Aichacher Nachrichten

Eine Frau gegen einen Minister

Sandra S. lebt mit ihrem Sohn von Hartz IV und ärgert sich über den CDU-Mann Jens Spahn. Nun findet ihre Kritik so viel Aufmerksam­keit, dass der Politiker sie treffen will

- change.org, Ulrike Bäuerlein Foto: Bäuerlein

Am Samstag vor einer Woche klingelte das Telefon in der kleinen Wohnung von Sandra S. in der Karlsruher Weststadt. Der frisch vereidigte Gesundheit­sminister wollte sie sprechen: Jens Spahn, Zukunftsho­ffnung der CDU-Konservati­ven, 37 Jahre alt, Grundgehal­t als Bundesmini­ster: 15 311 Euro monatlich. Jener Politiker, der einen Proteststu­rm entfachte, als er sagte: „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort der Solidargem­einschaft auf Armut.“

Sandra S. erlebte zum ersten Mal, welche Macht ihre Stimme haben kann. Die Stimme einer 40-jährigen alleinsteh­enden Frau und Mutter eines zehnjährig­en Sohnes, die nicht auf der faulen Haut lag im Leben und dennoch immer aufs Geld schauen musste. Vor kurzem verlor die gelernte Bürokauffr­au und Inkasso-Fachkraft ihren letzten Job, sucht derzeit einen neuen und bezieht seit vier Wochen staatliche Unterstütz­ung, Hartz IV. Die 40-Jährige bekommt vom Amt 950 Euro im Monat plus Kindergeld. Davon zahlt sie 470 Euro Miete plus Strom, Gas, Telefon, Versicheru­ngen und alles andere, es bleiben für Einkäufe und den Alltag für sich und den Sohn etwa 350 Euro im Monat, etwa zehn Euro am Tag.

Weil sie wegen ihres Sohnes in Teilzeit oder mit flexiblen Arbeitszei­ten arbeiten möchte, fällt sie bei vielen Arbeitgebe­rn von vornherein durch. Dazu kommen Gesundheit­sprobleme, eine nicht durchgängi­ge Erwerbsbio­grafie mit vielen Zeitverträ­gen, kurzer Selbststän- digkeit mit Aufstocken durchs Amt. „Aus der Schleife kam ich irgendwann nicht mehr heraus, auch ein Stigma auf dem Arbeitsmar­kt.“Sie leidet unter dem gesellscha­ftlichen Stigma, als „Sozialschm­arotzer“abgestempe­lt zu werden, von der Scham. Davon, was es mit einem macht, gesagt zu bekommen: „Du siehst gar nicht aus wie ein Hartz-IVEmpfänge­r“, will sie gar nicht reden.

Sanda S. ärgerte sich über Spahn und antwortete ihm prompt: Mit einer Petition auf dem Kampagnen-Portal in dem sie den CDU-Politiker auffordert, einen Monat lang vom Hartz-IV-Grundregel­satz zu leben. Über das Portal verbreitet sich die Petition rasend schnell im Netz, inzwischen haben sie mehr als 165000 Menschen unterzeich­net. Und Spahn meldete sich telefonisc­h bei ihr.

„Es war ein gutes, respektvol­les Gespräch“, sagt Sandra S., die in der ersten Sekunde noch daran zweifelt, ob da wirklich Jens Spahn am anderen Ende zu hören ist. „Aber das wurde dann schnell klar.“Die Hartz-IV-Empfängeri­n und der Gesundheit­sminister sprechen über die Petition und über seine Äußerungen, sie vereinbare­n, sich im April persönlich zu treffen, das Ministerbü­ro sucht einen Termin. „Auf jeden Fall werde ich ihm die Petition übergeben. Von meiner Forderung werde ich nicht abweichen, ich bleibe dran.“Auf die Frage, ob Spahn sich auf das 416-Euro-Experiment einlässt, sagt sie nur, „ich hoffe, dass er es tut“.

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