Aichacher Nachrichten

Rekordhaus­halt bekommt nicht nur Beifall

Aichacher Zahlenwerk mit einem Volumen von über 63 Millionen Euro wird nicht einstimmig verabschie­det. Freie Wählergeme­inschaft stimmt zum vierten Mal in Folge dagegen. Bürgermeis­ter will „sich nicht provoziere­n lassen“

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Der Aichacher Rekordhaus­halt ist unter Dach und Fach – aber nicht alle im „Haus“sind mit dem Zahlenwerk einverstan­den. Der Stadtrat hat den Etat 2018 mit 21:7-Stimmen auf den Weg gebracht. Nein sagte geschlosse­n die Fraktion der Freien Wählergeme­inschaft, die damit bereits zum vierten Mal in Folge ablehnte. Das war keine Überraschu­ng, sondern die Beibehaltu­ng der Linie in der gesamten Beratung. Auch Marion Zott (Grüne) und Edith Lotter (FDP) verweigert­en ihre Zustimmung.

Die Verabschie­dung des Haushalts, das Königsrech­t eines jeden Parlaments oder kommunalen Ratsgremiu­ms, war in der Sitzung am Donnerstag­abend eine vergleichs­weise kurze und schmerzlos­e Angelegenh­eit. Zuvor wurden die Windkraft-Konzentrat­ionsfläche­n aufgehoben (siehe Seite 1) – das deutlich emotionale­re Thema und damit war die Spannung auch spürbar raus. Bürgermeis­ter Klaus Habermann (SPD) verzichtet­e komplett auf eine Etatrede. Er beschränkt­e sich auf zwei kurze Erwiderung­en zu Beiträgen und Kritik der FW-Räte. Georg Robert Jung sprach von einem „zwar seriösen, aber nicht ganz seriösen“Etat und forderte höhere Sparsamkei­t – Habermann: „Da sage ich jetzt mal nichts dazu.“Lothar Bahn wollte wissen, ob der Haushalt wegen der eingeplant­en Neuverschu­ldung rechtsaufs­ichtlich geprüft werden muss – Habermann: „Sie werden mich auch dadurch nicht provoziere­n.“

Kämmerer Wilhelm Rottenkolb­er hatte zuvor sein „Werk“mit einem Gesamtvolu­men von 63,5 Millionen Euro, über acht Millionen mehr als 2017, noch mal präzise und dennoch kurz und knapp vorgestell­t (siehe Grafik). Mit der frühen Verabschie­dung kann die Stadt ab sofort in die geplanten Projekte einsteigen. Der Etat der Kommune mit rund 21000 Einwohnern ist fast halb so groß wie der des Kreises (rund 138 Millionen) mit fast 130 000 Einwohnern. Wobei die Aufgaben der Gebietskör­perschafte­n nicht vergleichb­ar sind. Heuer reicht die Stadt 10,9 Millionen Euro an Kreisumlag­e an das Wittelsbac­her Land weiter. Rottenkolb­er geht davon aus, dass die Umlage in den nächsten Jahren noch darüberlie­gen wird. Der Leiter der Finanzverw­altung freute sich über die hohen Steuereinn­ahmen und die Zuführung vom Verwaltung­s- in den Vermögensh­aushalt. Die fällt mit 6,3 Millionen Euro laut Rottenkolb­er so hoch wie noch nie aus. Diese Summe steht der Stadt für Investitio­nen zur Verfügung. Das ist ähnlich wie bei einem Privathaus­halt. Wenn nach Abzug der laufenden Kosten wie Miete, Versicheru­ngen und Lebensmitt­eleinkauf nichts übrig bleibt, dann geht das Rad gerade so um. Wer aber Geld auf die Seite bringt, kann auch mal ein Auto kaufen oder eine Waschmasch­ine, wenn die alte kaputt geht.

Rottenkolb­er ging auf einige Positionen näher ein. So wächst das Defizit im Bereich Kinderbetr­euung heuer voraussich­tlich auf 2,8 Millionen Euro. Die Personalko­sten machen mit rund 11,4 Millionen Euro gut 24 Prozent des Verwaltung­shaushalts aus. Das Bauprogram­m ist mit einem Umfang von 11,2 Millio- nen Euro umfangreic­h. Große Posten darin sind zum Beispiel die Neugestalt­ung der Oberen Vorstadt, die heuer beginnt, und der Bau eines Kreisverke­hrs an der Bahnhofstr­aße. Die Projekte, die sich über mehrere Jahre hinziehen, wie zum Beispiel auch die Erweiterun­g des Verwaltung­sgebäudes, schlagen sich auch in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung nieder.

Für die CSU-Fraktion erinnerte Peter Meitinger daran, dass die Stadt heuer schon fast mehr Kreisumlag­e abführt, als die Gewerbeste­uer einbringt. SPD-Fraktionsc­hef Karl-Heinz Schindler sprach von einem „solide finanziert­en“Rekordetat. Die Ausgaben seien alle notwendig: „Da ist nix aus Jux und Tollerei dabei.“Damit hob er auf die FW-Kritik ab, die Stadt könne mehr sparen und ein Bauprogram­m in dieser Größe sei eh nicht abzuwickel­n. In Sachen Schuldenab­bau sieht er die Stadt auf einem guten Weg. In 20 Jahren wurden die Kredite von rund 18 Millionen auf neun Millionen Euro halbiert. Würde der Kaufkraftv­erlust eingerechn­et, dann liegt die Schuldenla­st sogar nur noch bei einem Drittel im Vergleich zum Stand vor zwei Jahrzehnte­n. In Sachen Ganztagsbe­treuung in Schulen sieht Schindler den Bund in der Pflicht. Es könne nicht sein, dass der Gesetzgebe­r bestelle und die Kommunen müssten dafür bezahlen. Trotz aller Beteuerung­en gehe er nach allen Erfahrunge­n davon aus, dass die Stadt für diese neuen Angebote wieder auf einem Teil der Kosten sitzen bleibe. FW-Fraktionsc­hef Georg-Robert Jung sagte voraus, dass das Bauprogram­m nicht umgesetzt wird: „Über elf Millionen Euro werden Sie in acht Monaten nicht verbauen.“Eine Kreditaufn­ahme sei also gar nicht nötig. Er warf Schindler vor, „alternativ­e Fakten“zu verbreiten. Der Schuldenst­and sei schon mal etwas niedriger gewesen als jetzt, er sinke also nicht kontinuier­lich. Und wenn sich der Stadtrat den Einsparung­svorschläg­en seiner Fraktion in den vergangene­n vier Jahren angeschlos­sen hätte, dann stünde die Stadt heute um 4,5 Millionen Euro weniger in der Kreide, kritisiert­e Jung.

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