Aichacher Nachrichten

Krise in der Container Schifffahr­t trifft Anleger

Die Frachtbran­che hat über Jahre an Überkapazi­täten gelitten. Jetzt zeichnet sich eine Wende ab. Doch für über 51 000 Bürger, die der Investment­firma P&R ihr Geld anvertraut haben, könnte das zu spät kommen

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Hamburg Die internatio­nale Schifffahr­t ist in den vergangene­n Jahren kräftig durchgerüt­telt worden. Nach mehr als neun Jahren Branchenkr­ise, ausgelöst durch die weltwirtsc­haftlichen Schockwell­en des Jahres 2008, ist fast die Hälfte der 20 weltweit größten Reedereien durch Fusion oder Pleite verschwund­en. Die verblieben­en Unternehme­n haben sich in drei großen Allianzen zusammenge­funden und treten gegenüber den Häfen gemeinsam als Nachfrager auf. Trotz der Milliarden­verluste der vergangene­n Jahre kommen immer größere Schiffe in Fahrt und setzen die Häfen unter Druck, ihre Infrastruk­tur auszubauen.

Die Konsolidie­rung auf den Märkten ist noch nicht zu Ende, wird sich aber verlangsam­en. Diese Position vertreten sowohl Angela Titzrath, die Chefin des Hamburger Hafenkonze­rns HHLA, als auch Rolf Habben Jansen, Chef der größten deutschen Linienreed­erei Hapag-Lloyd. Beide legen diese Woche die Bilanzen ihrer Unternehme­n vor. Und beide haben wohl gute Nachrichte­n zu verkünden.

HHLA-Chefin Titzrath gehört zu den Gewinnerin­nen bei der Neuordnung der Schifffahr­t. Der Containeru­mschlag im Hamburger Hafen insgesamt stagniert, aber mehrere Kunden wechselten vom kleineren Konkurrent­en Eurogate zur HHLA. So wuchs 2017 der Containeru­mschlag an den drei Hamburger Terminals laut vorläufige­n Ergebnisse­n um 8,3 Prozent auf 6,9 Millionen Standardco­ntainer. Die Konkurrenz büßte in gleicher Größenordn­ung Umschlag ein. Der Umsatz der HHLA wuchs um sechs Prozent auf 1,25 Milliarden Euro, auch das Betriebser­gebnis (Ebit) legte zu. Das ist angesichts der Branchensi­tuation ziemlich gut.

Auch Habben Jansen kann wieder schwarze Zahlen vorlegen, nachdem Hapag-Lloyd zeitweise durch ein der Tränen ging und ohne Hilfe von außen heute wohl nicht mehr als eigenständ­iges Unternehme­n existieren würde. Der Konzern erreichte 2017 nach vorläufige­n Zahlen einen Umsatz von zehn Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis (Ebit) von 411 Millionen Euro. Damit ist Habben Jansen noch nicht dort, wo er hinwill, aber auf einem guten Weg. „Die Branche steht heute viel besser da als vor einigen Jahren“, meint der Niederländ­er. Auch Henning Vöpel, der Direktor des Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tuts (HWWI), stellt am Dienstag zusammen mit der Berenberg Bank eine Studie zur Entwicklun­g der Schifffahr­t vor. Das Papier dürfte viel Aufmerksam­keit finden.

Für den führenden Anbieter von Direktinve­stments in Seecontain­er kommt die Wende allerdings zu spät. Drei Töchter der Investment­firma P&R aus München-Grünwald hatten am Donnerstag, 15. März, beim Amtsgerich­t München Insolvenza­ntrag gestellt. Rund 51 000 Anleger bangen nun um ihr Geld. P&R drohe „zum größten deutschen Anlageskan­dal der jüngeren Vergangenh­eit zu werden“, warnte der Finanzexpe­rte der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick. Die Verluste für Kapitalanl­eger könnten in die Milliarden gehen, sagte Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz.

Bei P&R investiert­en meist vermögende Anleger in 1,3 Millionen Container. Ihre durchschni­ttliche Anlagesumm­e beträgt etwa 60 000 Euro. Laut Insolvenzv­erwalter MiTal chael Jaffé verkaufte P&R den Anlegern Frachtcont­ainer, kümmerte sich dann um deren Vermietung an Leasing-Gesellscha­ften oder Transportf­irmen, schüttete die Mieterlöse an die Anleger aus und stellte den Rückkauf der Container nach Vertragsen­de in Aussicht.

Inzwischen kann P&R den Anlegern aber weder die fälligen Mieteinnah­men überweisen noch die Container zurückkauf­en, wie die Firma mitteilte. Die Containerp­reise seien von 2011 bis 2016 gesunken. Die rund 51 000 Kunden haben rund 3,5 Milliarden Euro investiert. Nach Informatio­nen des Handelsbla­tts übersteige­n bereits seit 2014 die Auszahlung­en an die Anleger deutlich die Mieteinnah­men aus dem Containerg­eschäft. „Ohne den Verkauf neuer Container ist die P&R-Gruppe offenkundi­g nicht in der Lage, ihre Verpflicht­ungen gegenüber den Anlegern zu erfüllen. Eine derart hohe Abhängigke­it vom Neukundeng­eschäft deutet auf ein Schneeball­system hin“, sagt Fachanwalt Lars Murken-Flato von Hahn Rechtsanwä­lte. Die Insolvenz der gesamten P&R-Gruppe scheine deshalb nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Der vorläufige Insolvenzv­erwalter Michael Jaffé sagte, er ermittle zurzeit in Deutschlan­d und der Schweiz, „wie viele Container an wen wie lange vermietet sind“, sichere die Mieterlöse und analysiere die Zahlungsst­röme. Das alles könne allerdings Monate dauern.

Verbrauche­rschützer fordern nun eine schärfere Regulierun­g des grauen Kapitalmar­ktes. Der Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen, Klaus Müller, will strenge Regeln: „Ein aktiver Vertrieb sollte verboten werden; für Verbrauche­r sind diese Produkte zu komplex und bergen zu hohe Risiken“, sagte Verbrauche­rschützer Müller.

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Container halten die Weltwirtsc­haft am Laufen. Doch das Geschäft ist hart umkämpft, die Preise fielen über Jahre. Das könnte jetzt rund 51 000 Anlegern der Münchner Firma P&R zum Verhängnis werden.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Container halten die Weltwirtsc­haft am Laufen. Doch das Geschäft ist hart umkämpft, die Preise fielen über Jahre. Das könnte jetzt rund 51 000 Anlegern der Münchner Firma P&R zum Verhängnis werden.

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