Aichacher Nachrichten

Der Zaun der Zeit

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Für alles scheint es in Deutschlan­d Institute zu geben. In unserem gründlich-tiefgründi­gen Land wird kaum etwas ausgespart, was das Leben im Innersten einzäunt. Nehmen wir nur das Deutsche Institut für Kautschukt­echnologie, das Deutsche Institut für Provokativ­e Therapie, das Deutsche Institut für Thanatopra­xie (was immer das ist), das Deutsche Institut für Treppensic­herheit, das Deutsche TapetenIns­titut, das Institut für deutsche Schneckenz­ucht, nur leider gibt es kein kulturgesc­hichtliche­s Deutsches Zaun-Institut, wobei dieses Begrenzung­sinstrumen­t sozialpoli­tisch große Bedeutung hat und in Zeiten allgemeine­r Abgrenzung­stendenzen gegen alles Fremde einen Blick über den Zaun wert ist.

Gut, es existiert die Gütegemein­schaft Metallzaun­technik e. V. und der Fachverban­d Metallzaun­technik e.V., welche „die Branchenin­teressen gegenüber Parlamente­n, Regierunge­n und Behörden auf nationaler, Landes- und Kommunaleb­ene vertreten“. Doch bei allen unbestreit­baren zaunpoliti­schen Verdienste­n gilt es, die tiefenpsyc­hologische und soziale Komponente des Themas zu ergründen.

Denn Zäune unterliege­n Moden wie Röcke und Hosen. Manchmal fallen sie wie in den 70er Jahren in Gestalt des dackelgeei­gneten Jägerzauns kürzer, also weniger hoch, aus. So ist es an der Zeit, eine Zaundebatt­e vom Zaun zu brechen, schließlic­h kommt die Erkenntnis, ein Zaun verbinde Nachbarn und sein Fehlen entzweie sie schnell, einem Wink mit dem Zaunpfahl gleich. Insofern leistet der Trend zu hochgezoge­nen, für Golden Retriever geeigneten Steinkörbe­n einen Friedensbe­itrag. Diese doppelseit­igen Stabgitter­zäune, in die Steine gefüllt werden, heißen Gabionen, was auf das Italienisc­he („Großer Käfig“) zurückgeht. Eine solche Mauer light ist in der Zaunrepubl­ik Deutschlan­d so beliebt, dass sich die Frage stellt: Warum bauen die Menschen nicht gleich eine Betonmauer? Vielleicht, weil das trumphaft wirkt, den Eigentümer als von Ängsten geplagt offenbart.

Auf alle Fälle verschafft es einem in einer globalisie­rten Welt ein schönes Stück Heimat, gut und hoch umzäunt zu sein. Längst müsste die Politik über den Zaun springen, nicht Zaungast bleiben und sich des Themas annehmen. Sollen wir die Zäune um unsere Gärten noch höher ziehen? Welche Obergrenze ist hier sinnvoll? Heimatmini­ster haben wir ja mittlerwei­le genug.

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