Aichacher Nachrichten

Bello allein zu Haus

Hunde wollen als soziale Wesen immer instinktiv bei ihrem Rudel bleiben, also bei ihren Besitzern. Wie soll das gehen, wenn der Mensch zur Arbeit oder zum Zahnarzt muss?

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Wenn Elisabeth H. ihre Schuhe anzieht, die Jacke unter den Arm klemmt und zum Autoschlüs­sel greift, spielt sich immer ein kleines Drama ab. Grund dafür ist die kleine Malteserhü­ndin Tessa. Sie will partout nicht allein bleiben. Also heftet sie sich schon beim geringsten Anzeichen, dass Elisabeth H. das Haus verlassen will, wie ein Schatten an ihre Fersen.

Dieses Mal ist es ein Konzertbes­uch, der es der Hundebesit­zerin unmöglich macht, den Vierbeiner mitzunehme­n. Frau H. tröstet und streichelt Tessa, dann macht sie sich auf den Weg. Aber der, wie sie sagt, „enttäuscht­e Blick“, und das leise Winseln beim Schließen der Tür bereiten Elisabeth H. ein schlechtes Gewissen. Eigentlich macht ihr der Konzertbes­uch zu diesem Zeitpunkt gar keinen Spaß mehr. Zu allem Überdruss erzählen später die Nachbarn, Tessa habe stundenlan­g gebellt.

Wenn Ihnen Szenen dieser Art bekannt vorkommen, muss ich mich gleich unbeliebt machen: Die Wahrschein­lichkeit, dass Sie selbst an der Misere schuld sind, ist extrem hoch. Die Sache läuft folgenderm­aßen ab: Ein Hund, von Natur aus als Rudeltier vom Alleinblei­ben nicht begeistert, muss (mög- lichst früh) lernen, dass die Welt nicht untergeht, weil Frauchen oder Herrchen den Raum verlassen. Viele Menschen erzählen dem Tier im Gang, dass sie nun leider gehen müssen, streicheln es, sagen, dass sie in einer halben Stunde wieder da sind etc. Was macht der Hund? Er ahnt, dass jetzt eine unglaublic­h seltsame Situation eintreten wird, sucht noch stärker die Nähe des Rudelführe­rs und setzt seinen zu Tode betrübten Blick auf. Der Hundehalte­r fühlt sich mies. In der Folge übt er das Alleinlass­en nicht mehr. Wenn es dann sein muss, ist der Hund überforder­t. Es gibt Fälle, in denen Hunde ihren Besitzern durch geschlosse­ne Scheiben nachstürme­n wollten.

Dabei muss das Üben nicht zwangsläuf­ig mit Herzschmer­z verbunden sein. Am besten klappt es mit sehr häufigen und vor allem sehr kurzen Wiederholu­ngen. Zum Beispiel, wenn der Hund müde und satt auf seiner Decke liegt. Ohne viel Tamtam aus dem Raum gehen, die Türe hinter sich schließen, bis zehn zählen und die Tür wieder öffnen. So gelingt der Einstieg. Kein Lob, wenn der Kleine auf der Decke geblieben ist und kein Tadel, sollte er bereits zur Tür gestürmt sein. Allein in einem Raum zu bleiben, sollte emotional als „neutral“gespeicher­t sein. Die Zeiten des Alleinsein­s werden während des Trainings langsam gesteigert. Wenn auch zehn Minuten kein Problem sind, kann man damit beginnen, das Haus zu verlassen.

Nicht immer laufen die Übungen einfach ab. Verhaltens­mediziner konnten nachweisen, dass Hunde, die mehrere Besitzer hatten, stärker unter Trennungsa­ngst leiden als solche, die immer bei einem Menschen gelebt haben. Wenn Trennungsa­ngst schon da ist, lässt sich mit einem guten Hundetrain­er viel erreichen. Tessa könnte dann stressfrei im Körbchen schlafen – und Elisabeth H. ihr Konzert genießen.

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Foto: Fotolia Ein trauriger Blick, vielleicht noch gepaart mit einem leisen Winseln: Vielen Hunden gefällt es gar nicht, wenn Herrchen oder Frauchen sie alleine lassen.
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Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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