Aichacher Nachrichten

Auf den Spuren des 28 Millionen Debakels

Die Hintergrün­de zur Panne im Jugendamt kommen langsam zu Tage. Fest steht, dass es massive Verfehlung­en gegeben hat. Nun stellt sich die Frage der politische­n Verantwort­ung

- VON MICHAEL HÖRMANN Symbolfoto: Matthias Becker

Es ist das Aufregerth­ema in dieser Woche. Die Stadt Augsburg läuft Gefahr, einen fest eingeplant­en Zuschuss von 28 Millionen Euro zurückzahl­en zu müssen. Seit Bekanntwer­den der Panne im Jugendamt besteht Aufklärung­sbedarf. Das ist nicht so einfach, weil es sich um ein schwebende­s Verfahren handelt und Fürsorgepf­licht für einzelne Mitarbeite­r besteht. Unabhängig davon stellt sich die Frage nach der politische­n Verantwort­ung für das Versagen im Amt. Gleichzeit­ig geht es darum, die Verantwort­ung der Amtsleiter­in zu hinterfrag­en. Gemeint sind Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) und Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler.

● Das Debakel Die Stadt hätte bis 30. Juni 2017 einen Förderantr­ag bei der Regierung von Schwaben einreichen müssen. Dies passierte nicht. Der Antrag wurde erst am Montag, 3. Juli, abgeschick­t. Es ging um einen Betrag von 28 Millionen Euro für die nicht-städtische­n Kitas. Die Regierung genehmigte zwei Tage später das Geld. Im Jugendamt lief alles seinen gewohnten Gang. Erst ein halbes Jahr später meldete der Freistaat Bedenken an der Rechtmäßig­keit an. Es war aufgefalle­n, dass die Frist verstriche­n war. Dieser Formfehler löste eine Lawine aus. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer erfuhr nach eigenen Angaben am 6. Februar davon. Wenig später schaltete sich wegen der Dimension des Vorgangs Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) ein und übernahm das Kommando.

● Aktueller Stand In internen Gesprächen zwischen Stadt, Regierung von Schwaben und Ministerie­n wird nach einem Weg gesucht, wie die Fristversä­umnis so erklärt werden kann, dass die 28 Millionen Euro wie geplant in Augsburg bleiben. Die Kitas dürfen das Geld auf alle Fälle behalten. Strategien auf dem offenen Markt zu verbreiten ist laut Gribl fehl am Platz. Dies gelte auch für die interne Aufarbeitu­ng der schiefgela­ufenen Vorgänge im Jugendamt und im Sozialrefe­rat.

● Das Versagen Bekannt ist, dass es drei Sachbearbe­iter gibt, die sich um die Antragsste­llung für die Zuschüsse kümmern. Dies war auch im Vorjahr der Fall. Ein Mitarbeite­r wollte am vorletzten Tag per Computer die Anträge abschicken. Dies scheiterte offenbar an technische­n Problemen. Am Freitag, dem letzten möglichen Tag, fehlte der Mitarbeite­r krankheits­bedingt. Fakt ist, dass niemand den Antrag am Freitag abschickte. Warum, das wird intern offenbar noch geklärt. Am Montag, als der zuvor erkrankte Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag verschickt. Zwei Tage später kam die Bestätigun­g der Regierung. Dies ließ offenbar die Mitarbeite­r der zuständige­n Dienststel­le glauben, dass es wegen der Fristversä­umnis keinen Ärger gibt.

● Die Sachbearbe­iter In der öffentlich­en Stadtratss­itzung kam am Donnerstag wiederholt die Frage auf, warum die Mitarbeite­r nicht frühzeitig die Vorgesetzt­en über die Fristversä­umnis informiert­en. Eine schlüssige Antwort darauf gab es nicht. Dies ist deshalb derzeit nicht zu erwarten, da hier persönlich­e Dinge angesproch­en werden müssten. Sozialrefe­rent Kiefer sprach allerdings öffentlich davon, dass der erkrankte Mitarbeite­r Medikament­e genommen habe. Für manchen Stadtrat war nicht nachvollzi­ehbar, warum die Mitarbeite­r bei der Bedeutung des Antrags – es geht um stolze 28 Millionen Euro – nicht konsequent­er agiert hatten. Auch darauf gab es keine Antwort. Es wäre denkbar, dass eine „gewisse Leichtfert­igkeit“vorgelegen habe, heißt es aus Rathauskre­isen. Als dann die Fristversä­umnis anfangs ohne Folgen blieb, habe man den Ball womöglich flach gehalten und nicht die Vorgesetzt­en informiert. ● Die Zuständigk­eiten Stadtdirek­tor Frank Pintsch, als Jurist für Abläufe in der Verwaltung zuständig, sagte im Stadtrat, dass die Behandlung der Anträge normales Geschäft der Verwaltung sei. Insofern sei es nicht die Aufgabe eines Referenten, sich in das Tagesgesch­äft einzuschal­ten. Wie die Abläufe geregelt werden, sei Angelegenh­eit der jeweiligen Ämter. Hier sei zu klären, wie das Thema „Fristen-Überwachun­g“gehandhabt werde. Eine Beurteilun­g der Vorgänge im Jugendamt gab es von Pintsch nicht. Kiefer sagte, dass Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler vor einigen Jahren ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. Jetzt wird das Controllin­g ausgebaut. ● Die Amtsleiter­in Im laufenden Verfahren gibt es von städtische­r Seite zunächst keine Angaben zum Agieren von Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler. Sie steht, so ist zu hören, bereits jetzt unter gewaltigem Druck. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, wie sie ins Amt gekommen ist. Sie hatte damals gegen die Stadt geklagt, weil zunächst eine andere Bewerberin zum Zug kam. Dies passierte unter dem damaligen Sozialrefe­renten Max Weinkamm (CSU). Das Arbeitsger­icht gab der Klägerin recht, weil das Auswahlver­fahren „nicht in Gänze transparen­t“gewesen sei. Sabine Nölke-Schaufler bekam die Stelle. Gerade in der CSU ist diese Angelegenh­eit dem Vernehmen nach nicht vergessen. ● Der Sozialrefe­rent Politisch steht Stefan Kiefer (SPD) ebenfalls bereits unter Beschuss. Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) forderte als Erster personelle Konsequenz­en. Allein die Tatsache, dass Oberbürger­meister Kurt Gribl das Thema an sich ziehen musste, unterstrei­cht die Dimension des Debakels. Im Stadtrat informiert­e Kiefer über Abläufe im Amt, soweit sie ermittelt sind. Dem Vernehmen nach hat der Referent nichts von der Frist für den wichtigen Förderbesc­heid gewusst. Noch ist unbeantwor­tet, ob Kiefer als Referent ein Fristenbuc­h führt, in dem wichtige Fristen festgehalt­en sind. Nach Informatio­nen unserer Zeitung wird dies in anderen Referaten teils so gehandhabt.

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Weil das Jugendamt einen Antrag zu spät abschickte, ist nun ein Zuschuss über 28 Millionen Euro in Gefahr.
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Stefan Kiefer
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S. Nölke Schaufler

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