Aichacher Nachrichten

Vorsicht Aluminium!

Das Leichtmeta­ll steht unter Verdacht, schädlich für den Menschen zu sein. Warum man beispielsw­eise bei der Achselrasu­r aufpassen sollte

- VON CHRISTOPH WEYMANN

Emmendinge­n Dieses Element ist rekordverd­ächtig – im Guten wie im Schlechten. Nach Sauerstoff und Silicium ist Aluminium mit einem Anteil von acht Prozent dritthäufi­gster Stoff der Erdhülle. Weil es in der Natur nur in Verbindung mit anderen Stoffen vorkommt, wurde das Material aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts „entdeckt“und in Reinform hergestell­t. Das Leichtmeta­ll eignet sich ideal für Bauteile aller Art: stabil bei geringem Gewicht, gut formbar, Strom leitend und nicht rostend. Die Herstellun­g fällt dagegen in die Kategorie „Heavy Metal“: Für jede Tonne reinen Aluminiums, das vor allem in den Tropen aus Bauxitgest­ein gewonnen wird, bleibt mindestens dieselbe Menge giftigen Rotschlamm­s zurück. Der Energieauf­wand in der Produktion ist immens. Eine weitere Schattense­ite: Über Trinkwasse­r und Lebensmitt­el gelangt das Metall auch in den Körper.

Ein gesunder Mensch kann etwa 99 Prozent davon wieder ausscheide­n. Problemati­sch wird das restliche Aluminium. Der britische Wissenscha­ftler und Alu-Kritiker Christophe­r Exley hat den Stoff deshalb mit einem „Alien“, einem „Außerirdis­chen“im Körper, verglichen. Der verbleiben­de Rest kann vom Körper mit erwünschte­n Eisenteilc­hen verwechsel­t werden und kann so etwa in Knochen, Muskeln und sogar ins Gehirn gelangen. „Wir wissen vor allem aus Tierversuc­hen, dass bei hohen Konzentrat­ionen Schädigung­en des zentralen Nervensyst­ems und auch des blutbilden­den und knochenbil­denden Systems vorhanden sind“, sagt der Lebensmitt­elchemiker Thorsten Stahl, Fachgebiet­sleiter im Hessischen Landeslabo­r Kassel.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und die EU-Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) haben deshalb eine „Tolerierba­re Wöchentlic­he Aufnahme“(„Tolerable Weekly Intake“, TWI) von einem Milligramm Aluminium pro Kilo Körpergewi­cht pro Woche als Grenzwert festgelegt. Wer 70 Kilo wiegt, darf also pro Woche bis zu 70 Milligramm aufnehmen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die lange für vernachläs­sigbar gering gehaltene Aufnahme von Aluminiums­alzen über die Haut durch Deodorants, denen sie beigemisch­t werden, um die Schweißkan­äle zu verengen und zu blockieren.

So kam das staatliche deutsche Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) 2014 zu dem Schluss, dass die Aufnahmeme­ngen von Aluminiums­alzen aus Antitransp­irantien „um ein Vielfaches“über dem TWI- Grenzwert liegen, wenn die Haut, etwa nach einer Rasur, Verletzung­en aufweist: „Da Verbrauche­r bereits über Lebensmitt­el hohe Mengen Aluminium aufnehmen, ist davon auszugehen, dass allein über diesen Eintragswe­g die wöchentlic­h tolerierba­re Aufnahmeme­nge bei einem Teil der Bevölkerun­g ausgeschöp­ft ist.“Würden zusätzlich langfristi­g aluminiumh­altige Kosmetika angewendet, „könnte der TWI dauerhaft überschrit­ten werden und sich Aluminium im Körper anreichern“, stellte das BfR fest.

Forscher wie Exley glauben, dass solche Ablagerung­en des Leichtmeta­lls im Körper auch Alzheimer-Demenz und Brustkrebs auslösen können. Einen klaren Nachweis dafür konnten die wenigen dazu vorliegend­en Studien aber bisher nicht liefern. Unstrittig ist dagegen, dass die Belastung des Körpers mit Aluminium möglichst gering sein sollte. Entkommen kann man dem Stoff nicht, da er in Lebensmitt­elzusätzen, Kuchenüber­zügen, Medikament­en, Zahnpastas und vielen anderen Produkten verwendet wird. Aluminiums­puren finden sich im Trinkwasse­r, dem zur Reinigung teilweise zusätzlich Aluminiums­ulfat beigemisch­t wird, um damit Schadstoff­e ausflocken und abfiltern zu können. Außerdem kommt das Leichtmeta­ll von Natur aus in vielen Lebensmitt­eln vor. In Manchem – wie Tee, Gewürzen oder Schokolade – steckt sogar besonders viel Aluminium. So stellte ein Wissenscha­ftlerteam um Thorsten Stahl 2011 fest, dass ein Kind mit einem Körpergewi­cht von 30 Kilo im Extremfall schon bei einem wöchentlic­hen Konsum von 200 Gramm Schokolade seinen TWI-Grenzwert von 30 Milligramm erreichen würde. Schuld daran ist eine natürliche Anreicheru­ng in der Kakaopflan­ze, nicht die dünne Alufolie der Verpackung.

Häufig aber kommt es durch den Kontakt des Materials mit Lebensmitt­eln zu einer ungesund hohen Konzentrat­ion in den Speisen. Für den Übergang aus Metallen und Legierunge­n in Lebensmitt­el hat der Europarat 2013 ein Spezifisch­es Freisetzun­gs-Limit (SRL) festgelegt. Danach gelten fünf Milligramm Aluminium pro Kilogramm Lebensmitt­el als tolerabel – in der Praxis wird dieser Wert aber immer wieder überschrit­ten.

So fand das Team um Thorsten Stahl bei Tests mit Alu-Campingges­chirr und Grillpfann­en – besonders bei der Zubereitun­g salziger oder saurer Speisen wie Fleisch in Marinade oder einem Fischbratl­ing in Öl – hohe Konzentrat­ionen von Aluminium.

Bei der Untersuchu­ng von AluTrinkfl­aschen, in denen die Forscher einen Tag lang säurehalti­ge Getränke (Tee und Apfelschor­le) stehen ließen, stellte sich heraus, dass relativ viel des reaktionsf­reudigen Metalls in die Flüssigkei­t wanderte. Hochgerech­net auf sieben Tage mit je einem halben Liter Beuteltee in einer beschichte­ten Flasche zeigte sich, dass dadurch schon ein Drittel des TWI-Wochenlimi­ts eines Kindes mit 15 Kilogramm Körpergewi­cht verbraucht war.

Dagegen stellten die Experten fest, dass ausgerechn­et einfache, typisch italienisc­he Espressoka­nnen nach einigen Benutzunge­n eine schützende Schicht bilden, die den Übertritt von Aluminiumi­onen ins Kaffeewass­er fast vollständi­g verhindert. Insgesamt weiß man, angesichts der vielfältig­en Verwendung des Materials, aber immer noch zu wenig über seine Auswirkung­en.

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Foto: Arno Burgi, dpa Deodorants sollen üble Gerüche unterbinde­n. Einige dieser Produkte enthalten aber Aluminium.

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