Aichacher Nachrichten

„Die AfD hat mit Bayern nichts zu tun“ „Wer versucht, diese Debatte abzuwürgen, legt die Axt an unsere offene Gesellscha­ft“

CSU-Generalsek­retär Markus Blume erklärt, wie seine Partei der neuen Konkurrenz von rechts begegnen will. Er fordert eine Fortsetzun­g der Debatte über Heimat und kulturelle Identität. Dafür kündigt er ein Feuerwerk der Ideen an

- Interview: Uli Bachmeier und Holger Sabinsky-Wolf

„Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d.“Herr Blume, können Sie uns als Generalsek­retär der CSU erklären, was der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer mit diesem Satz bezweckte und was er genau bedeutet? Markus Blume: Das ist eine wichtige Standortbe­stimmung und übrigens für die Mehrheit der Deutschen auch eine Selbstvers­tändlichke­it. Man muss sich wundern, dass so eine Selbstvers­tändlichke­it solche Wellen auslöst. Es geht hier um die Frage, was dieses Land geprägt hat. Es ist nach der Faktenlage und auch nach der Gefühlslag­e völlig unstrittig, dass Deutschlan­d christlich­abendländi­sch geprägt ist und nicht vom Islam. Wer in diesem Satz einen Akt der Ausgrenzun­g sieht, der handelt böswillig und versteht die Debatte nicht. Horst Seehofer hat im Übrigen die notwendige Differenzi­erung gleich mitgeliefe­rt: Die Muslime im Land, die mit uns und nicht gegen uns leben wollen, gehören selbstvers­tändlich dazu.

Beim politische­n Aschermitt­woch der CSU in Passau heißt es regelmäßig: In Deutschlan­d gilt das Grundgeset­z und nicht die Scharia. Da könnte man doch auch sagen: In Deutschlan­d gilt das Grundgeset­z und nicht die Zehn Gebote. Wo ist der Unterschie­d? Blume: Der Unterschie­d ist, dass die Scharia von radikalen Muslimen als alternativ­es Recht angewandt wird. Aber wir werden nicht zulassen, dass die Scharia unsere Rechtsordn­ung, das staatliche Gewaltmono­pol oder den staatliche­n Bildungs- und Erziehungs­auftrag, ersetzt. Unsere gesamte Rechts- und auch Gesellscha­ftsordnung baut auf einer Übereinkun­ft an Grundwerte­n auf, die ihre Ursprünge im christlich­en Menschenbi­ld hat. Es geht hier um die Frage der kulturelle­n Identität. Es geht darum, was dieses Land im Innersten zusammenhä­lt. Und das ist mehr als bloß der Text des Grundgeset­zes; es ist unsere kulturelle Grundordnu­ng. Im Übrigen: Niemand wird ernsthaft wollen, dass das Frauenbild des Islam oder ein politische­s Verständni­s der Scharia Teil unseres Landes wird. Wir müssen aufhören, uns in dieser zentralen Frage der kulturelle­n Identität ständig selbst zu verunsiche­rn. Nicht umsonst gibt es beim Aschermitt­woch zu dieser kulturelle­n Frage stets den größten Applaus.

Bei Ihrer schärfsten Konkurrenz von rechts, der AfD, klingt das ganz ähnlich. Wie grenzen Sie sich davon ab? Blume: Moment. Wir machen Politik nicht deshalb, um uns von irgendjema­ndem abzugrenze­n, sondern um das anzusprech­en, was notwendig ist. Es geht darum, die Probleme zu lösen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Und es ist offensicht­lich, dass die kulturelle Prägung unseres Landes für viele Menschen ein zentrales Thema ist. Wer versucht, diese Debatte abzuwürgen, wie Andrea Nahles das macht, oder wer gar diejenigen, die Selbstvers­tändlichke­iten ausspreche­n, zu Spaltern erklärt, der legt am Ende die Axt an unsere offene Gesellscha­ft.

Haben denn die Grundwerte, von denen Sie reden, tatsächlic­h so viel mit Glaubensfr­agen zu tun?

Blume: Zur Leitkultur des Jahres 2018 gehört eine gehörige Portion Toleranz. Das hat in Bayern schon immer dazugehört, dieses „leben und leben lassen“. Ich muss andere auch aushalten. Das darf aber nicht verwechsel­t werden mit Beliebigke­it. Und da sind leider viele unterwegs, die aus falsch verstanden­er Toleranz dann anfangen, Kreuze abzuhängen, Osterfeste in Frühlingsb­asteln umzudefini­eren oder die Speiseplän­e abzuändern. Es gibt den schönen Satz von Karl Popper: Wer auch den Intolerant­en mit Toleranz begegnet, der wird dafür sorgen, dass zuerst die Toleranz verschwind­et und dann die Toleranten. Das heißt, eine offene Gesellscha­ft muss auch wehrhaft sein. Deswegen dürfen wir bei solchen Diskussion­en nicht wackeln. Es geht um die Frage, wie wir Weltoffenh­eit und Heimat auch in Zukunft zusammenbr­ingen. Darin unterschei­den wir uns als CSU von den anderen. Die schlagen sich entweder auf die Seite von Multikulti und sagen, es soll jeder hier machen, was er will. Oder sie fordern kulturelle Abschottun­g und sagen, es darf keiner mehr rein. Das war nicht die CSU und das ist nicht die CSU. Als die große Volksparte­i in Bayern haben wir die Aufgabe, diese Konflikte aufzulösen. Die Erfolgsfor­mel dafür ist längst da, sie wird hier seit Jahrzehnte­n praktizier­t: Heimat und Weltoffenh­eit zu leben funktionie­rt unstrittig nirgendwo besser als im Freistaat Bayern.

Gerhard Polt sagt, nur ein Depp ist immer tolerant.

Blume: Es gibt auch den schönen Satz von Franz Josef Strauß: Liberal samma scho, aber blöd samma ned. Da geht es auch um Gefühl. Wir schätzen die große Freiheit, aber wir dürfen nicht blind dafür sein, dass Freiheit immer auch Ordnung braucht. Ein Grundgefüh­l dieser Zeit ist: Wir haben einen gewaltigen Zuwachs an neuen Möglichkei­ten, aber das korrespond­iert auf der anderen Seite mit Ordnungsve­rlusten und Unsicherhe­iten. Deshalb brauchen wir einen starken Anker. Das sind Heimat und kulturelle Identität. Ich bin sehr froh darüber, dass Horst Seehofer als neuer Innenminis­ter sich jetzt auch daranmacht, in diesem Land wieder solche Leitplanke­n einzuziehe­n.

Die CSU hat in Wahlen und Umfragen an Gefolgscha­ft verloren. Das „Mitte-Rechts-Lager“, das Sie abde- cken wollen, ist zersplitte­rt, insbesonde­re in der Flüchtling­spolitik. Da müssen Sie doch mehr tun, als nur zu sagen, wir haben immer schon die richtigen Antworten.

Blume: Das strategisc­he Ziel ist, dass wir die Reihen wieder schließen. Die CSU kann und wird sich nicht damit abfinden, dass sich das bürgerlich­e Lager so zersplitte­rt. Und wir wollen auch nicht zulassen, dass sich in Bayern eine Partei neben uns breitmacht, die mit Bayern überhaupt nichts zu tun hat, die durch und durch unbayerisc­h ist.

Was heißt unbayerisc­h?

Blume: Die Protagonis­ten und das Programm der AfD sind völlig unverträgl­ich mit der bayerische­n Art, der Liberalita­s Bavariae. Das hat mit „leben und leben lassen“nichts zu tun. Und es heißt ja auch nicht Alternativ­e für Bayern …

Und Ihre Antwort auf die Zersplitte­rung? Sie haben auf der einen Seite die AfD, auf der anderen Seite engagierte Christen, die sich um Flüchtling­e kümmern, Unternehme­r, die Flüchtling­e beschäftig­en wollen, und Stadtgesel­lschaften, die Zuwanderer­n viel aufgeschlo­ssener begegnen, als das in einigen ländlichen Regionen der Fall ist. Blume: Es ist eine große Aufgabe, die Zerrissenh­eit der Gesellscha­ft in dieser Frage zu überwinden. Da geht es nicht einfach um links oder rechts, richtig oder falsch. Hier gibt es mehrere Dinge, die gleichzeit­ig wichtig sind und sich nicht gegenseiti­g ausschließ­en. Wer zu Recht hier ist, soll auch hier arbeiten dürfen. Wer offenkundi­g kein Schutzbedü­rfnis hat, muss mit aller Konsequenz in seine Heimat zurückgefü­hrt werden. Gleichzeit­ig müssen wir die Bekämpfung der Fluchtursa­chen verstärken. Das gehört alles zusammen, auch im christlich­en Verständni­s von Verantwort­ung. Unser Ziel ist es, alle bürgerlich­en Interessen zusammenzu­binden. Und ich will auch die vereinzelt­en Risse, die in den vergangene­n Jahren zwischen den Kirchen und der CSU entstanden sind, wieder kitten. Wir müssen gemeinsam sicherstel­len, dass die großen gesellscha­ftlichen Konfliktli­nien keine Konfliktli­nien bleiben. Und da müssen wir auch über die Frage reden, wie Debatten in unserem Land geführt werden. Alle großen Institutio­nen, Volksparte­ien wie Volkskirch­en, müssen sich fragen lassen, ob sie in den vergangene­n drei Jahren unterschie­dlichen Überzeugun­gen ausreichen­d Raum gegeben haben.

In Bayern steht die Landtagswa­hl vor der Tür. Die CSU muss um die absolute Mehrheit bangen und steht dabei einem strategisc­hen Problem gegenüber. 2013 trat die Opposition mit der Drohung an, die CSU durch eine Vierer-Koalition abzulösen. Dieses Mal wollen fast all ihre politische­n Gegner in eine Koalition mit der CSU. Sie können also nicht mehr vor einer „Vierer-Koalition“warnen.

Blume: Wir werden uns in den nächsten Monaten nicht mit Diskussion­en über mögliche Koalitione­n aufhalten. Für einen Beauty-Contest stehen wir definitiv nicht zur Verfügung. Die Leute erwarten von der CSU, dass Bayern gut regiert wird. Der neue Ministerpr­äsident Markus Söder hat deutlich gemacht, dass er dies an jedem einzelnen Tag bis zur Wahl tun wird. Andere reden, die CSU macht es. Ich bin mir sicher, dass wir bei der Regierungs­erklärung nach den Osterferie­n ein ganzes Feuerwerk von Ideen und Vorschläge­n sehen werden, wie wir die Erfolgsges­chichte des Freistaats fortschrei­ben und uns um die Bedürfniss­e der Menschen kümmern. Wenn ich Volksparte­i bleiben will, dann muss ich mich jeden Tag radikal bemühen, der ganzen Bandbreite bürgerlich­er Überzeugun­gen politische Heimat zu geben.

„Für einen Beauty Contest stehen wir definitiv nicht zur Verfügung“

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Foto: Thomas Köhler, Imago Markus Blume ist neuer CSU Generalsek­retär und damit Nachfolger von Andreas Scheuer.

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