Auf den Spuren des 28 Millionen Debakels
Die Hintergründe zur Panne im Jugendamt kommen langsam zu Tage. Fest steht, dass es massive Verfehlungen gegeben hat. Nun stellt sich die Frage der politischen Verantwortung
Es ist das Aufregerthema in dieser Woche. Die Stadt Augsburg läuft Gefahr, einen fest eingeplanten Zuschuss von 28 Millionen Euro zurückzahlen zu müssen. Seit Bekanntwerden der Panne im Jugendamt besteht Aufklärungsbedarf. Das ist nicht so einfach, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt und Fürsorgepflicht für einzelne Mitarbeiter besteht. Unabhängig davon stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung für das Versagen im Amt. Gleichzeitig geht es darum, die Verantwortung der Amtsleiterin zu hinterfragen. Gemeint sind Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) und Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler.
● Das Debakel Die Stadt hätte bis 30. Juni 2017 einen Förderantrag bei der Regierung von Schwaben einreichen müssen. Dies passierte nicht. Der Antrag wurde erst am Montag, 3. Juli, abgeschickt. Es ging um einen Betrag von 28 Millionen Euro für die nicht-städtischen Kitas. Die Regierung genehmigte zwei Tage später das Geld. Im Jugendamt lief alles seinen gewohnten Gang. Erst ein halbes Jahr später meldete der Freistaat Bedenken an der Rechtmäßigkeit an. Es war aufgefallen, dass die Frist verstrichen war. Dieser Formfehler löste eine Lawine aus. Sozialreferent Stefan Kiefer erfuhr nach eigenen Angaben am 6. Februar davon. Wenig später schaltete sich wegen der Dimension des Vorgangs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) ein und übernahm das Kommando.
● Aktueller Stand In internen Gesprächen zwischen Stadt, Regierung von Schwaben und Ministerien wird nach einem Weg gesucht, wie die Fristversäumnis so erklärt werden kann, dass die 28 Millionen Euro wie geplant in Augsburg bleiben. Die Kitas dürfen das Geld auf alle Fälle behalten. Strategien auf dem offenen Markt zu verbreiten ist laut Gribl fehl am Platz. Dies gelte auch für die interne Aufarbeitung der schiefgelaufenen Vorgänge im Jugendamt und im Sozialreferat.
● Das Versagen Bekannt ist, dass es drei Sachbearbeiter gibt, die sich um die Antragsstellung für die Zuschüsse kümmern. Dies war auch im Vorjahr der Fall. Ein Mitarbeiter wollte am vorletzten Tag per Computer die Anträge abschicken. Dies scheiterte offenbar an technischen Problemen. Am Freitag, dem letzten möglichen Tag, fehlte der Mitarbeiter krankheitsbedingt. Fakt ist, dass niemand den Antrag am Freitag abschickte. Warum, das wird intern offenbar noch geklärt. Am Montag, als der zuvor erkrankte Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag verschickt. Zwei Tage später kam die Bestätigung der Regierung. Dies ließ offenbar die Mitarbeiter der zuständigen Dienststelle glauben, dass es wegen der Fristversäumnis keinen Ärger gibt.
● Die Sachbearbeiter In der öffentlichen Stadtratssitzung kam am Donnerstag wiederholt die Frage auf, warum die Mitarbeiter nicht frühzeitig die Vorgesetzten über die Fristversäumnis informierten. Eine schlüssige Antwort darauf gab es nicht. Dies ist deshalb derzeit nicht zu erwarten, da hier persönliche Dinge angesprochen werden müssten. Sozialreferent Kiefer sprach allerdings öffentlich davon, dass der erkrankte Mitarbeiter Medikamente genommen habe. Für manchen Stadtrat war nicht nachvollziehbar, warum die Mitarbeiter bei der Bedeutung des Antrags – es geht um stolze 28 Millionen Euro – nicht konsequenter agiert hatten. Auch darauf gab es keine Antwort. Es wäre denkbar, dass eine „gewisse Leichtfertigkeit“vorgelegen habe, heißt es aus Rathauskreisen. Als dann die Fristversäumnis anfangs ohne Folgen blieb, habe man den Ball womöglich flach gehalten und nicht die Vorgesetzten informiert. ● Die Zuständigkeiten Stadtdirektor Frank Pintsch, als Jurist für Abläufe in der Verwaltung zuständig, sagte im Stadtrat, dass die Behandlung der Anträge normales Geschäft der Verwaltung sei. Insofern sei es nicht die Aufgabe eines Referenten, sich in das Tagesgeschäft einzuschalten. Wie die Abläufe geregelt werden, sei Angelegenheit der jeweiligen Ämter. Hier sei zu klären, wie das Thema „Fristen-Überwachung“gehandhabt werde. Eine Beurteilung der Vorgänge im Jugendamt gab es von Pintsch nicht. Kiefer sagte, dass Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler vor einigen Jahren ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. Jetzt wird das Controlling ausgebaut. ● Die Amtsleiterin Im laufenden Verfahren gibt es von städtischer Seite zunächst keine Angaben zum Agieren von Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler. Sie steht, so ist zu hören, bereits jetzt unter gewaltigem Druck. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, wie sie ins Amt gekommen ist. Sie hatte damals gegen die Stadt geklagt, weil zunächst eine andere Bewerberin zum Zug kam. Dies passierte unter dem damaligen Sozialreferenten Max Weinkamm (CSU). Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht, weil das Auswahlverfahren „nicht in Gänze transparent“gewesen sei. Sabine Nölke-Schaufler bekam die Stelle. Gerade in der CSU ist diese Angelegenheit dem Vernehmen nach nicht vergessen. ● Der Sozialreferent Politisch steht Stefan Kiefer (SPD) ebenfalls bereits unter Beschuss. Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) forderte als Erster personelle Konsequenzen. Allein die Tatsache, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl das Thema an sich ziehen musste, unterstreicht die Dimension des Debakels. Im Stadtrat informierte Kiefer über Abläufe im Amt, soweit sie ermittelt sind. Dem Vernehmen nach hat der Referent nichts von der Frist für den wichtigen Förderbescheid gewusst. Noch ist unbeantwortet, ob Kiefer als Referent ein Fristenbuch führt, in dem wichtige Fristen festgehalten sind. Nach Informationen unserer Zeitung wird dies in anderen Referaten teils so gehandhabt.