muss, sondern eine Ehre.“
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Clubabende der Running Turtles SDC Augsburg: jeden Donnerstag von 20 bis 22 Uhr in der Sportallee 12, Gersthofen. Gäste sind nach vorheriger Anmeldung willkommen. Näheres auch im Internet unter www.runningturtles.de.