Aichacher Nachrichten

Festnahme reißt Deutschlan­d in Katalonien Krise

Spanischer Geheimdien­st lässt Ex-Präsident Puigdemont an deutscher Grenze unter Arrest setzen. FDP fordert Aufklärung

- VON MARTIN FERBER, RALPH SCHULZE UND MICHAEL POHL

Berlin/Madrid Es war wohl eine Falle des spanischen Geheimdien­stes, der sich der Hilfe der deutschen Polizei bediente: Völlig überrasche­nd ist gestern die Galionsfig­ur der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, Carles Puigdemont, nahe der deutsch-dänischen Grenze festgenomm­en worden. Beamte des schleswig-holsteinis­chen Landeskrim­inalamts spürten den abgesetzte­n Regionalpr­äsidenten um 11.19 Uhr beim Tanken auf der Raststätte Schuby an der A7 südlich von Flensburg auf. Der Politiker war von einem Auftritt in Finnland auf der Rückreise in sein belgisches Exil.

Laut verschiede­nen Medien soll der spanische Geheimdien­st Puigdemont während dessen Auslandsre­ise beschattet haben. Kurz vor der Einreise hätten spanische Behörden die Fachabteil­ung „Sirene“beim Bundeskrim­inalamt informiert, die dann das Landeskrim­inalamt in Schleswig-Holstein eingeschal­tet habe. Der Zugriff sei bewusst in Deutschlan­d und nicht in Dänemark erfolgt, weil die Zusammenar­beit mit den deutschen Behörden sehr gut funktionie­re. Spanien hatte den im Dezember ausgesetzt­en europäisch­en Haftbefehl gegen Puigdemont erst am Freitag wieder in Kraft gesetzt.

Mit der Festnahme des Separatist­enführers wird Deutschlan­d direkt in den Konflikt hineingezo­gen: Die spanische Justiz wirft Puigdemont Rebellion und Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel vor. Die Regierung in Madrid hatte das Unabhängig­keitsrefer­endum und einen Beschluss des Regionalpa­rlaments zur Abspaltung Katalonien­s vergangene­n Herbst für illegal erklärt. Der abgesetzte Präsident floh nach Belgien. Aus Protest gegen die Festnahme gingen am Sonntagabe­nd rund 55000 Menschen in Barcelona auf die Straße. Bei Zusammenst­ößen mit der Polizei, die auch Schlagstöc­ke einsetzte, wurden mindestens 50 Leute verletzt. Auch in Deutschlan­d stößt die Verhaftung auf Kritik. Die Festnahme sei eine „Schande“, erklärte der Europa-Sprecher der Linken im Bundestag, Andrej Hunko, und forderte die sofortige Freilassun­g. „Rebellion“falle nicht unter die 32 Straftatbe­stände, die Grundlage des europäisch­en Haftbefehl­s seien.

Die FDP forderte eine schnelle Erklärung der Bundesregi­erung. „Rechtlich ist die Verhaftung von Herrn Puigdemont nicht zu beanstande­n, politisch aber schafft sie große Probleme“, sagte FDP-VizeFrakti­onschef Alexander Graf Lambsdorff unserer Zeitung. „Deutschlan­d wird damit Partei im innerspani­schen Verfassung­skonflikt, eine Situation, die unser Nachbarlan­d Belgien tunlichst vermieden hat“, kritisiert­e Graf Lambsdorff.

Der FDP-Außenpolit­ikexperte forderte im Interview unserer Zeitung vor dem heutigen EU-TürkeiGipf­el auch einen Kurswechse­l in der deutschen Türkeipoli­tik, wie Sie in der Politik lesen. Mit der Türkei beschäftig­t sich auch Gregor Peter Schmitz im Leitartike­l. Die Festnahme Puigdemont­s analysiert Ralph Schulze im Kommentar.

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